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Das Geheimnis von Portugals Erholung

Lea Fauth
28. Februar 2018

Vom Sorgenkind zum Paradebeispiel: Portugal wird seit 2015 von einer linken Minderheit regiert. Seitdem floriert die Wirtschaft. Und das Rezept? Dazu ein Gespräch mit Wirtschaftsminister Manuel Caldeira Cabral.

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Bild: Reuters/M. Dalder

DW: Die portugiesische Wachstumsrate liegt mit 2,7 Prozent über dem europäischen Durchschnitt. Was hat Portugal richtig gemacht?

Manuel Caldeira Cabral: Wir haben die Austeritätspolitik beendet, die das Wachstum blockierte. Gleichzeitig haben wir weiterhin an der Haushaltskonsolidierung und am Schuldenabbau festgehalten. Wir halten die Sozialausgaben in Grenzen, aber die Einkommen der Menschen sind höher. Der erste Schritt war das Vertrauen der Investoren, aber auch der Menschen zu gewinnen. Der zweite Schritt war das Programm "capitalizar", das bessere Bedingungen für die Wirtschaft und insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen schaffen soll. Die Hauptquelle unseres Wachstums sind Investition und Export. 

Die sozialdemokratische Partei PSD regiert als Minderheit zusammen mit Grünen, Kommunisten und dem sogenannten Linksblock. In Deutschland hat man sowohl vor Kommunisten als auch vor Minderheitsregierungen eher Angst. Wie funktioniert das in Portugal?

In vielen Fragen sind wir uns mit den anderen Parteien einig, insbesondere was die Veränderung der Austeritätspolitik angeht. Aber wir haben uns auch darauf geeinigt, dass wir in anderen Fragen uneinig sein können. Wir Sozialdemokraten haben in vielen Bereichen andere Ansichten als die Kommunistische Partei oder der Linksblock. Aber neben unserer Einigung, uneinig zu sein, haben wir uns auch geeinigt, eine stabile Lösung für die Regierung zu finden. Das hat uns ermöglicht, viele Probleme zu lösen, die wir alle als entscheidend für die portugiesische Wirtschaft ansahen: Das Wachstum wiederherstellen, mehr Leistungen für Bildung aufbringen, bessere Lebensbedingungen für alle schaffen. Wir können also zusammenarbeiten, wollen aber trotzdem an unseren Unterschieden festhalten.

Portugal Wirtschaftsminister Manuel Caldeira Cabral
Wirtschaftsminister Portugals Manuel Caldeira CabralBild: Imago/GlobalImagens

Die linken Parteien haben besonders zu höheren Sozialausgaben gedrängt. Wie kann der öffentliche Haushalt stabil bleiben, wenn gleichzeitig Mindestlöhne erhöht oder Feiertage eingeführt werden?

Wir haben den Leuten versichert, dass es keine Kürzungen geben wird. Wir haben sogar manche Ausgaben erhöht, insbesondere für die Ärmsten und Ältesten. Aber wir haben den Anstieg dieser Ausgaben immer an das Wachstum unseres Bruttoinlandprodukts gekoppelt. Der Mindestlohn ist gestiegen, aber das macht uns nicht weniger wettbewerbsfähig, denn in unsere Exportindustrie ist nicht nur von der Höhe der Löhne beeinflußt, sondern auch von der Fähigkeiten der Arbeiter, von einer guten Infrastruktur und einer gut funktionierenden Gesellschaft. Wir geben uns außerdem Mühe, Reformen auf den Weg zu bringen, um Bürokratie abzubauen und den Staat zu modernisieren. Wir arbeiten also an Dingen, die die Qualität und Produktivität steigern, anstatt Gehälter zu kürzen. Gehälter kürzen ist immer eine einfache Lösung, aber es ist auch immer eine schlechte Lösung. Es mag die Wettbewerbsfähigkeit vielleicht kurzfristig steigern, aber daraus entsteht nie eine Strategie für mittel- oder langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Hat die Austeritätspolitik also ausgedient?

Ich glaube, wir haben in Portugal gezeigt, dass eine alternative Politik sehr gute Ergebnisse erzielen kann. Wenn wir die Austeritätspolitik weiterhin befolgt hätten, hätte es wahrscheinlich keine so große Wachstumsbeschleunigung gegeben, und auch nicht das Vertrauen der Investoren. Auf der anderen Seite haben wir uns auch gegen eine zu Expansion der Finanzpolitik entschieden. Wir haben das richtige Gleichgewicht zwischen Haushaltskonsolidierung und Wachstum gefunden, und haben so mehr Arbeitsplätze, bessere Lebensbedingungen der Menschen und größeres Vertrauen der Investoren geschaffen.

Griechenlands linke Regierung hatte einmal einen ähnlichen Plan, ist damit aber gescheitert. Wie haben Sie das diplomatische Kunststück gemeistert, die EU und insbesondere die Bundesregierung von Ihrer Politik zu überzeugen?

Unsere Beziehung zu Deutschland und der Bundesregierung war immer sehr gut. Deutschland ist einer der größten Investoren in Portugal. Unsere Industrie hat sich sehr verändert, es entstehen neue Sektoren wie Maschinenbau, Automobilherstellung, Software und andere. Ein Teil dieser Veränderung wurde in Partnerschaften mit deutschen Firmen erreicht, beispielsweise wird mit Siemens gerade ein Cyber Security Center in Portugal eröffnet. Volkswagen verdoppelt seine Automobilproduktion in Portugal. Aber es gibt auch Startups wie Zalando, oder deutsche Mittelständler, die sich hier wegen der Industrie oder wegen des Tourismus etablieren.

Das wird aber auch kritisiert. Menschen werden aus ihren Häusern verdrängt, um großen Hotels Platz zu machen. Viele Portugiesen können sich den Kaffee um die Ecke nicht mehr leisten. Wer profitiert letztlich von dem Aufschwung?

Startups verändern die portugiesische Gesellschaft. Die älteste Generation auf dem Arbeitsmarkt, die zwischen 55 und 65 Jahren alt ist, ist weniger qualifiziert, im Gegensatz zu den 25- bis 35-Jährigen. Die haben prozentual häufiger Hochschulabschlüsse als in Deutschland. Und diese neue Generation verändert die Gesellschaft. Sie zieht direkte Investitionen aus dem Ausland an. Außerdem haben wir Instrumente geschaffen, die die Finanzierung des technologischen Aufschwungs finanzieren, um auch kleine Firmen zu unterstützen. Damit schaffen wir qualifizierte Arbeitsplätze, die diese junge Generation braucht.

Sie geben also zu, dass die anderen Generationen die Verlierer einer solchen Politik sind?

Die Veränderung bedeutet auch, dass Arbeitsplätze für ältere und weniger qualifizierte Generationen geschaffen werden, für Handwerker und in der Produktion. Wir haben ein ausgeglichenes Wachstum, das mit einem starken Rückgang der Arbeitslosigkeit einhergeht und mit weniger Ungleichheit. Das ist wichtig, denn wir wollen nicht nur nachhaltiges Wachstum, sondern auch integratives Wachstum, gerade wo es in vielen Teilen der Welt immer mehr Ungleichheit gibt.

Manche ihrer Kritiker sehen das anders, und glauben, dass Geringverdiener in der Startup-Nation keine Chance hätten. Würden Sie Ihre Politik trotzdem als sozialdemokratisch bezeichnen?

Wir entwickeln eine Politik, die von Sozialdemokratie inspiriert ist, ja. Eine Politik, die sich um die Armen kümmert und die das Bildungs- und Gesundheitssystem verbessert. Aber wir sind auch aktiv was Innovationen und Wirtschaft angeht.

Das Interview mit Portugals Wirtschaftsminister Manuel Caldeira Cabral führte Lea Fauth.

 

Portugal war eines der europäischen Länder, das am schwersten unter den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise gelitten hat. 2011 musste das Land einen Rettungskredit der EU und des Internationalen Währungsfonds im Volumen von 78 Milliarden Euro in Anspruch nehmen. 2014 konnte das Land das Hilfsprogramm verlassen.