Craig gegen Waltz: Bond gegen "Spectre"
27. Oktober 2015Die Weltpremiere in der Royal Albert Hall in London hätte glamouröser kaum ausfallen können. Sämtliche Stars hatten sich herausgeputzt, zudem verliehen die Prinzen William und Harry im Smoking sowie Herzogin Kate im bodenlangen hellblauen Kleid dem Screening zusätzlich royalen Glanz.
Daniel Craig, der seine Zukunft in dieser Rolle weiterhin im Unklaren ließ ("Ich liebe es, James Bond zu spielen"), hatte sichtlich Spaß dabei, sich mit seinen "Bond-Girls" Léa Seydoux im goldenen Kleid und Monica Bellucci in langer Samtrobe fotografieren zu lassen. "Eine James-Bond-Lady zu sein ist etwas Kultiges", sagte die Italienerin: Mit 51 Jahren ist sie die bisher älteste Liebschaft des Agenten.
Joseph Fiennes, der Bonds Boss M spielt, gab am roten Teppich zu Protokoll, er sei schon als Teenager Bond-Fan gewesen. "Deswegen freue ich mich wie ein Kind, dabei zu sein." Wohl um diese Aussage zu verdeutlichen, legte der 52.Jährige sogar ein kleines Tänzchen auf dem roten Teppich hin.
Schon Monate vor der Premiere ist die gigantische James-Bond-Maschinerie angelaufen. Und seit Wochen auf Hochtouren. Schließlich handelt es sich um ein Milliarden-Unternehmen. Der letzte Bond-Streifen "Skyfall" hatte die Milliarden-Dollar-Umsatzhürde geknackt. Nur ganz wenige Kinofilme können auf solch eine phänomenale Einnahmebilanz zurückblicken. "Spectre" soll natürlich an den Erfolg von Nr. 23 anknüpfen. Der vielumworbene neue Bond-Titelsong "Writing's On the Wall" von Sam Smith eroberte bereits Platz 1. der britischen Single-Charts. Die Kinoreihe um den britischen Geheimdienstagenten ist ein globales Wirtschaftsunternehmen. Die Einnahmen werden schon lange nicht mehr nur über Kino-Tickets generiert. James Bond ist die Mutter aller Produkt-Placement-Geschäfte. Ob Autos, Uhren, Getränke oder Smartphones, wer es schafft sein Produkt in einem Bond-Film zu platzieren, darf auf Umsatzsprünge hoffen. Das lassen sich Autohersteller, Uhrenproduzenten oder die großen Handy-Player der Welt etwas kosten.
Globale Geldmaschine James Bond
Bis zu 350 Millionen Dollar Produktions- und Marketingkosten soll "Spectre" verschlungen haben. Selbst ausgebuffte Produzenten wie die von James Bond, Barbara Broccoli und Michael G. Wilson, müssen bei derartig großen Summen sehen, wie sie an ihr Geld kommen. Und das kommt auch nicht nur über Lizenzverkäufe ins Ausland, DVD- und Streamingrechte oder im Film lancierte Produkte rein.
Etabliert hat sich beispielsweise auch eine Local-Placement-Industrie. An welchen Schauplätzen James Bond die Bösewichter der Welt jagt, ist nicht nur Sache von Drehbuchautoren und Regisseuren. Nicht selten lassen sich es die Produzenten bezahlen, wenn Szenen an bestimmten Orten spielen. Die verschiedenen attraktiven und meist exotischen Schauplätze der Bond-Filme sind legendär. Damit können Tourismusbehörden lange werben. Das lassen sich die Bond-Produzenten bezahlen.
Exotische Drehorte auf drei Kontinenten
Regisseur Sam Mendes hat "Spectre" in den österreichischen Alpen, der marokkanischen Wüste und im Herzen Mexikos inszeniert - und natürlich in den legendären Pinewood-Studios in London. In Mexiko wurde die spektakuläre Eröffnungssequenz gedreht, die in Trailern schon zu sehen ist. Bond-Produktionsdesigner Dennis Gassner ist kein Vergleich zu groß: "Der Rhythmus folgt dem Anfang von Beethovens 5. Symphonie", verkündete er stolz im Vorfeld.
Dass James Bond ein Kinofilm ist, in dem Schauspieler Rollen spielen und in dem eine Geschichte erzählt wird, gerät schon fast in den Hintergrund angesichts des gewaltigen Medienrummels um Produkte, Schauplätze und Home-Storys der Hauptdarsteller. Im neuen Bond bekommt es Bond-Darsteller Daniel Craig mit dem Chef der legendären Geheimorganisation S.P.E.C.T.R.E. zu tun, die schon in früheren 007-Abenteuern eine Rolle spielte.
In seinem besten Rollenfach: Christoph Waltz
Den zentralen Gegenspieler von James Bond hat diesmal der Österreicher Christoph Waltz übernommen. Seit seinen mit Oscars prämierten Auftritten in Filmen von Quentin Tarantino ist Waltz international ein gefragter Star, der vor allem als Fiesling zu glänzen weiß. Als Chef der Organisation S.P.E.C.T.R.E. knüpft er an die große Tradition deutschsprachiger Bösewichter an. Gerd Fröbe und Curt Jürgens, Gottfried John und Klaus-Maria Brandauer - an Darsteller aus Österreich und Deutschland ist die große James-Bond-Gemeinde ja inzwischen gewöhnt.
Mindestens ebenso Gesprächsthema sind immer die weiblichen Co-Stars. Mit der Italienerin Monica Bellucci und der Französin Léa Seydoux sind diesmal überraschenderweise zwei bereits renommierte und auch aus anspruchsvollen Filmen bekannte Schauspielerinnen dabei.
Dass über Darsteller und Schauplätze mehr geredet wird als über den Inhalt eines Bond-Films, verwundert nicht. Im Grunde geht es in jedem neuen 007-Streifen seit Jahrzehnten ja immer auch um das Gleiche: Der britische Geheimdienstagent im Dienste seiner Majestät muss sich mit den übelsten und skrupellosesten Bösewichten, die stets die Weltherrschaft an sich reißen wollen, auseinandersetzen. Dabei bekommt Bond im Laufe der Filmhandlung nicht ohne Schrammen davon, setzt sich aber am Ende immer durch. Es muss ja weitergehen. Zumindest solange, die Filmserie Erfolg hat.
Action, verrückte Typen und schöne Frauen: Das James-Bond-Universum
Die Zutaten sind stets die gleichen. Ein paar Nebenfiguren wie Miss Moneypenny, M und Q, begleiten die Zuschauer seit vielen Jahren und sind längst Kult. Immer ausgefeilter inszenierte Action-Sequenzen halten das Publikum bei Laune. Das eigentliche Wunder ist, dass James Bond den Kalten Krieges souverän überstanden hat. An die Stelle der Russen sind längst andere Gegenspieler getreten.
Die Sowjets wurden abgelöst von Bösewichten aus dem arabischsprachigen Raum oder völlig durchgeknallten Typen außerhalb jeder politischen Ordnung. Letztere werden bevorzugt von europäischen Stars wie Mads Mikkelsen, Mathieu Amalric oder Javier Bardem gespielt - oder eben von den deutschsprechenden. Und auch sonst hat sich manches geändert: Atomraketen wurden durch zeitgemäßere Bedrohungen der globalisierten Welt ersetzt. James Bond hat sich den Zeitläufen geschickt angepasst und ist im digitalen Zeitalter angekommen. Heute spricht er ebenso ein junges weltweites Publikum an wie vor Jahrzehnten auch schon.
Großes Rätselraten: Wer macht´s nach Daniel Craig?
Bleibt die Frage: Wie geht es weiter? Schon lange bevor sich in der Londoner Royal Albert Hall in Anwesenheit von Prinz William und Kate der Vorhang zum neuen Bond-Abenteuer gehoben hatte, wurde über ein anderes Thema heiß diskutiert: Wer wird Nachfolger des aktuellen Bond-Darstellers Daniel Craig? Der Engländer hatte sich nach den offenbar stressigen achtmonatigen Dreharbeiten in Interviews schon recht deutlich über seine Zukunft ausgelassen. Einen fünften Auftritt als James Bond werde es für ihn wohl nicht geben.
So wird eifrig spekuliert über einen Nachfolger. Doch spätestens seit Bond-Darsteller Nr.1, Sean Connery, weiß die Welt des Kinos: Sag niemals nie. Auch Connery feierte nach vielen Jahren Pause ein Comeback als Agent 007.
Für die ganz normalen Kinozuschauer heißt es jetzt aber zunächst einmal, den 24. James-Bond-Film "Spectre" sehen. Nach einer feierlichen Deutschland-Premiere am 28.10. in Berlin kommt das 150-Minuten-Spektakel am 5.11. offiziell in die Kinos.
In der nächsten Ausgabe von KINO dreht sich alles um den neuen James Bond-Film. Außerdem in der Sendung: die neue deutsche Multi-Kulti-Komödie "Macho Man" sowie ein kurzer Blick auf die anlaufenden Filme "Steve Jobs", "Familienfest" und die Dokumentation "Magie der Moore".