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Das Geschäft mit dem Ackerland

Kathrin Erdmann12. August 2012

Reiche Länder kaufen sich in Afrika ein, um ihre eigene Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Einige Experten begrüßen dies als sinnvolle Investition, andere vergleichen es mit Landraub.

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Ein afrikanischer Bauer betrachtet einen Acker (Foto: DW)
Bild: DW

Der Journalist und Gründer des Instituts für Welternährung Wilfried Bommert sagt es ohne Umschweife: Wenn Südkorea, China, Libyen, Saudi-Arabien und viele andere Schwellen- und Industrieländer im Ausland Millionen Hektar fruchtbares Ackerland aufkaufen, um ihre eigene Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen, ist das ein Rückschritt. "Wir sind in einem neuen kolonialen Stadium angekommen. Nicht mehr die Waffen bestimmen, wo in Zukunft das Land regiert wird, sondern das Kapital bestimmt, wie das Land regiert wird", sagt der Autor. Das Geschäft mit dem Ackerland boomt. Mancher sieht darin sogar das Erdöl der Zukunft.

Wie schnell sich der Verkauf der Agrarflächen entwickelt, zeigt die Internetdatenbank "Land Matrix", die unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) aufgebaut wurde, um mehr Transparenz zu schaffen. Danach wurden zwischen 2000 und 2010 rund 84 Millionen Hektar Land verpachtet oder verkauft, die größten Flächen davon in Afrika.

Investition oder Landraub?

Kerstin Nolte ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Sie arbeitet an der Internetdatenbank mit und hat sich in Kenia, Mali und Sambia angeschaut, wie Ackerland vergeben wird. Von einem neuen Kolonialismus möchte sie nicht sprechen. Die Darstellung sei ihr zu einseitig, vor allem weil die lokale Landwirtschaft auch von den Investitionen profitieren könne. "So wie es im Moment oder in den vergangenen 30, 40 Jahren gelaufen ist, funktioniert es nicht. Das sieht man in der afrikanischen Landwirtschaft. Da muss investiert werden."

Die Wissenschaftlerin verweist auf einige positive und bereits sichtbare Effekte: Stromanschlüsse wurden gelegt, Straßen ausgebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Größer geworden seien auf der anderen Seite jedoch die Umweltprobleme durch den Einsatz von Chemikalien und durch den hohen Wasserverbrauch in der industriellen Landwirtschaft.

Eine Bäuerin bei Lira im nördlichen Uganda (Foto: DW)
Reformbedürftig: Landwirtschaft in AfrikaBild: DW

Landreformen statt Ausverkauf

Alicia Kolmans, die beim katholischen Hilfswerk Misereor für Welternährungsfragen zuständig ist, bleibt jedoch skeptisch, wenn es um Großinvestoren und die Ernährungssicherheit einer immer stärker wachsenden Weltbevölkerung geht. "40 Prozent der Weltbevölkerung sind irgendwie in die Ernährungsproduktion involviert. Das heißt, sie ernähren die Welt, denn sie produzieren etwa 70 Prozent der Nahrungsmittel." Es sei immer noch die bäuerliche Landwirtschaft, die die Welt ernähre und nicht die industrielle, fasst Kolmans zusammen. Deshalb könne die Devise auch nicht Landgrabbing lauten, sondern es brauche Landreformen: "Bauern müssen auf mehr als nur einem Hektar Land produzieren können". Schließlich wüssten die Bauern sehr gut, wie ihr Land dauerhaft fruchtbar bleibe.

Ein Weg, den auch Journalist und Buchautor Wilfried Bommert für richtig hält: "Die Leute müssen eine bessere Produktionsbasis haben. Sie müssen ihre Produkte vermarkten können und sie müssen sich dafür auch andere Produkte kaufen können." Nur so könne Armutsbekämpfung auf dem Land Erfolg habe, so Bommert. Zugleich sei dies das beste Rezept gegen politische Unruhen und ein weltweites Bauernsterben.

Der Journalist und Buchautor Wilfried Bommert (Foto: DW)
Wilfried Bommert warnt vor einer neuen Kolonialisierung der LandwirtschaftBild: Kathrin Erdmann

Regierungen gefragt

Ein solches Konzept kann jedoch nur aufgehen, wenn die Regierungen in den Entwicklungsländern mitziehen und Landreformen durchführen, statt an ausländische Investoren zu verkaufen. In diesem Frühjahr verabschiedete die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) neue Richtlinien für die Politik. Darin werden die Regierungen der Entwicklungsländer angehalten, die Zivilbevölkerung stärker in die Landvergabe einzubeziehen und deren Interessen zu berücksichtigen.

Auch die Verbraucher in den Industrieländern können einen Beitrag leisten: Datenbanken wie die Landmatrix informieren, wo welcher Investor Land gepachtet oder gekauft hat. Auch deutsche Firmen betreiben danach Landgrabbing, beispielsweise mit Finanzprodukten und Kaffeeplantagen. Verbraucher können Produkte der entsprechenden Firmen boykottieren.

Eine junge Frau demonstriert mit einem Schild gegen Landgrabbing (Foto: CARE)
Auch in Industrieländern regt sich Widerstand gegen das Phänomen LandgrabbingBild: CARE

Die Bundesregierung geht indes einen anderen Weg, lobt der Journalist Wilfried Bommert: "Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit hat ein Konzept für die Agrarförderung vorgelegt, beim dem die Förderung der Kleinbauern im Zentrum steht." Jetzt müsse man sehen, ob dies auch so umgesetzt werde, so Bommert.