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Das missglückte Attentat

Cornelia Rabitz20. Juli 2004

Weder Verräter noch Helden: 60 Jahre nach dem Attentatsversuch auf Adolf Hitler herrscht vorurteilsfreier Respekt für die Verschwörergruppe des 20. Julis. Die Taten Einzelner bleiben Mahnung gegen die Gleichgültigkeit.

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Hitler nach dem Anschlag im Kreise von Offizieren im Bunker des FührerhauptquartiersBild: dpa

Für die Deutschen war der 20. Juli 1944 immer ein schwieriges Datum. Sechs Jahrzehnte lang unterlag das Urteil über das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler dem herrschenden gesellschaftlich-politischen Zeitgeist. Mal wurden die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Verräter und Eidbrüchige beschimpft, mal als Helden gefeiert.

Respekt für die Verschwörer

60 Jahre danach ist man von den Zeiten der Heldenverklärung ebenso weit entfernt wie von jenen der politischen Vereinnahmung. Peter Yorck Graf von Wartenberg, einer der Widerstandskämpfer, hatte damals in einem Brief geschrieben: "Vielleicht kommt doch einmal die Zeit, wo man eine andere Würdigung für unsere Haltung findet, wo man nicht als Lump, sondern als Mahnender und Patriot gesehen wird." Diese Anerkennung blieb den Verschwörern und ihren Angehörigen freilich lange Jahre versagt.

Claus Graf Schenk von Stauffenberg
Claus Graf Schenk von StauffenbergBild: dpa

Heute zollt man denen, die 1944 versuchten, Hitler und damit das verbrecherische Nazi-Regime zu beseitigen, vor allem Respekt. Im Mittelpunkt vieler Veröffentlichungen stehen nun die Menschen aus dem Umfeld von Stauffenbergs, ihre Gewissensnöte, ihre Ängste, ihr Mut, ihre Ideale. Die Motive der Verschwörer werden vorurteilsfrei und ohne Besserwisserei beleuchtet. Dass der Umsturz-Versuch spät kam, gilt nicht mehr vorrangig als Beleg für die Verstrickung der Offiziere in das nationalsozialistische Regime.

Dem Unrecht widersetzt

Rund um den diesjährigen Gedenktag erinnert man sich auch an andere Menschen, die sich dem Unrechtsregime widersetzt haben: Gewerkschafter, Pfarrer, Studenten, Handwerker und Intellektuelle, Sozialisten und Konservative. Der Tischler Georg Elser zum Beispiel, der 1939 in München ganz allein - und vergebens - versuchte, Hitler mittels einer Bombe zu töten. Die Flugblatt-Aktionen der Geschwister Scholl. Der öffentliche Protest Dietrich Bonhoeffers gegen die Judenverfolgung. Carl Goerdeler, der Oberbürgermeister von Leipzig, der sich schützend vor jüdische Geschäfte stellte. Couragierte Offiziere, die zu Befehlsverweigerung und Sabotage aufriefen. Und viele mehr, die unbekannt geblieben sind. Dennoch war der Widerstand gegen das Nazi-Regime eine Sache von Wenigen.

Erbe der Geschichte

Eröffnungsfeier der Olympiade 1936 in Berlin
Aufmarsch deutscher NationalsozialistenBild: AP

Ihre mutigen Taten gehören zum Erbe der deutschen Geschichte. Sie waren so etwas wie der Kompass, eine moralische Wegmarke für den demokratischen Neuanfang nach dem Krieg. Und sie wirkten hinein in die bundesrepublikanische Gesellschaft als Vermächtnis und historische Lektion zugleich. Sie haben dazu beigetragen, das Bewusstsein zu schärfen gegenüber totalitärer Herrschaft und Unterdrückung.

60 Jahre danach ist der 20. Juli auch ein Medien-Ereignis geworden. Die großen ideologischen Schlachten sind geschlagen, die wahre Flut von Fernsehserien, Büchern, Videos kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es schwierig ist, bei jüngeren Menschen ein Interesse für die Zeit des Nationalsozialismus wach zuhalten oder zu wecken.

Aufstand des Gewissens

Mißglücktes Attentat auf Hitler 20. Juli 1944
Der Besprechungsraum im "Führerhauptquartier Wolfsschanze" nach dem BombenattentatBild: DHM

Dabei gäbe es Anlass, sich Beispiel zu nehmen am Aufstand des Gewissens: 60 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf den Diktator gibt es - noch immer, schon wieder - Terror, Rechtlosigkeit, auch Völkermord - in vielen Ländern der Welt. Der 20. Juli mahnt daher auch heute noch: Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben, wenn Menschen verfemt, verfolgt, ermordet werden. Wo immer, wann immer es geschieht.