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Linke Aktivisten in Ägypten

1. Juli 2011

Vier Monate liegt der Umsturz in Ägypten nun zurück. Doch noch immer ringen die Demokraten am Nil um eine offene Gesellschaft und um soziale Gerechtigkeit. Inzwischen formiert sich das linke Lager im Land am Nil.

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Gründungskongress der Ägyptischen Sozialistischen partei am 4. Juni 2011 in Kairo, (Foto: Mamdouh Habashi)
Gründungskongress der ägyptischen sozialistischen Partei am 4.6.2011 in KairoBild: Mamdouh Habashi

In Ägypten formieren sich derzeit nicht nur die Moslembrüder und die konservativen Kräfte zu neuen Parteien. Auch im linken Spektrum entstehen wenige Monate vor dem geplanten Wahltermin neue politische Organisationen. So wurde in Kairo vor wenigen Wochen die ägyptische sozialistische Partei gegründet. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehört Mamdouh Habashi, politischer Aktivist und Vizepräsident des in der ägyptischen Hauptstadt ansässigen linken Thinktanks World Forum for Alternatives.

Die ägyptische Linke stellt sich vor

Auf dem Bild die ägyptische Feministin und Menschenrechtsaktivistin Hala Shukrallah, Direktorin des Development Support Center in Kairo. Sie war auf Einladung der Rosa-Luxembrug-Stiftung zu einem dreitägigen Besuch in Berlin. Auf dem Foto ist sie während einer Vortragsveranstaltung in Berlin zu sehen. (Foto: Bettina Marx)
Hala Shukrallah bei einer Veranstaltung in BerlinBild: DW

"Die neue Partei ist sozialistisch und nicht sozialdemokratisch", betont er bei einem Besuch in Berlin. Sie verstehe sich als eine linke Kraft, die gegen neoliberale Interessen und für Teilhabe und Demokratisierung der Gesellschaft eintrete. "Wir betrachten die Demokratie nicht als ein Ziel, das man erreichen kann. Die Demokratie ist für uns ein Prozess, ein endloser Prozess." Dieser Demokratisierungsprozess könne sich jedoch nicht auf Wahlen alle vier oder fünf Jahre beschränken. Er müsse jeden Tag stattfinden und alle gesellschaftlichen Bereiche betreffen. Auch in der Wirtschaft müsse es echte Mitbestimmung geben. Deswegen entstünden in Ägypten gerade neue Gewerkschaften, die im Gegensatz zu den alten staatlichen Gewerkschaften tatsächlich die Interessen der Arbeiter vertreten wollten.

Habashi ist zusammen mit weiteren Vertretern linker Gruppierungen auf Einladung der Partei "Die Linke" nach Berlin gekommen, um über die Lage in seiner Heimat zu informieren. Als Modell dient ihm und seinen Mitstreitern die deutsche Demokratie mir ihrem vielschichtigen und komplizierten politischen System jedoch nur bedingt. Zur Orientierung blickten die ägyptischen Aktivisten weniger nach Deutschland und Europa, sondern vor allem in die Länder des Südens, sagt Hala Shukrallah, Direktorin des Development Support Centers in Kairo. Die Ägypter wollten von den Erfahrungen der Menschen in Südafrika nach dem Ende der Apartheid und von den Ländern Lateinamerikas nach dem Ende der Militärdiktaturen lernen. Sie würden dann ihre eigenen Erfahrungen mit der Revolution und mit der Umgestaltung ihrer Gesellschaft an andere weitergeben.

Beim Gründungskongress der ägyptischen sozialistischen Partei am 18.6.2011 in Kairo. (Foto: Mamdouh Habashi)
Mamdouh Habashi spricht auf dem Gründungskongress der Ägyptischen Sozialistischen Partei am 4. Juni 2011Bild: Mamdouh Habashi

Unterstützt der Westen die Moslembrüder?

Den Ländern des Westens werfen Habashi und Shukrallah vor, die ägyptischen Demokraten im Stich zu lassen. Aus Angst vor Instabilität und vor der Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Interessen in der Region setzten sie heimlich auf die Moslembrüder. "Obwohl viele westliche Regierungen uns erzählen, dass sie gegen die Fundamentalisten sind, sehen wir, dass sie sie in Wirklichkeit unterstützen", sagt Shukrallah. Die Islamisten versprächen den westlichen Industriestaaten, ihre Interessen in der Region zu schützen und ihre Ansprüche nicht anzutasten. Die demokratischen Kräfte dagegen seien für Europa und die USA nicht einschätzbar. In Washington und Brüssel befürchte man, dass eine demokratische und möglicherweise sogar links gerichtete Regierung in Kairo Verträge wie das Handelsabkommen oder das Gasabkommen mit Israel aufkündigen könnte, weil diese zu Lasten des ägyptischen Volkes gingen. "Was die globalen Mächte in Ägypten wollen, ist nicht die Demokratie. Sie wollen ein stabiles System sehen, dass ihre Interessen schützt."

Enttäuschung über die Medien

Tausende Ägypter demonstrieren auf dem Tahrirplatz in Kairo am 8. April 2011. Sie verlangen, dass der gestürzte Präsident Mubarak vor gericht gestellt wird. (Foto: AP)
Demonstration auf dem Tahrir-Platz in Kairo im AprilBild: dapd

Auch von den westlichen Medien sind die ägyptischen Aktivisten enttäuscht. Nach dem Sturz Mubaraks hätten sie ihre Berichterstattung weitgehend eingestellt. Die beunruhigenden Entwicklungen unter dem regierenden Militär würden daher kaum noch zur Kenntnis genommen. So werde auch kaum über die Verdrängung der Frauen aus dem öffentlichen Leben berichtet. "Frauen standen während der Revolution in der ersten Reihe", sagt Shukrallah. Inzwischen aber würden sie von den Islamisten und dem herrschenden Militär massiv bedroht. So seien junge Frauen, die von der Militärpolizei bei Demonstrationen verhaftet wurden, einem demütigenden "Jungfräulichkeitstest" unterzogen worden. Frauen, die keine Jungfrauen seien, sollten als Prostituierte vor Gericht gestellt werden. Die Feministin Hala Shukrallah wird wütend, wenn sie daran denkt. Die Frauenorganisationen in Ägypten seien wegen dieser Vorfälle auf die Barrikaden gegangen. Sie verlangten, dass die Täter vor Gericht gestellt und bestraft würden. "Wir werden darüber keine Ruhe geben", verspricht Shukrallah.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Miriam Klaussner