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Klein, bunt und billig

1. November 2010

Handbemalte Särge, Tanzeinlagen und Cybergrabsteine - die Bestattungskultur in Deutschland hat sich verändert. Beerdigungen sind bunter und individueller geworden. Doch es gibt auch den Trend zur Billigbestattung.

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Bunt bemalte Grabplatten in den "Gärten der Bestattung", dem privaten Urnenfriedhof des Beerdigungsinstituts Pütz-Roth. Das Beerdigungsinsitut Pütz-Roth in Bergisch-Gladbach stellt der Deutschen Welle die Fotos kostenfrei zur Verfügung. Sie wurden von der Reichert Medien Consulutants GmBH Frankfurt für Pütz-Roth hergestellt. Zufeliefert von Sabine Damaschke.
Urnenfriedhof Pütz-RothBild: Beerdigungsinstitut Pütz-Roth

Auch Bestatter haben Träume. Statt schwarzer Erde und grauer Steine malen sie sich Friedhöfe mit bunten Wiesen und blauen Quellen aus. Fritz Roth aus Bergisch-Gladbach bei Köln hat sich diesen Traum erfüllt. Vor vier Jahren gründete er den ersten privaten Urnenfriedhof – mit Meditationsplätzen, Quellen, einer Klagemauer und individuell gestalteten Urnengräbern. Über 1.000 Menschen sind hier mittlerweile beerdigt. Die Nachfrage nach einem Grabplatz hier ist groß, anders als auf den meisten kommunalen und kirchlichen Friedhöfen in Deutschland.

Bunt bemalte Grabplatten in den "Gärten der Bestattung", dem privaten Urnenfriedhof des Beerdigungsinstituts Pütz-Roth. Das Beerdigungsinsitut Pütz-Roth in Bergisch-Gladbach stellt der Deutschen Welle die Fotos kostenfrei zur Verfügung. Sie wurden von der Reichert Medien Consulutants GmBH Frankfurt für Pütz-Roth hergestellt. Zufeliefert von Sabine Damaschke.
Privater Friedhof Pütz-RothBild: Beerdigungsinstitut Pütz-Roth

"Trauer ist Liebe", sagt der Bestatter. "Und das sollen die Angehörigen der Verstorbenen hier erleben." Als der gelernte Betriebswirt vor 26 Jahren das Bestattungsinstitut übernahm, wollte er eine neue Trauerkultur in Deutschland begründen. "Jeder soll hier so Abschied von dem Toten nehmen können, wie es ihm entspricht." Statt alles dem Bestatter zu überlassen, sollen Roths Kunden Zeit und Raum für die individuelle Trauer haben.

Bestattungen als Dienstleistung

Die Toten können so lange aufgebahrt werden, wie die Angehörigen es möchten. Was auch mal zwei Wochen statt der üblichen vier oder fünf Tage sein kann. Särge und Urnen dürfen bunt bemalt werden. Trauerfeiern gestalten die Angehörigen ganz nach ihrem Geschmack mit Popmusik, Tanz und freien Reden. Die traditionellen Elemente einer deutschen Beerdigung wie Sarg, Blumenschmuck, schwarze Kleidung, eine feierliche Ansprache des Pfarrers oder eines freien Redners, ernste Musik und ein Gebet sind in Fritz Roths Beerdigungsinstitut keineswegs verpflichtend. Lange Zeit galt der umtriebige Unternehmer daher als "enfant terrible" der deutschen Bestatterszene. Heute setzen immer mehr Beerdigungsinstitute auf sein Konzept.

Eine Frau betrachtet am Samstag (27.10.2007) in einem Bestattungshaus in Frankfurt/Main künstlerisch gestaltete Särge. Das Unternehmen "Gay - and friends Bestattungen" bietet die individuell gestalteten Särge zum Preis von rund 1500 Euro an und erhofft sich durch das bunte Design den Abschied von den Liebsten ein wenig freundlicher zu gestalten. Foto: Frank May dpa/lhe +++(c) dpa - Bildfunk+++
Künstlerisch gestaltete SärgeBild: picture-alliance / dpa

"Bestatter sind keine Totengräber mehr", sagt Kerstin Gernig vom Bundesverband deutscher Bestatter, dem rund 3.500 Beerdigungsinstitute angehören. "Sie verstehen sich als moderne Dienstleister." Ob Sargbemalung, Trauerreden oder Tanzeinlagen – nahezu alle Kundenwünsche würden berücksichtigt. "Es gibt immer mehr Beerdigungen, die Elemente aus verschiedenen spirituellen und rituellen Einflüssen verbinden," meint auch Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur "Aeternitas".

Feuer statt Erde

Tatsächlich scheinen sich die Deutschen von den traditionellen Bestattungen mehr und mehr zu lösen. Gut die Hälfte der rund 840.000 Beerdigungen in Deutschland sind laut Kerstin Gernig Feuerbestattungen. Auf deutschen Friedhöfen entstehen zudem zunehmend Kolumbarien, Wiesen- oder Baumgräber. Mittlerweile gibt es rund 100 Friedwälder, in denen die Asche der Verstorbenen anonym am Wurzelbereich von Bäumen ausgestreut wird. Das Friedwaldkonzept ist unter Pfarrern und Bestattern allerdings umstritten.

Urnengräber unter Bäumen Vor einem Baum im pfälzischen Wald wird ein Loch gegraben, in das die kremierte Asche aus einer Urne anschließend begraben wird (jüngeres Archivfoto). Das landesweit erste Bestattungsfeld mit Bäumen als Grabmälern ist am Donnerstag (6.11.2003) im rheinland-pfälzischen Wald bei Hümmel (Osteifel) übergeben worden. Nach Auskunft der Darmstädter Friedwald GmbH ist es bundesweit der dritte Waldfriedhof dieser Art. Die anderen beiden «Friedwälder» liegen in Hessen im Reinhardswald bei Kassel und im Odenwald bei Michelstadt. Dabei können Asche und Urnen von Toten nach Schweizer Vorbild am Fuße von Bäumen vergraben werden. Foto: Mario Gaccioli dpa/lhe (zu lrs 7256 vom 06.11.2003)
Urnengräber unter BäumenBild: dpa

"Von anonymen Beerdigungen halte ich nichts", sagt Fritz Roth. "Angehörige brauchen einen Ort für ihre Trauer." Daher finden sich auf seinem Urnenfriedhof immer Grabsteine oder -platten. Der rheinische Pfarrer Hermann Wischmann sieht das ähnlich. Der Trend zur anonymen Bestattung bereitet dem Theologen Sorge. In Hamburg oder Berlin würden mittlerweile über 40 Prozent der Menschen namenlos bestattet, erklärt Wischmann. Außerdem könnten die Sozialämter immer öfter keine Angehörigen ermitteln, so dass die Toten möglichst kostengünstig unter die Erde gebracht würden.

Billige Entsorgung kontra teures Event

Generell beobachtet man heute zwei gegensätzliche Entwicklungen in der Bestattungskultur. Der steigenden Zahl anonymer Billig-Beerdigungen steht eine starke Individualisierung des Bestattungsritus gegenüber – bis hin zum teuren Event. Viele der rund 5.000 Bestatter in Deutschland verdienen gut daran. Probleme aber haben die Friedhofsbetreiber. Große Flächen stehen mittlerweile leer, weil sich immer mehr Menschen für die platzsparende Urnenbestattung entscheiden. Außerdem spielten Friedhöfe als Orte der Trauer in Zeiten des Internet gerade für jüngere Menschen keine große Rolle mehr, beobachtet Alexander Helbach.

Die "Gärten der Bestattung", der privaten Urnenfriedhof des Beerdigungsinstituts Pütz-Roth. Das Beerdigungsinsitut Pütz-Roth in Bergisch-Gladbach stellt der Deutschen Welle die Fotos kostenfrei zur Verfügung. Sie wurden von der Reichert Medien Consulutants GmBH Frankfurt für Pütz-Roth hergestellt. Zufeliefert von Sabine Damaschke.
Auch im Internet: Pütz-Roths BestattungsgartenBild: Beerdigungsinstitut Pütz-Roth

Diesen Trend hat auch Bestatter Fritz Roth erkannt. Jedes Grab seines Urnenfriedhofs gibt es auch virtuell im Internet. "In unserem Chatroom sind Besucher eingeladen, dort Geschichten über den Verstorbenen zu hinterlegen." Eine moderne Form des Totengedenkens.

Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Petra Lambeck