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Referendum auf der Krim

Martin Koch11. März 2014

Die Halbinsel Krim gehört offiziell als autonome Region zur Ukraine, doch ihre Bewohner sind überwiegend Russen. Am 16. März sollen sie über ihre Zukunft abstimmen. Wir erklären, warum das Referendum so knifflig ist.

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Ukraine pro-russische Demonstration in Simferopol 9.3.2014
Bild: picture-alliance/dpa

Worum geht es in dem Referendum?

In der Abstimmung sollen die rund zwei Millionen Bewohner der Krim darüber entscheiden, ob sie künftig zu Russland gehören wollen oder wie bisher zur Ukraine. Die Krim gehört völkerrechtlich zur Ukraine, besitzt jedoch den Status einer Autonomen Republik mit eigenem Parlament. Dieses hat Anfang März bereits beschlossen, der Russischen Föderation beitreten zu wollen. Eine entsprechende Bitte hat der Chef des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, Russlands Präsident Wladimir Putin unterbreitet. Das Referendum soll nun für die Legitimation dieses Schrittes durch die Bevölkerung sorgen.

Warum gehört die Krim überhaupt zur Ukraine?

Zum 300. Jahrestag der Vereinigung von Russen und Ukrainern erklärte der aus der Ukraine stammende damalige Kremlchef Nikita Chruschtschow im Jahr 1954 die mehrheitlich von Russen bewohnte Halbinsel zu einem Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik.

Bereits 1992, nur ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine, sollte es ein Referendum zu der Frage geben, ob die Krim zur Ukraine oder zu Russland gehören wollte. Damals verhinderte die Zentralregierung in Kiew die von pro-russischen Kräften angestrebte Abstimmung. Im Gegenzug richtete sie auf der Krim eine Autonome Republik mit weitreichenden Selbstbestimmungsrechten ein. Die Stadt Sewastopol wird direkt aus Kiew verwaltet. Als Hauptstützpunkt der Schwarzmeerflotte hat die Stadt aber auch für Russland eine große Bedeutung.

Russland Ukraine Krim Schwarzmeerflotte Hafen von Sewastopol
Russische Schwarzmeerflotte in SewastopolBild: picture-alliance/AP

Warum ist die Krim von so großer Bedeutung?

Die Halbinsel ist wegen ihrer strategisch günstigen Lage am Schwarzen Meer seit Jahrhunderten immer wieder Streitpunkt zwischen Russland und der Ukraine gewesen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts baute Russland die größte Stadt der Krim, Sewastopol, zum Hauptstützpunkt seiner Schwarzmeerflotte aus. Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde die Krim dann zu einer autonomen Republik der Sowjetunion.

Nach der Belagerung der Krim durch die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs ließ der sowjetische Diktator Josef Stalin 1944 die ursprünglichen Bewohner der Halbinsel, die sogenannten Krim-Tataren, nach Zentralasien deportieren und die strategisch wichtigen Orte mit Russen besiedeln. Die wenigen Überlebenden des Turkvolkes durften erst ab 1988 wieder auf die Krim zurückkehren. Heute machen sie rund zwölf Prozent der Bevölkerung aus. Knapp 60 Prozent sind Russen, nur 24 Prozent sind Ukrainer.

Welche Positionen gibt es in der Frage der Unabhängigkeit der Krim?

Die pro-russische Mehrheit der Krim-Bewohner will so schnell wie möglich der Russischen Föderation beitreten. Für eine Unabhängigkeit der Krim innerhalb der Ukraine, also den Status quo, sind vor allem die dort lebenden Ukrainer und die Krim-Tataren.

Wie beurteilen Völkerrechtler das Referendum?

Westliche Experten sind sich einig, dass sowohl das Votum des Krim-Parlaments als auch das bevorstehende Referendum über den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation völkerrechtlich nicht bindend ist. Zwar sehe die ukrainische Verfassung lokale Referenden auf der Krim zu politischen Fragen vor, doch Änderungen des Gebietes blieben nationalen Volksabstimmungen vorbehalten. Ein Beitritt der Krim zur Russischen Föderation könnte demnach nur von der gesamten ukrainischen Bevölkerung beschlossen werden.

Ukraine pro-ukrainische Demonstration in Simferopol 9.3.2014
Ukrainer sind auf der Krim eine MinderheitBild: Reuters

Grundsätzlich hat ein Volk zwar das Recht auf Selbstbestimmung, doch eine kleine Gruppe innerhalb eines Volkes darf sich nur in einer Ausnahmesituation mit ihrem Wunsch auf Abspaltung auf dieses Recht berufen. Trotz aller politischen Spannungen befinden sich die Krim-Bewohner (noch) nicht in einer solchen Ausnahmesituation.

Darüber hinaus wird dieses Recht auf Abspaltung in dem Moment hinfällig, in dem sich ein Staat von außen in den Prozess einmischt, wie in diesem Fall Russland. Dessen Argument, es greife nur in den Konflikt ein, um die russisch-stämmige Bevölkerung zu schützen, ist nach Ansicht von Experten nicht legitim. Der Einsatz russischer Soldaten außerhalb der Stadt Sewastopol bricht Völkerrecht. Die UN-Charta verbietet Androhung oder Einsatz von Gewalt, die sich gegen das Territorium oder die politische Unabhängigkeit eines anderen Staates richtet.

Warum ist das Referendum auf der Krim auch für den Westen interessant?

Zwischen der Ukraine und der Europäischen Union gab es noch vor wenigen Monaten ein unterschriftsreifes Abkommen über eine Annäherung. Unter dem Druck Moskaus zog der mittlerweile gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch seine Zustimmung in letzter Minute zurück und handelte mit Russland einen Milliarden-Deal aus, der seinem Land unter anderem vergünstigte Gaslieferungen zusichern sollte.

Ukraine Russland Krim-Krise 06.03.2014
Die Mehrheit der Krim-Bewohner will zu Russland gehörenBild: Getty Images

Der Westen hat ein Interesse daran, dass Moskau seinen Einfluss in der Region nicht noch weiter ausbauen kann. Nach einem Beitritt der Krim zur Russischen Föderation könnte Russland seinen wirtschaftlichen Druck auf die Ukraine verstärken, da die Vereinbarungen über günstigeres Erdgas hinfällig wären.

Sollten sich die westlichen Länder zu Sanktionen gegen Russland wegen seines völkerrechtlich verbotenen Vorgehens in der Ukraine entschließen, könnte dies auf der einen Seite den wirtschaftlichen Druck auf den Kreml empfindlich erhöhen. Auf der anderen Seite besteht aber gerade in vielen europäischen Ländern eine große Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen. Die Folgen für die Wirtschaft der einzelnen Länder sind unabsehbar, würden aber auf jeden Fall mit erheblichen Kosten verbunden sein.

Wie kann es nach dem Referendum weitergehen?

Sollte bei der Abstimmung am kommenden Sonntag die erwartete Mehrheit für einen Anschluss an die Russische Föderation stimmen, würde die selbsternannte Führung der Krim ihren Beitrittswunsch im Kreml noch einmal vortragen. Die russische Staatsduma in Moskau würde extra ein Sondergesetz erlassen, damit die Krim ein Teil Russlands werden kann. Die zweite Kammer, der Föderationsrat, hat bereits Zustimmung signalisiert. Die letzte Entscheidung liegt jedoch bei Präsident Putin.

Die Bürger der dann eigenständigen Krim würden eigene Pässe bekommen, aber vermutlich auch die bisherigen ukrainischen Ausweise behalten können. Amtssprachen sollen künftig nur noch Russisch und Krim-Tatarisch sein, Ukrainisch würde abgeschafft.

Ukraine russische Soldaten Simferopol
Russische Soldaten in SimferopolBild: Reuters

Die Ukraine müsste ihre Soldaten von der Krim abziehen. Wer seinen Eid auf die pro-westliche Regierung in Kiew abgelegt habe, müsse entweder die Seite wechseln oder die Krim verlassen, unterstrich Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew. Er wolle "keine ukrainische Uniform auf einer russischen Krim sehen".

Ein militärisches Eingreifen der Ukraine, um die Halbinsel nach einem pro-russischen Referendumsergebnis zurückzuerobern, wäre zwar denkbar und nach Ansicht von Völkerrechtsexperten auch legitim. Doch die rund 200.000 ukrainischen Soldaten hätten gegen die nach Zahlen drittgrößte Armee der Welt mit ihren mehr als einer Million und 1,5 Millionen Reservisten nicht den Hauch einer Chance. Auf militärische Unterstützung aus dem Westen kann die Ukraine nicht hoffen, weil die Folgen einer solchen Intervention weltpolitisch viel zu gefährlich wären.