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Immun gegen das Coronavirus?

27. Oktober 2020

Eine neue, großangelegte Studie aus Großbritannien zeigt, dass die Immunität nach einer COVID-19-Erkrankung schneller zurückgeht als gedacht - vor allem bei älteren Menschen. Unser Faktencheck zeigt, was wir wissen.

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Touristen posieren mit Mundschutz auf der Hohe Straße in Köln.
Sind wir immun? Die Frage der Immunität wird drängender, die Ergebnisse der Wissenschaft sind aber vieldeutig.Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres/picture-alliance

"Ich bin immun", sagte Donald Trump bei seinem Wahlkampf-Comeback nach überstandener COVID-19-Erkrankung, er wolle sein Publikum am liebsten jetzt küssen. Das tat der weltweit prominenteste Corona-Fall am Ende dann doch nicht und das war vermutlich auch gut so. Denn ob der US-Präsident tatsächlich immun ist, ist nach aktuellem Forschungsstand nicht gesichert. Die Frage der Immunität begleitet die weltweite Corona-Pandemie von der ersten Stunde an. Angesichts von rasant steigenden Infektionszahlen in Europa, Nordamerika und Südamerika ist sie drängender als zuvor. Eine neue Studie dämpft nun die Hoffnungen auf eine natürliche Immunität ohne Impfung. Forscher des Imperial College London untersuchten die Proben von 365.000 Menschen in England und fanden Indizien, dass die Immunität mit der Zeit zurückgeht. Die Erkenntnisse im DW Faktencheck:

Wie lange bin ich nach einer COVID-19-Erkrankung immun?

Das hängt von mehrere Faktoren ab. Zum Beispiel vom Alter, wie die Studie des Londoner Imperial College zeigt: Personen ab 75 Jahren wiesen demnach einen deutlich schnelleren Rückgang der gebildeten Antikörper auf als junge Menschen. Zudem variierte die Antikörperbildung auch je nach Schwere der durchgemachten Erkrankung. Interessanterweise ging die Antikörperzahl bei Beschäftigten im Gesundheitswesen weniger stark zurück, was auf eine wiederholte oder höhere Exposition gegenüber dem Coronavirus hinweisen könnte, so die Forscher. Ob die Immunität Wochen oder Monate anhält, hängt also von der Person ab, die sich infiziert.

Lesen Sie mehr: Das Immunsystem im Kampf gegen Corona

In einer anderen Studie der Harvard Medical School und der Universität Toronto fanden Wissenschaftler heraus, dass die größte Menge an Antikörpern zwei bis vier Wochen nach der Infektion zu messen waren, danach aber abnahmen. Der Spiegel der Antikörper sei rund vier Monate nachweislich erhöht geblieben, deswegen sei man "sehr wahrscheinlich für diesen Zeitraum geschützt", so Studienleiterin Richelle Charles. Ein tatsächlicher Beweis für einen Schutz ist auch diese Studie aber nicht. Die Frage nach der Haltbarkeit einer Immunität gegen das neuartige Coronavirus bleibt vorerst unbeantwortet.

Warum gibt es unterschiedliche Aussagen zur Immunität?

Das hängt mit den Untersuchungsorten, dem Zeitraum oder auch der Größe der Studien zusammen. So fanden Forscher in New York bei 20 Prozent der untersuchten Bewohner Antikörper, im deutschen Heinsberg bei 15 Prozent und im österreichischen Skiort Ischgl bei 40 Prozent. Alle drei Orte waren Hotspots der ersten Corona-Welle, doch alle wiesen unterschiedliche Werte auf. In China, wo das Virus erstmals nachgewiesen wurde, fanden Mediziner in einer kleineren Studie heraus, dass Menschen, die eine Corona-Infektion ohne Symptome hinter sich haben, bereits im Schnitt nach zwei Monaten keine Antikörper mehr im Blut hatten. In den USA waren Wissenschaftler der University of Arizona dagegen zuversichtlicher. Sie fanden bei einer Untersuchung von 6000 Menschen Hinweise, "dass die Immunität mindestens fünf Monate lang stabil ist", wie Immunbiologe Deepta Bhattacharya feststellte.

Brasilien - Corona-Impfstoff wird in Brasilien getestet
Die natürliche Corona-Immunität ohne Impfung ist laut Forschern noch nicht ausreichend erforschtBild: Andre Lucas/dpa/picture-alliance

Und nun wiesen die Forscher des Imperial College in England nach, dass von Ende Juni bis Ende September der Anteil der Bevölkerung mit nachweisbaren Antikörpern von 6 auf 4,4 Prozent zurückging. Dies legt eine kürzere Immunitätsdauer nahe. Zudem gilt der Nachweis der Antikörper im Blut als schwierig. Die Ergebnisse der Studien sind somit grundlegend verschieden, auch weil einige Untersuchungen bisher nur im Pre-Print vorliegen und somit noch Gegenstand des wissenschaftlichen Überprüfungsprozesses sind (so auch die Studie des Imperial College London). Letztlich - darin sind sich viele Forscher einig - ist die Frage der Immunität nicht ausreichend erforscht.

Müssen sich Menschen nach überstandener COVID-19-Erkrankung nicht mehr an geltende Schutzmaßnahmen halten?

Eine OP-Maske liegt auf einer Gasse am Kölner Dom.
Maske adé? Nein, auch genesene Corona-Patienten müssen sich an die Schutzmaßnahmen halten.Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres/picture-alliance

Doch, das müssen sie. Aus rechtlicher Perspektive wird nicht zwischen Menschen nach oder ohne überstandene COVID-19-Erkrankung unterschieden. Die Schutzmaßnahmen, die von Land zu Land, in Deutschland auch von Region zu Region, variieren, gelten für alle Menschen und sind teilweise mit drastischen Strafen verbunden. Medizinisch betrachtet müssen sich Menschen nach überstandener COVID-19-Erkrankung ebenfalls an die geltenden Schutz-Regeln halten. Denn erstens ist die Dauer der Immunität nicht gesichert (siehe oben) und zweitens sind inzwischen mehrere Fälle von Reinfektionen bekannt. "Auch wenn ein Test Antikörper nachweist, muss die Person sich weiterhin an die nationalen Sicherheitsmaßnahmen halten, also etwa Maske tragen, Abstand halten oder bei Symptomen testen lassen", stellt Paul Elliot, Direktor am Imperial College London klar.

Gibt es auch Menschen, die nach einer COVID-19-Erkrankung keine Immunität bilden?

Darauf gibt es Hinweise, ja. In einer amerikanischen Studie unter Marine-Soldaten hatten 41 Prozent der untersuchten Personen keine neutralisierenden Antikörper im Blut. Bei einer chinesischen Studie der Fudan-Universität in Shanghai waren es immerhin noch sechs Prozent. Das bedeutet, dass nicht einmal gesichert ist, ob überhaupt jeder Mensch, der sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, eine Immunität bildet. Das deutsche Robert-Koch-Institut schlussfolgert daher im fortlaufend aktualisierten Steckbrief zum Coronavirus, dass es nach derzeitigem Forschungsstand weiterhin ungewiss sei, "wie regelhaft, robust und dauerhaft eine Immunität aufgebaut wird".

Infografik Abwehrsystem des Menschen DE