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Das explosive Erbe der Sowjetzeit

Simion Ciochina / Robert Schwartz1. Dezember 2015

In der abtrünnigen moldauischen Region Transnistrien befindet sich das wahrscheinlich größte Munitionsdepot Osteuropas. Die Angst ist groß, dass die Restbestände aus der Sowjetzeit zum Einsatz kommen könnten.

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Symbolbild Waffen (Foto: Fotolia/Haramis Kalfar)
Bild: Fotolia/Haramis Kalfar

Das unscheinbare Dorf Cobasna liegt rund 200 Kilometer von der Grenze entfernt, die die Republik Moldau von der separatistischen Region Transnistrien trennt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte sich Transnistrien - die Region jenseits des Dnjestr-Flusses - für unabhängig erklärt, wurde aber von keinem anderen Staat anerkannt. Die frühere Sowjetrepublik Moldau verlor zwar die Kontrolle über den Landstrich, betrachtet ihn aber immer noch als Teil ihres Staatsgebiets.

In Cobasna befindet sich ein riesiges Munitionsdepot, das unter der Kontrolle der transnistrischen Kräfte und der russischen Friedenstruppen steht, die dort nach den kriegerischen Auseinandersetzungen von 1992 stationiert blieben. Obwohl sich die Russische Föderation auf dem OSZE-Gipfel von 1999 dazu verpflichtet hatte, die Truppen aus Transnistrien abzuziehen, sind dort immer noch rund 1.500 russische Soldaten im Einsatz. Im Depot Cobasna sind die Bestände der ehemaligen sowjetischen 14. Armee, aber auch Waffen und Munition, die aus den ehemaligen "Bruderstaaten" DDR und Tschechoslowakei abgezogen wurden.

Vitalie Marinuta (Foto: DW/Vitalie Calugareanu)
Vitalie Marinuta: "Vermeiden, dass Waffen in die Hände ausländischer Kämpfer geraten"Bild: DW

Vor allem wegen der Ukraine-Krise ist die Angst in der moldauischen Hauptstadt Chisinau groß, dass die Waffen zum Einsatz kommen könnten. Der frühere moldauische Verteidigungsminister Vitalie Marinuta sieht allerdings auch andere Gefahren. Im DW-Gespräch sagte der General, dass nach eigenen Informationen, die von internationalen Organisationen bestätigt wurden, noch rund 20.000 Tonnen Munition für Artillerie und Infanterie sowie weiteres militärisches Gerät in Cobasna gelagert würden. "Laut einer Studie der moldauischen Akademie der Wissenschaften käme die Wirkung bei einer Explosion des Depots jener der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki gleich", sagt Marinuta. Weil das Verfallsdatum der Bestände längst überschritten sei, müsse das Depot unverzüglich unter internationale Kontrolle gestellt werden, so der General. Wichtig sei diese Kontrolle auch, um zu vermeiden, dass Waffen in die Hände ausländischer Kämpfer gelangten.

Illegaler Waffenhandel

Transnistrien ist wiederholt beschuldigt worden, in den illegalen Waffenhandel verwickelt zu sein. Reporter des investigativen Projekts RISE Moldova haben im vergangenen Jahr aufgedeckt, wie leicht jemand in den Besitz von Munition aus Transnistrien gelangen kann. Die Reporter hatten sich als interessierte Käufer ausgegeben und waren so in den Besitz eines Granatwerfers mit der dazugehörigen Munition gelangt. Der Händler hatte ihnen versprochen, auf Wunsch jegliche Art von Waffen liefern zu können. Die gesamte "Transaktion" war in der moldauischen Hauptstadt Chisinau abgewickelt worden, was laut RISE Moldova die Ineffizienz der moldauischen Sicherheitskräfte bewies.

Der Politologe Oazu Nantoi aus Chisinau geht davon aus, dass Transnistrien auch in der Lage sei, selbst Waffen zu produzieren. Im Gespräch mit der DW sagte er, aus der separatistischen Region seien Waffen in mehreren Etappen in den internationalen Umlauf gebracht worden. So seien Anfang der 1990er-Jahre Waffen illegal in den Balkan gelangt und in den Jugoslawien-Kriegen zum Einsatz gekommen. Es habe eine regelrechte Preisliste für Waffen und Munition gegeben. "Wir haben keine Garantie, dass die derzeitige Situation mit russischem Militär auf moldauischem Staatsgebiet, mit den paramilitärischen Kräften in Transnistrien und mit dem Waffendepot in Cobasna nicht zu einer weiteren Destabilisierung der Region führen können", so Nantoi.

Oazu Nantoi (Foto: DW/Alexandra Scherle)
Oazu Nantoi: "Moldauische Waffen im Jugoslawien-Krieg"Bild: DW/A. Scherle

Separatismus und Terrorismus

Die Region Transnistrien sei aber nicht nur wegen des illegalen Waffenhandels ein Tummelplatz für interessierte Gruppierungen, sagt der frühere moldauische Geheimdienstchef Valentin Dediu im DW-Gespräch: "Wir hatten Informationen, dass mehrere Terrororganisationen hier Waffen gekauft haben. Und wenn wir Separatismus mit Terrorismus gleichsetzen, so können wir behaupten, dass es in Transnistrien Trainingslager für Terrorgruppen gibt." Laut Dediu sollen Männer aus Transnistrien an Aktionen in der Ukraine beteiligt gewesen sein, auch an den Attentaten von Odessa im Jahr 2014.

Nach den Terroranschlägen in Paris haben die moldauischen Sicherheitsbehörden ihre Maßnahmen verstärkt. So wurden mehrere Männer festgenommen, die an den kriegerischen Auseinandersetzungen im Donbas beteiligt gewesen sein sollen. Auch wurde letzte Woche eine paramilitärische Gruppe verhaftet, die mehrere Anschläge in der Republik Moldau geplant haben soll. Landkarten mit möglichen Zielen sowie mehrere Waffen wurden beschlagnahmt. Auch mehrere LKW mit militärischen Tarnanzügen wurden entdeckt, die aus Transnistrien über die Grenze in die Republik Moldau gebracht wurden. Der moldauische Abgeordnete Veaceslav Untila, Vorsitzender des parlamentarischen Sicherheitsausschusses in Chisinau, schließt nicht aus, dass neue paramilitärische Strukturen ähnlich wie auf der Krim-Halbinsel für Unruhe sorgen könnten.

Moldau - Valentin Dediu, Ex-Geheimdienstchef (Foto: Simion Ciochină, DW)
Valentin Dediu: "Trainingslager für Terrorgruppen in Transnistrien"Bild: DW/S. Ciochina

Die Unsicherheit in der Republik Moldau wird zurzeit vor allem auch durch die politische Krise verschärft. Die wegen Korruption diskreditierte pro-europäische Allianz ist weiterhin nicht in der Lage, eine stabile Regierung aufzustellen. Die pro-russischen Parteien wollen Neuwahlen erzwingen, sie führen in allen aktuellen Umfragen und würden im Falle eines Wahlsiegs das Land wieder stärker an Moskau anbinden. Die Gefahr eines neuen Krisenherds an der Ostgrenze der Europäischen Union rückt näher.