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Griechenland: Harte Reformen

Jannis Papadimitriou23. November 2015

Auch wenn die Euro-Finanzminister grünes Licht für weitere Finanzhilfen an Griechenland geben, ist das Land noch längst nicht aus dem Schneider. Die wirklich harten Reformen stehen den Griechen erst noch bevor.

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Griechenland - Geldautomat außer Betrieb (Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images, Copyright: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki)
Bild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Nach den Sparauflagen ist vor den Sparauflagen: Erst am vergangenen Donnerstag hat das griechische Parlament zugesagte Reformen im Eilverfahren gebilligt und dadurch den Weg für die Auszahlung einer weiteren Kredittranche in Höhe von zwölf Milliarden Euro freigemacht. Dazu gehören auch zehn Milliarden, die schon länger für die Rekapitalisierung griechischer Banken reserviert sind.

Insbesondere der Umgang mit faulen Krediten und nicht zahlungsfähigen Schuldnern war bis zuletzt heftig umstritten und bleibt auch nach der Verabschiedung des jüngsten Reformpakets eher unklar, da den zuständigen Behörden ein weiter Ermessensspielraum zugestanden wird. Auch die für 2016 geplanten weiteren Steuererhöhungen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro sowie die neulich verkündete Sondersteuer auf Wein dürften in Hellas auf wenig Begeisterung stoßen.

Doch die härteste Kraftprobe steht Linkspremier Alexis Tsipras noch bevor: Bis Ende des Jahres soll eine grundlegende Rentenreform unter Dach und Fach sein, die eigentlich seit Jahren im Gespräch ist, aber aus politischen oder wahltaktischen Gründen immer wieder verschoben wird. In den nächsten Wochen will die Regierung in Athen zudem ihre mittelfristige Finanzplanung bis 2019 offenlegen und damit vermutlich weitere Steuerbelastungen beschließen. Auch eine Gehälterreform für den öffentlichen Dienst und die längst versprochene Liberalisierung des Arbeitsmarktes lassen noch auf sich warten.

Alexis Tsipras im Parlament (Foto: REUTERS/Yiannis Kourtoglou)
Muss um die eigene Mehrheit im Parlament bangen: Premierminister Alexis TsiprasBild: Reuters/Y. Kourtoglou

Doch warum muss die Athener Regierung so viele Reformen innerhalb so kurzer Zeit auf den Weg bringen? Für Dimitra Kada, Chefredakteurin des Wirtschaftsportals Capital.gr, ist der Grund eindeutig: "Diese Regierung muss im Eilverfahren alle Reformen nachholen, die von früheren Regierungen zugesagt, aber nicht umgesetzt wurden. Darauf bestehen auch die Geldgeber, die bloßen Zusagen mittlerweile kaum noch vertrauen. Zudem hat Griechenland viel Zeit durch aufeinanderfolgende Wahlen und nicht endenwollende Verhandlungen verloren", moniert Kada im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Streit um die Rentenreform

Besonders umstritten ist die längst zugesagte radikale Umgestaltung des Rentensystems, die der Frühverrentung endgültig einen Riegel vorschiebt und möglicherweise höhere Sozialbeiträge mit sich bringt. Gewiss, in den vergangenen Jahren sind einige Reformschritte umgesetzt worden. Das Rentenalter wurde auf 67 angehoben, Pensionen wurden um ein Drittel gekürzt. Doch der große Wurf bleibt immer noch aus. Allein schon, um das heutige Niveau der stark gekürzten Renten zu halten, müsste die griechische Regierung laut einer Studie des gewerkschaftsnahen "Instituts für Arbeit" im Jahr 2016 fast eine Milliarde Euro aus dem Staatshaushalt beisteuern. Das kann wohl nicht funktionieren angesichts leerer Staatskassen.

Was tun? Analystin Kada glaubt, die Regierung versuche, auf Zeit zu spielen, um allzu heftige Reaktionen zu vermeiden. "Im Idealfall würde man zunächst eine Teilreform bis Jahresende beschließen, um Rentenkassen zusammenzulegen und dringende Finanzierungsprobleme in den Griff zu bekommen. Weitere Schritte, insbesondere einen eventuellen Eingriff auf die Grundrente, würde die Regierung lieber auf die Zukunft verschieben."

Jedenfalls gilt die Rentenreform als Voraussetzung für die sogenannte Evaluierung des griechischen Anpassungsprogramms durch die Geldgeber, die wiederum aus griechischer Sicht den Weg für eine tragfähige Schuldenregelung, möglicherweise sogar für einen Teilerlass der Schulden ebnen könnte.

Über das weitere Vorgehen scheiden sich die Geister in Athen, glaubt Alexis Papachelas, Direktor der Athener Zeitung "Kathimerini". "Die einen sagen, es gebe derzeit keinen Spielraum für weitere, schmerzhafte Maßnahmen und die Rentenreform müsse auf Februar 2016 verschoben werden. Die anderen glauben, es sei vernünftiger, diese bittere Pille jetzt zu schlucken und zudem die nicht minder umstrittenen Privatisierungen voranzubringen, damit die Wirtschaft sich langsam erhole. Auf dieses Grunddilemma hat Premier Tsipras noch keine eindeutige Antwort", sagt der Analyst im TV-Sender Skai.

Regierungsmehrheit beginnt zu brökeln

Dass Tsipras zunehmend Gegenwind auch in der regierenden Linkspartei Syriza bekommt, zeigte sich erneut bei der Verabschiedung des jüngsten Reformpakets letzte Woche. Noch vor der entscheidenden Abstimmung im Parlament erklärte der Syriza-Abgeordnete und ehemalige Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis seinen Rücktritt mit der Begründung, er sehe sich nicht mehr in der Lage, die Regierung zu unterstützen. Immerhin gab Sakellaridis sein Mandat an die Partei zurück und ersparte seinem politischen Ziehvater Tsipras die Tortur des Bangens um die eigene Regierungsmehrheit im Parlament.

Griechenland, Demonstration der Gewerkschaft PAME (Foto: REUTERS/Ronen Zvulun)
Inzwischen demonstrieren Gewerkschaften auch gegen die linke Syriza-RegierungBild: Reuters/R. Zvulun

Ganz anders der schrille Rechtspopulist Nikos Nikolopoulos vom Koalitionspartner ANEL: Er behielt seinen Parlamentssitz und votierte trotzdem gegen die Sparauflagen - womit Tsipras vermutlich auch in Zukunft nur noch mit einer Mehrheit von 153 der insgesamt 300 Abgeordneten rechnen kann.