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Das dunkle Erbe von Namibias Befreiungsbewegung

Guilherme Correia da Silva23. August 2013

Während die Rebellenorganisation SWAPO in den 80ern für die Unabhängigkeit Namibias kämpfte, ließ sie tausende ihrer Mitglieder als mutmaßliche Verräter foltern. Viele wurden getötet. Bis heute gilt das Thema als Tabu.

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Häftlinge der SWAPO (Archivfoto: John Liebenberg)
Bild: John Liebenberg

Pauline Dempers sucht immer noch nach Antworten. Fast 30 Jahre sind vergangen, aber sie weiß noch immer nicht, warum sie damals von ihren Mitkämpfern verhaftet und gefoltert wurde. Pauline Dempers war Mitglied der SWAPO, der namibischen Freiheitsbewegung. Sie kämpfte für die Unabhängigkeit Namibias gegen das Apartheid-Regime Südafrikas, das das heutige Namibia bis 1990 besetzt hielt.

Es geschah 1986, in der Zeit, als die Führung der SWAPO im Nachbarland Angola im Exil war: Pauline wurde in der angolanischen Stadt Lubango, etwa 400 Kilometer entfernt von der namibischen Nordgrenze, gefangen genommen und gefoltert. "Sie sagten, dass ich eine feindliche Agentin sei und dass ich ihnen die Wahrheit sagen solle", erzählt die 51-Jährige heute. "Fünf Männer des SWAPO-Geheimdienstes haben mich geschlagen. Sie haben mich nackt ausgezogen und mich für mehrere Tage gefoltert, damit ich gestehe, eine Agentin des Feindes zu sein." Wieso sie unter Verdacht geraten war, erfuhr sie nicht.

Pauline Dempers (Foto: John Liebenberg)
Gefolterte Freiheitskämpferin: Pauline DempersBild: John Liebenberg

Eines Tages habe sie die Folter nicht mehr ertragen und ihren Peinigern erzählt, was diese hören wollten. Aber nur, um die Schmerzen zu lindern, sagt Pauline: "Ich habe ihnen gesagt, dass ich eine Spionin sei. An dem Tag haben sie mich dann mit dem Gesicht nach unten lebendig begraben." Bis heute weiß sie auch nicht, warum sie anders als viele Leidensgenossen schließlich doch gerettet wurde und überleben durfte.

Tausende Gefangene

Pauline war kein Einzelfall. Mehr als 4000 Menschen teilten ihr Schicksal in den SWAPO-Gefängnissen von Lubango (Artikelbild), sagt die namibische Nichtregierungsorganisation NamRights. Wie Pauline wurde den Gefangenen von SWAPO-Mitkämpfern vorgeworfen, als Spione für Südafrika zu arbeiten. Dass es während des namibischen Unabhängigkeitskriegs tausende Spione gegeben haben soll, erscheint Phil ya Nangoloh von NamRights aber sehr unwahrscheinlich. "Das kann nicht sein", sagt der Aktivist. "Vielleicht gab es ein, zwei oder zehn Spione, aber tausende? Nein!"

Viele der tausenden Gefangenen seien ohne Prozess hingerichtet worden, berichtet NamRights. Doch was in Lubango genau geschah, ist der Öffentlichkeit bis heute nicht bekannt.

Keine Aufarbeitung des Kriegs in Namibia

Phil ya Nangoloh (Foto: John Liebenberg)
Phil ya Nangoloh, NamRights-AktivistBild: John Liebenberg

Im Gegensatz zum Nachbarn Südafrika hat Namibia keine Wahrheits- und Versöhnungskommission eingerichtet, um mögliche Menschenrechtsverletzungen während des Krieges zu untersuchen. Inzwischen ist die SWAPO eine Partei und seit der Unabhängigkeit Namibias ununterbrochen an der Macht.

"Die SWAPO und die namibische Regierung sagen, dass man keine alten Wunden aufreißen solle", versucht ya Nangoloh das Schweigen über die Kriegszeit zu erklären.

Nachdem Pauline Dempers verhaftet wurde, verlor sie den Kontakt zu ihrem Baby "Survival". Sie fand ihre Tochter erst drei Jahre später nach ihrer Entlassung wieder. Das war kurz vor der namibischen Unabhängigkeit im Jahr 1990.

Bis heute sucht Pauline Dempers weiter nach Antworten: Warum wurde sie von ihrem Baby getrennt? Warum haben ihre Mitkämpfer sie festgenommen und gefoltert? Und wo sind die Menschen, die aus den Gefängnissen nicht zurückkehrten?

Auf der Suche nach Antworten hat Pauline einen Verein für SWAPO-Opfer namens "Breaking the Wall of Silence" (deutsch: "Die Mauer des Schweigens durchbrechen") mitbegründet. Aber sie verlangt nicht nur Erklärungen. Sie fordert von der SWAPO und den namibischen Behörden auch eine öffentliche Entschuldigung, da sie bis jetzt "nicht anerkannt haben, was sie falsch gemacht haben."

Die SWAPO möchte die Vergangenheit lieber vergessen

Die Stadt Lubango (Foto: AFP)
Was in Lubango in den 80ern genau geschah ist immer noch unbekanntBild: AFP/Getty Images

Auf der Webseite der SWAPO vertritt der Autor Asser Ntinda in einem Artikel eine gegenteilige Meinung. Man müsse die Vergangenheit hinter sich lassen, schreibt er. Die Alternative zur derzeitigen Politik der nationalen Versöhnung, also die Alternative zum herrschenden Schweigen über die schwarzen Kapitel der Vergangenheit, seien "Chaos und Instabilität garniert mit Repressalien und Rache".

Carola Engelbrecht von der namibischen Nichtregierungsorganisation "Citizens for an Accountable and Transparent Society" (deutsch: "Bürger für eine verantwortliche und transparente Gesellschaft") glaubt das aber nicht: "Die Regierung hat grundlos Angst. Ich habe mit den Opfern gesprochen. Sie verstehen, dass sie in die Zukunft blicken müssen. Alles was sie wollen, ist ein öffentliches Eingeständnis seitens der SWAPO, dass sie Fehler gemacht hat."

"SWAPO muss zu ihren Fehlern stehen", fordern die Opfer

Auch Menschenrechtsaktivist Phil ya Nangoloh von NamRights plädiert dafür, die Menschrechtsverletzungen in den Gefängnissen in Lubango ohne Wenn und Aber anzusprechen. Nur nach einer Aufarbeitung der Vergangenheit, könne man in die Zukunft schauen.

"Einige wichtige Stimmen kommen langsam an die Öffentlichkeit und sagen, dass man das Thema ansprechen muss", sagt Phil ya Nangoloh, der Bewegung in die Diskussion kommen sieht. "Früher hätten sie nie so etwas sagen dürfen." Er hofft, dass das Schweigen bald beendet sein wird.

Pauline Dempers allerdings glaubt, dass es jetzt bereits dringend an der Zeit ist, nach Antworten zu suchen: "Wir müssen uns endlich hinsetzen, als Namibier. Wir müssen darüber sprechen und eine Lösung finden."