Das Richard-Wagner-Superjahr
21. November 2012Bayreuth - das heißt jeden Sommer: ausverkaufte Festspiele, roter Teppich, Bundeskanzlerin persönlich. Jetzt ist kaum was los am Festspielhaus. Zur Führung durch das berühmte Opernhaus sind ein Touristenpaar und zwei Bayreutherinnen gekommen. Die eine lebt seit 30 Jahren in der Stadt und ist zum ersten Mal im Festspielhaus. Die andere, Gästeführerin Claudia Dollinger, arbeitet hier. Stolz erzählt sie, dass sie im vergangenen Jahr eine Karte zu den Festspielen ergattern konnte. "Um die Karte zu bekommen, musste ich den offiziellen Weg wählen, zehn Jahre warten." Und scherzt: "Wir sagen immer, wir Bayreuther bekommen ganz als Letzte Karten."
Bayreuth und das Kartendilemma
Wie Claudia Dollinger bewerben sich jährlich Wagner-Fans aus aller Welt um die rund 60.000 Karten. Per Brief oder über das Internet. Wer sich einmal beworben hat, wird Jahr für Jahr wieder angeschrieben - und rutscht immer weiter nach vorne auf der Warteliste. Karten kosten zwischen 8 und 280 Euro. Um die Wartezeit auf sechs bis acht Jahre zu verkürzen, vergibt die Festspielleitung immer weniger feste Kontingente an Verbände und Sponsoren. "Letztes Jahr waren rund 70 Prozent der Karten frei verkäuflich", so Dollinger.
Doch es muss ja nicht immer Bayreuth sein. Die Wagner-Stars wird man 2013 auch an anderen Orten bewundern können. Etwa an der Semper-Oper in Dresden den "Lohengrin" unter der Leitung des herausragenden Wagner-Dirigenten Christian Thielemann.
Neben Stars werden Themen das Jubiläum prägen. Ein eigenes Kapitel der Wagner-Betrachtung schreibt dabei das Theater in Rudolstadt. Auf dem Spielplan der thüringischen Kleinstadt steht ein Melodram rund um Wagners bekannteste Liebesaffäre.
Wagner und die Frauen
Der Komponist weilte 1834 in dem Residenzstädtchen - als Musikdirektor einer fast bankrotten Theatertruppe. Er hatte sich der Gruppe nur angeschlossen, weil er in die erste Schauspielerin Minna Planer verliebt war, die er 1836 heiratete. Die Ehe wurde in der Folge von mehreren Affären belastet. Zum Bruch kam es, als Wagner sich in die verheiratete Schriftstellerin Mathilde Wesendonck verliebte.
Um diese letztlich unerfüllte Beziehung zu Mathilde dreht sich das Rudolstädter Melodram "Traum der ewigen Liebe" mit den Wesendonck-Liedern, in denen Wagner Gedichte seiner Muse vertonte, Texten aus Tagebüchern und Briefen der beiden und Auszügen aus den Opern.
Wagner auf der Wartburg
Eine der beliebtesten Wagner-Opern wird an einem anderen authentischen Ort gegeben, in Eisenach. Man glaubt mitten in Wagners Vorstellungswelt zu sitzen, wenn im Festsaal der Wartburg 2013 die semikonzertante Aufführung "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg" ertönt. Wagner besuchte die Wartburg mehrfach. Hier soll der Legende nach im Mittelalter ein Wettstreit zwischen Minnesängern stattgefunden haben. Im Tannhäuser verarbeitete der Komponist sowohl die Geschichte des Sängerkriegs als auch seine visuellen Eindrücke der Burg.
Im UNESCO-Welterbe Wartburg wird 2013 gleich acht Mal der Tannhäuser aufgeführt. Obwohl die Karten ausverkauft sind, kann man sich per Mail oder telefonisch bei der Wartburg auf eine Warteliste setzen lassen, verrät Pressechef Andreas Volkert. Und ergänzt: "Auch 2014 wird der Tannhäuser am authentischen Schauplatz zu sehen sein - die Termine werden Anfang 2013 feststehen."
"Parsifal" beim Wave Gotik Treffen
Die wohl skurrilste Jubiläumsveranstaltung feiert Leipzig. In Wagners Geburtsstadt wird das alljährliche Festival der Gothic-Szene, das Wave Gotik Treffen, am Völkerschlachtdenkmal mit dem "Parsifal" eröffnen. Der erklang zur Denkmaleinweihung 1913 hier schon mal. Das Völkerschlachtdenkmal erinnert an den Befreiungskrieg gegen Napoleon, der im Geburtsjahr Wagners in Leipzig tobte.
Dass das Jubiläumsjahr eher in die Breite als in die Tiefe gehen wird, sieht Sven Friedrich vom Richard-Wagner-Museum Bayreuth auch kritisch: "Da gibt's ein Jubiläum und dann werden Veranstaltungen ohne Ende abgespult. Das ist auf der einen Seite sehr schön, weil in der Masse beeindruckend. Entscheidend wird aber sein: Was bleibt nach 2013 davon übrig?"
Bayreuth reloaded
Bayreuth wird sich da keine Sorgen machen müssen. Zumal man 2013 auch das junge Publikum in die fränkische Provinz locken will. Etwa mit dem Live-Hörspiel "Ring von unten". Darin wird Stefan Kaminski, der Schauspieler mit der wandelbaren Stimme und seinem komplexen akustischen Instrumentarium die Zuschauer in die Götterdämmerung führen. Kaminskis Fans auf Facebook freuen sich schon: "Wagner endlich mal entstaubt und vom Mottenfraß befreit! Juhu!" Langweilig wird Wagner wohl nie.