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Medizin: Revolution durch mRNA-Technologie?

27. Juli 2021

Schon lange forscht die Medizin an Messenger-RNA. Doch erst mit den COVID-19-Impfstoffen hat die Technologie den Durchbruch geschafft. Fragen und Antworten zu Impfungen, die unsere Welt der Medizin umkrempeln könnten.

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Illustration: Weiße Blutkörperchen vor Krebszellen
Werden die weißen Blutkörperchen mit Hilfe einer mRNA-Impfung den Kampf gegen die Krebszellen gewinnen können?Bild: Imago Images/Science Photo Library

Die Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria kam in den letzten Jahrzehnten eher schlecht als recht voran. Es gibt zwar seit einigen Jahren den Impfstoff RTS,S, der etwa ein Drittel der Infektionen verhindern kann, und seit diesem Jahr sogar noch einen wahrscheinlich besseren Impfstoff namens R21/Matrix-M, der eine Wirksamkeit von 75 Prozent erreicht. Aber vielleicht ist ja noch mehr drin?

Das denkt sich jedenfalls BioNTech-Gründer Ogur Sahin. Und so hat er am 26. Juli in Frankfurt bekanntgegeben, dass seine Firma nun auch eine Malaria-Impfung entwickeln will. Ab Ende nächsten Jahres könnte sie in die klinische Forschung gehen.

Neue Schutzimpfung gegen Malaria

Der anvisierte Impfstoff gründet auf dem Prinzip der Messenger-RNA (mRNA). Die Hersteller BioNTech/Pfizer und Moderna haben seit diesem Jahr erstmals großflächig und erfolgreich solche mRNA-Impfungen gegen COVID-19 zum Einsatz gebracht. Doch wo kommt die mRNA-Technologie ursprünglich her und wie weit ist sie fortgeschritten? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie funktioniert mRNA?

Die Aufgabe der RNA (Ribonukleinsäure) in unserem Körper besteht darin, Informationen aus unserem Erbgut, der DNA, dafür zu verwenden, um Eiweiße zu produzieren. Das tut sie in den Eiweißfabriken der Zellen, den Ribosomen. Dort findet die Biosynthese von Proteinen statt.

Das macht sich die Medizin zunutze: Bei Impfungen liefert künstlich hergestellte mRNA den Ribosomen die Bauanleitung für Oberflächenproteine von Erregern, die man bekämpfen will – etwa für das Spike-Protein des Coronavirus.

Die Ribosomen produzieren diese Proteine und fordern damit eine Immunantwort des Körpers heraus. Die richtet sich dann gegen alle Eindringlinge, die die bestimmte Oberflächeneigenschaft des Proteins haben – zum Beispiel gegen eben dieses Spike-Protein. 

Bei einer Krebs-Impfung identifizieren die Forschenden, welche Proteine typisch für die Oberfläche bestimmter Krebszellen sind und entwickeln dazu eine passende mRNA, in der Hoffnung, dass das Immunsystem dann die Krebszellen angreift. Ähnlich wollen die Forschenden auch bei Impfungen gegen Bakterien oder Plasmodien (bei Malaria) vorgehen.

Was unterscheidet mRNA von anderen Impfstoffen?

Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass die bisherigen Lebend- oder Totimpfstoffe das Antigen, auf das das Immunsystem reagieren soll, mitbringen. mRNA-Impfstoffe hingegen lassen es erst in den Zellen produzieren.

Das erleichtert die Herstellung von Impfstoffen und deren Anpassung auf andere Erreger, weil dabei nur bestimmte Impfstoff-Plattformen – also erprobte Verfahren – durch eine veränderte spezifische mRNA neu angepasst werden müssen.

Wie neu ist die Idee der Messenger-RNA?

Die Idee ist gar nicht so neu. Schon 1961 hatten die Biologen Sydney Brenner, Francois Jakob und Matthew Meselson herausgefunden, dass Ribonukleinsäure (RNA) in der Lage ist, Erbinformationen zu transportieren, die zur Biosynthese von Proteinen zum Beispiel in Zellen dienen können. Gelungen ist das aber erst dem Virologen Robert Malone im Jahr 1989.

Die ersten Versuche mit Impfungen führten verschiedene Forschergruppen in den Jahren 1993 bis 1994 mit Mäusen durch. So zum Beispiel eine Impfung gegen das Semikli-Wald-Virus, das 1942 erstmals in Uganda isoliert wurde, und das vor allem Nagetiere befällt. 

Die ersten klinischen Versuche mit mRNA-Impfstoffen am Menschen fanden 2002 und 2003 statt. Sie konzentrierten sich vor allem auf die Bekämpfung von Krebszellen. Auch in den Folgejahren konzentrierte sich die mRNA-Forschung vor allem auf die Krebsbekämpfung. 

Wogegen werden mRNA-Imfpstoffe derzeit in Stellung gebracht?

Es gibt eine ganze Reihe von Krankheitserregern, die bereits im Fokus der Forschung stehen. Dazu gehören viele Viren, wie HIV, Tollwut, Zika, Chikungunya, die Grippe und Dengue. Hier ist die Hoffnung groß, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen, zumal die Erfolge bei dem Kampf gegen COVID-19 gezeigt haben, dass mRNA-Impfstoffe bei Viren Wirkung zeigen. 

Der Kampf gegen Krebs gehört indes zu den ältesten und am weitesten fortgeschrittenen Feldern der mRNA-Forschung. Gerade erst im Juni hat BioNTech eine Phase 2 Studie im Kampf gegen fortgeschrittenen Hautkrebs begonnen.

Natürlich lassen sich die Erfahrungen von Corona nicht einfach auf Krebszellen übertragen. Diese sind sehr viel größer als Viren. Die Reaktion des Immunsystems sieht ganz anders aus.

Ein ähnlich großes Fragezeichen bleibt bei der Forschung an einer Malaria-Impfung bestehen. Hier sind die Erreger Einzeller. Und sie haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie schwer zu bekämpfen sind.

Wahrscheinlich liegt hier der Schlüssel zum Erfolg bei Krebs und Malaria darin, Proteine zu identifizieren, die zentral für das Funktionieren des jeweiligen Erregers sind, und trotzdem eine sehr starke Immunreaktion des Körpers hervorrufen. Das körpereigene Immunsystem muss schließlich in beiden Fällen die krankmachenden Zellen abtöten, ohne den gesunden Zellen oder dem Organismus des Menschen dabei zu schaden. 

Wird die mRNA-Technologie die Medizin revolutionieren?

Das zu prognostizieren ist noch zu früh. Klar ist: Mediziner haben große Hoffnungen in die mRNA-Technologie. Falls es gelingt, wirksamere Grippeschutzimpfungen zu entwickeln, wäre schon viel gewonnen.

Und sollte es tatsächlich gelingen, durch mRNA-Impfungen das Immunsystem so zu mobilisieren, dass es gezielt pathologische Zellen angreift und zerstört, wäre es ein Riesendurchbruch. Dann könnte die Technologie noch in ganz anderen Medizinbereichen Fuß fassen, die bisher gar nicht im Fokus stehen.

Eine Revolution in der Medizin könnte alleine schon dadurch zustande kommen, dass Impfungen – im Gegensatz zu medikamentösen Behandlungen – ein wachsender Stellenwert zukommt. Impfungen sind für Patienten und Gesundheitssysteme um ein vielfaches kostengünstiger. 

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen