Cyberkrieg-Experte wird neuer NSA-Chef
1. Februar 2014Er war schon länger als Nachfolger des scheidenden NSA-Chefs Keith Alexander im Gespräch, nun hat das Verteidigungsministerium die Nominierung von Michael S. Rogers als neuen Leiter des mächtigen US-Geheimdienstes offiziell bekanntgegeben. Rogers ist Vize-Admiral und seit 33 Jahren bei der US-Marine. Er diente auf Kriegsschiffen und U-Booten unter anderem im Mittelmeer und im Persischen Golf. Fünf Jahre nach seinem Eintritt in die U.S. Navy machte der Mann, der einer US-Zeitung einmal sagte, er sei "schrecklich schlecht in Mathe gewesen", eine Kryptografie-Ausbildung - eine wichtige Weichenstellung für seine Karriere.
Als die USA 2003 in den Irak einmarschierten, war Rogers Nachrichtendienstkoordinator des Generalstabs der US-Streitkräfte, 2011 wurde er Chef des Fleet Cyber Command. Das ist die Marine-Abteilung des United States Cyber Command - jenem Kommando der Streitkräfte, das für digitale Kriegführung zuständig ist. In manchen Medien wird Rogers der "beste Cyber-Krieger der US-Marine" oder auch "Meister-Spion" genannt.
Balance zwischen Sicherheit und Freiheit
"Außergewöhnliche und einzigartige Fähigkeiten", attestiert Verteidigungsminister Chuck Hagel dem künftigen NSA-Direktor. Sie braucht Rogers auch, denn die National Security Agency (NSA) steht nach den Enthüllungen ihres Ex-Mitarbeiters Edward Snowden wegen ihrer Massenüberwachungen in der Kritik - im Ausland und auch in den USA. Rogers soll das Vertrauen in den Geheimdienst wiederherstellen. Hagel sagt, er sei zuversichtlich, dass Rogers "die Weisheit besitzt, eine Balance zwischen Sicherheitsanforderungen, Datenschutz und Freiheit in unserem digitalen Zeitalter herzustellen".
Neben der Leitung der NSA soll Rogers - wenn der Senat zustimmt - auch die Leitung des 2009 gegründeten United States Cyber Command übernehmen. Schon Keith Alexander hatte beide Posten inne. Einige Regierungsbeamte hatten versucht, Präsident Obama davon zu überzeugen, diese Doppelbesetzung abzuschaffen und den Posten des NSA-Chefs mit einem Zivilisten zu besetzen. Obama lehnte das ab. Weil dem Cyber Command aber, das ist gesetzlich vorgeschrieben, ein Militär vorstehen muss, wird auch die NSA weiterhin unter militärischer Führung bleiben.
Tiefgreifende Änderungen stehen wohl nicht bevor
Dass die Datensammelwut der NSA unter Rogers' Führung nachlässt, ist fraglich. Zumindest wird er die von US-Präsident Barack Obama angekündigten - im Ausland vielfach als halbherzig kritisierten - Reformen umsetzen müssen. Dass er tiefgreifende Änderungen bei dem Nachrichtendienst herbeiführen wird, erwarten Experten nicht. Seine Nominierung wird von ihnen eher als Zeichen gewertet, dass Obama der NSA den Rücken stärken will. "Obama bekräftigt trotz der Snowden-Affäre seine grundsätzliche Unterstützung der NSA und ihrer Überwachungsprogramme", sagte der ehemalige CIA-Analyst Bruce Riedel, der die US-Regierung berät. Ex-General Michael Hayden, einst selbst Chef der NSA, sprach von einer Ernennung, die beim Dienst "die Angst vor einer neuen, fehlgeleiteten Politik als Folge der Snowden-Enthüllungen" nehmen werde.
Die US-amerikanischen Kommentatoren konzentrieren sich derzeit eher auf die Frage, ob Rogers es schaffen wird, den ramponierten Ruf des Geheimdienstes in den USA wiederherzustellen. So schreibt ein Kommentator der US-Zeitschrift "Foreign Policy", dass niemand, der Rogers' Karriere verfolgt habe, an seinen beruflichen Fähigkeiten zweifle. Er habe jedoch wenig Erfahrung in der Politik und im Umgang mit der Öffentlichkeit. "Rogers musste bislang nicht an die Öffentlichkeit gehen und erklären, dass der Geheimdienst-Apparat nicht seine rechtlichen Befugnisse überschreitet." Viele Wegbegleiter berichten übereinstimmend, dass sie an Rogers - neben seiner fachlichen Qualifikation - vor allem seine Führungsqualitäten bewundern. Auch soll er zurückhaltender sein als der amtierende NSA-Chef Alexander.