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Das Sprachrohr der Welt

Priya Esselborn22. September 2003

Die 58. Periode der UN-Vollversammlung in New York hat begonnen. Die Versammlung, anfangs einberufen als "beratendes Organ der Vereinten Nationen", ist inzwischen Schauplatz der höchstrangigen Krisensitzungen der Welt.

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Globale Institution: die Vereinten NationenBild: AP

13. November 1974: Im Kampfanzug mit umgeschnalltem Pistolenhalfter, auf dem Haupt die schwarzweiß karierte Kaffijah, beide Hände über dem Kopf schüttelnd - gleich einem Boxer, der den Ring betritt, marschierte PLO-Chef Jassir Arafat in die 29. UN-Vollversammlung und hielt eine Rede zur Palästinafrage. Die Presse bezeichnete sie allerdings als "plumpe Tatsachenverdrehung" und "schwer genießbar".

Der Auftritt Arafats war ein Novum. Zum ersten Mal trat der Chef einer Organisation auf, die weder eine Regierung noch einen Staat vertrat. Deshalb war der Saal auch voll bis auf den letzten Platz, einige Diplomaten saßen sogar auf dem Boden. Nur die israelische Delegation blieb der Sitzung fern.

Auch der spektakuläre Auftritt des russischen Staatschefs Nikita Chruschtschow vor der Vollversammlung ist bis heute unvergessen. Dieser wusste sich im Oktober 1960 nicht anders Gehör zu verschaffen, als seinen Schuh auszuziehen und mit diesem auf das Rednerpult einzuschlagen.

UN-Vollversammlung: Ihre Aufgaben

Die Vollversammlung (Generalversammlung) hat eine zentrale Bedeutung für die Arbeit der Vereinten Nationen, denn sie ist ihr "Parlament". Als beratendes Organ wurde sie zum ersten Mal am 10. Januar 1946 in London eröffnet, ein knappes halbes Jahr nach der Gründung der Vereinten Nationen. Die Vollversammlung setzt sich aus den Vertretern aller 191 Mitgliedstaaten zusammen, jeder von ihnen hat eine Stimme. Anders als im Sicherheitsrat, dem wichtigsten politischen Organ der UNO, verfügen die Großmächte USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China nicht über ein Veto-Recht. Die Entscheidungen der Vollversammlung sind auch nicht bindend für die Regierungen, sondern haben lediglich Empfehlungscharakter.

Dennoch beeinhalten die Resolutionen eine moralische Verpflichtung, sich an sie zu halten, denn sie repräsentieren die politische Meinung der Weltöffentlichkeit. Es liegt daher im Interesse jedes Mitgliedsstaates, sich der demokratisch gefundenen Entscheidung zu beugen. Beschlüsse zu sicherheitspolitischen Fragen, Haushaltsentwürfen oder über die Zulassung neuer Mitgliedstaaten bedürfen einer Zwei-Drittel-Mehrheit, ansonsten reicht eine einfache Mehrheit.

Die neue Periode der Vollversammlung beginnt jedes Jahr am dritten Dienstag im September in New York und dauert regulär bis zur dritten Dezemberwoche. Sie kann aber auch während des gesamten Jahres bei Bedarf einberufen werden.

Wahlen zum Anfang jeder Periode

Am Anfang jeder neuen Periode stehen traditionell die Wahl des Präsidenten der Versammlung und der 21 Vize-Präsidenten durch die Mitgliedstaaten. Auch die Vorsitzenden der sechs Ausschüsse werden gewählt: Sie sitzen den Gremien "Entwaffung und Internationale Sicherheit", "Wirtschaft und Finanzen", "Humanitäre Aktivitäten und Kultur", "Administration und Budget", "Politik und Entkolonialisierung" sowie "Justizfragen" vor. Diese Komittees sind wiederum für die Vorbereitung von Beschlüssen der UN-Vollversammlung zuständig. Etwa 160 Themen werden von ihnen pro Jahr bearbeitet.

Präsident aus dem kleinsten Mitgliedsstaat

Für die 58. Periode der UN-Vollversammlung heißt der neue Präsident Julian Hunte. Er ist Außenminister des Karibikstaates Sankt Lucia. "Es ist beachtlich, dass die Präsidentschaft dieser wichtigen Institution an den Repräsentanten eines solchen Staates geht, der als der kleinste in die Geschichte eingehen wird, dem ein solch prestigeträchtiges Amt übertragen wurde," sagte der frischgebackene Präsident Hunte zufrieden. Dies zeige das Vertrauen der Vereinten Nationen in ihre Charta, in der die Gleichberechtigung der Staaten niedergeschrieben sei, seien sie nun groß oder klein.

Julian Hunte
Bild: AP

Hunte übernimmt das Amt von Jan Kavan, dem Vizepremier und Außenminister der Tschechischen Republik. Das Amt des Präsidenten wird in einem Rotationsverfahren unter den fünf Staatengruppen vergeben. Diese sind Asien, Afrika, Osteuropa, Westeuropa und andere Staaten der westlichen Welt (z.B. Amerika, Türkei, Australien, Kanada etc.), Lateinamerika und Karibik vergeben.

Schwierige Zeiten

Das Interesse der Weltöffentlichkeit galt in der vergangenen Periode vor allem weltpolitischen Fragen. Die Lage im Irak, im Nahen Osten und in Afghanistan sowie die Zuspitzung im Atomstreit mit Nordkorea standen ebenso auf der Tagesordnung wie die Zukunft Zyperns oder die Situation in Ruanda und Somalia. Diese Konflikte verdrängten allerdings die Arbeit der UN-Vollversammlung in anderen Bereichen, wie der Armuts- und Hungerbekämpfung oder dem Kampf gegen Aids.