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Cristinas trauriger Tango

Astrid Prange27. Januar 2015

Die argentinische Tragödie geht weiter. Eine Woche nach dem Tod des Sonderstaatsanwaltes Alberto Nisman nutzt Staatspräsidentin Cristina Fernandez de Kirchner die Auflösung des Geheimdienstes, um ihre Macht auszubauen.

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Cristina Fernandez de Kirchner (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Es gibt keine Zufälle, lautet ihre Überzeugung. Bei der jüngsten Fernsehansprache hat Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner sich als Opfer einer nationalen Verschwörung inszeniert. Im Rollstuhl sitzend verkündete sie scheinbar Ungeheuerliches: Die Auflösung des nationalen Geheimdienstes SI: "Secretaría de Inteligencia".

Die Inszenierung ist perfekt: Kirchners weißes und hochgeschlossenes Kleid suggeriert Reinheit und strahlt Unschuld aus. Nur der schwarze Gehgips ragt unter dem luftigen Saum hervor. Die Präsidentin sitzt nicht am Kabinettstisch, sondern zeigt sich privat und menschlich - inmitten von Fotos und antiken Möbeln in ihrer Residenz.

Hektisches Krisenmanagement

Doch die scheinbar drastische Maßnahme entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Etikettenschwindel - so jedenfalls sehen es die Kritiker Kirchners. "Die geplante Änderung ist nicht viel mehr als eine Namensänderung", meint der Kolumnist Rodriguez Yebra von der argentinischen Zeitung "La Nacion". Die neue "Bundesagentur für Geheimdienste" bestehe größtenteils aus denselben Leuten, die zurzeit für SI arbeiteten.

Nach Ansicht des Kolumnisten ist der Umbau des argentinischen Geheimdienstes ein politisches Machtmanöver der Präsidentin. So soll künftig nicht mehr der Geheimdienst das Abhören von Telefongesprächen anordnen, sondern die Staatsanwaltschaft. Die Direktoren der neuen Agentur werden von der Regierung ernannt. Die erforderliche Zustimmung des Senats gilt als Formsache, da die Regierung auch dort über eine Mehrheit verfügt.

"Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Staatsanwaltschaft von Alejandra Gils Carbó angeführt wird, einer Frau, die von der Opposition für ihren bedingungslosen Gehorsam gegenüber der Präsidentin kritisiert wird", schreibt Yebra. "Mit der hastigen Reform des Spionageapparates will Kirchner ihr Krisenmanagement im Fall Nisman aufpolieren".

20 Jahre Ermittlungen ohne Ergebnis

Alberto Nisman in Buenos Aires (Foto: dpa)
Staatsanwalt Alberto Nisman erhob schwere Vorwürfe gegen die Regierung KirchnerBild: picture-alliance/dpa/Cezaro De Luca

Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman war am 19. Januar 2015 tot in seiner Wohnung in Buenos Aires aufgefunden worden. Seit fast zehn Jahren hatte er die Ermittlungen zur Aufklärung des Attentats auf die jüdische Gemeinde Amia in Buenos Aires angeführt. Argentiniens Ex-Präsident Nestor Kirchner hatte ihn berufen, um den Bombenanschlag von 1994 aufzuklären, bei dem 85 Menschen getötet und etwa 300 verletzt worden waren. Bis jetzt wurde niemand verurteilt.

Nisman hatte schwere Vorwürfe gegen die Regierung von Cristina Kirchner erhoben. Nach seinen Ermittlungen soll die Staatschefin aus politischen Gründen versucht haben, die Aufklärung des Attentats zu verhindern, für das Nisman den Iran verantwortlich machte. Kirchner habe mit Teheran die Lieferung von Erdöl gegen die Straflosigkeit der iranischen Verdächtigen ausgehandelt, lautete sein Vorwurf, den er am 19. Januar vor dem argentinischen Parlament genauer ausführen wollte.

Cristina Kirchner hingegen sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Der Geheimdienst habe die Anklage Nismans gegen sie verfasst, erklärte sie während der Fernsehansprache. Nicht die Regierung sei für den Tod verantwortlich, sondern der Staatsanwalt sei vom Geheimdienst "benutzt" worden, um gegen ihre Regierung Stimmung zu machen.

Bombenanschlag auf das AMIA-Gebäude am 18. Juli 1994 in Buenos Aires (Foto: AFP)
Beim größten Terroranschlag in der Geschichte Argentiniens im Juli 1994 kamen 85 Menschen ums LebenBild: AFP/Getty Images/A. Burafi

Geheime Macht der Militärs

Die Staatspräsidentin begründete die Auflösung des Geheimdienstes als einen überfälligen Akt der Vergangenheitsbewältigung. SI, in Argentinien noch unter seiner alten Abkürzung SIDE (Secretaría de Inteligência do Estado) bekannt, sei ein Erbe der argentinischen Militärdiktatur (1976 bis 1983). "Die Auflösung des Geheimdienstes ist eine demokratische Schuld, die wir seit 1983 mit uns herumschleppen", erklärte sie.

Doch wahrscheinlich ist auch diese Maßnahme kein Zufall. Denn die "Secretaria de Inteligencía" ist der Präsidentin schon länger ein Dorn im Auge. Bereits im Dezember 2014 entließ Kirchner dessen langjährigen Chef Antonio Jaime Stiusso. Sie hatte ihn verdächtigt, gemeinsam mit Nisman Prozesse gegen ihre Regierung angestrengt zu haben.

Gleichzeitig stärkte die Präsidentin nach Presseberichten den militärischen Geheimdienst. Der Jahresetat erhöhte sich auf wundersame Weise von 45 Millionen Euro auf 145 Millionen Euro. Auch die von ihr geforderte demokratische Pflicht zur Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit spielte dort anscheinend keine Rolle.

Der wachsende Einfluss des militärischen Geheimdienstes scheint ebenfalls kein Zufall zu sein: Er wird von dem Kirchner treu ergebenen Generalleutnant César Milani angeführt. Milanis Nominierung zum Heereschef im Juli 2013 löste in Argentinien heftige Proteste aus, denn Menschenrechtsorganisationen werfen dem General vor, während der Militärdiktatur für das "Verschwinden" eines "desertierten" Soldaten verantwortlich gewesen zu sein.

Cristina Kirchner hat zu diesen Vorwürfen bisher nicht Stellung genommen. Über die von ihr angekündigte Gründung der "Bundesagentur für Geheimdienste" dürfte der militärische Geheimdienst und Generalleutnant César Milani nicht unglücklich sein.