Daimlers Katastrophenzahlen für 2019
22. Januar 2020Nach bereits zwei Gewinnwarnungen zu Beginn seiner Amtsperiode verschreckt der neue Daimler-Chef Ola Källenius die Anleger nun mit katastrophalen Vorab-Zahlen für das Geschäftsjahr 2019, schrieb Nord-LB-Analyst Frank Schwope am Mittwoch. Das erst im vergangenen November aufgelegte Sanierungsprogramm dürfte schon bald erweitert werden.
Mit Blick auf die Themen Autonomes Fahren und Elektromobilität werde, so heißt es weiter, das Sparprogramm nicht das einzige in den nächsten Jahren im Daimler-Konzern bleiben. Wie auch andere Automobil-Hersteller werde Daimler um deutliche Einsparungen in den nächsten Jahren kaum herumkommen und müsse sich von durchschnittlichen Ziel-Margen im Pkw-Bereich jenseits der acht Prozent verabschieden, so Schwope.
In den USA droht noch mehr Ungemach
Der Konzern musste heute zum dritten Mal in wenig mehr als einem halben Jahr eine Gewinnwarnung veröffentlichen. Denn für die diversen Rückrufe und Verfahren wegen des Dieselskandals in aller Welt muss der Stuttgarter Autobauer voraussichtlich noch einmal einen Milliardenbetrag berappen. Von 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro zusätzlich ist in einer Mitteilung vom Mittwoch die Rede.
Die Dieselkrise trifft Daimler in einer ohnehin schwierigen Phase, in der die gesamte Branche bei schwächelnden Märkten zig Milliarden ausgeben muss für den Umstieg auf Elektroautos. Die Schwaben bringen wegen eines zu hohen Stickoxid-Ausstoßes rund drei Millionen Fahrzeuge per Software-Update in Ordnung, gut ein Drittel davon auf amtliches Geheiß des Kraftfahrt-Bundesamtes.
Die Zahl der Schadensersatzklagen von Autokäufern und Anlegern wächst indes immer weiter. Zuletzt reichte allein die Anwaltskanzlei Tilp Klagen von Investoren auf insgesamt 900 Millionen Euro Schadenersatz ein. Daimler weist Betrugsvorwürfe zurück und will sich mit allen rechtlichen Mitteln wehren. Auch in den USA laufen noch Ermittlungen wegen des Verdachts der Abgasmanipulation.
Mehr als 10.000 Stellen in Gefahr
Zwar zogen die zeitweilig schwächelnden Pkw-Verkaufszahlen bei der Kernmarke Mercedes-Benz in der zweiten Jahreshälfte wieder an. Daimler ächzt aber abseits der Diesel-Probleme auch unter den hohen Kosten für den Einstieg in die Elektromobilität und die Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien wie dem automatisierten Fahren. Hinzu kommt jetzt noch die nachlassende Konjunktur im Lastwagen-Geschäft.
Das von Källenius im November ausgerufene Sparprogramm sollte bis Ende 2022 Einsparungen allein beim Personal rund 1,4 Milliarden Euro einbringen. Mindestens 10.000 Stellen dürfte das nach früheren Aussagen von Personalvorstand Wilfried Porth wohl kosten. Außerdem will Källenius die Investitionen deckeln und sortiert gerade die Prioritäten neu. Ob das nun noch reicht, scheint fraglich.
Wie Bank-Analyst Schwope vermutet auch Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen, dass die Sparvorgaben wohl eher noch strenger werden könnten. Källenius mache einen guten Job, urteilte er. Aber: "Er steht unter einem enorme Druck."
Jetzt ist "Fahren auf Sicht angesagt"
Nach eben jenen vorläufigen Zahlen hat Daimler 2019 einen operativen Gewinn von 5,6 Milliarden Euro erzielt. Das ist gerade einmal halb so viel wie 2018 - und schon da war das Ergebnis deutlich nach unten gerauscht. Und die zusätzlichen Diesel-Aufwendungen von 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro sind darin noch gar nicht berücksichtigt. Sie träfen im Wesentlichen die Geschäftsfelder Cars und Vans, hieß es. Schon ohne sie liegen die Vans für 2019 deutlich in den roten Zahlen.
Von den einst ausgegebenen langfristigen Renditezielen ist bei Daimler ohnehin inzwischen keine Rede mehr. "Gegenwärtig ist mehr denn je Fahren auf Sicht angesagt", analysierte Schwope. Noch Anfang des Jahres hatte Källenius' Vorgänger Dieter Zetsche das Jahr 2021 für die Rückkehr in den Korridor von acht bis zehn Prozent Rendite im Kerngeschäft mit Mercedes-Autos vorgegeben. Der Wert gibt Aufschluss darüber, wie viel vom Umsatz als operativer Gewinn übrig bleibt, und ist damit der Maßstab für die Profitabilität. Inzwischen rechnet Källenius mit gut sechs Prozent im Jahr 2022. Derzeit sind es den vorläufigen Zahlen zufolge schmale vier Prozent.
dk/hb (dpa, rtr, Nord-LB)