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Das Sterben der Innenstädte

Monika Griebeler30. Juni 2014

Öd und leer liegt sie da: manch Fußgängerzone in Deutschland. Doch jetzt könnte Rettung kommen: Ikea öffnet eine Filiale in der Hamburger Innenstadt, Aldi drängt auch ins Zentrum. Kehrt der Handel in die Städte zurück?

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Ein leerstehendes Geschäft in der Altstadt von Hameln (Foto: Peter Steffen dpa/lni)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Internet ist mal wieder an allem schuld. Natürlich. Schließlich kaufen die Deutschen dort so gerne ein, dass Post und Zoll ächzen unter der Überlastung durch all die Pakete, und die Händler in den Innenstädten ihre Läden schließen müssen. Klagen, die statistischen Widerhall finden.

Jeder dritte Kunde fährt bereits seltener ins Stadtzentrum und kauft stattdessen öfter online ein, besagt eine Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung. Mehr als die Hälfte der Einzelhändler klagt über sinkende Kundenzahlen in ihren Geschäften, heißt es beim Einzelhandelsverband Deutschland. Nur der Onlinehandel vermeldet unterdessen Rekordzahlen: 2013 etwa stieg der Umsatz im Vorjahresvergleich laut Branchenverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland um mehr als 40 Prozent auf 39,1 Milliarden Euro.

"Wir gehen davon aus, dass bis 2020 nochmals 15, wenn nicht 20 Prozent der Einzelhandelsumsätze bei Non Food ins Netz abwandern. Das ist dramatisch für den innerstädtischen Einzelhandel", sagt auch Gerrit Heinemann, Handelsexperte an der Hochschule Niederrhein. Kaufwillige Konsumenten, die vom Buch- zum Schuhladen schlendern, einkaufstütenbehangen, ein Lächeln im Gesicht, ein Eis in der Hand, könnten dann ein Bild der Vergangenheit sein. Oder?

Ein Mann sitzt vor einem Computer und schaut sich High Heels bei Zalando an (Foto: imago)
Kunden kaufen vermehrt bei Onlinehändler wie Amazon oder Zalando statt beim lokalen EinzelhandelBild: imago

Aldi neben Prada, Ikea neben dem Fotostudio

Auftritt: Ikea. Bisher waren die großen blauen Möbelhäuser mit dem gelben Schriftzug vor allem auf der grünen Wiese angesiedelt, meist neben Autobahnen. An diesem Montag (30.06.2014) eröffnet aber der erste Ikea-Laden mitten in einer deutschen Innenstadt: im Herzen von Altona, dem einstigen Arbeiterviertel Hamburgs.

"Wir wenden uns an das Innenstadtpublikum, an junge Familien, Singles, die mitten in der Stadt wohnen, sich bewusst gegen ein Auto entschieden haben", erklärt Ikea-Sprecherin Simone Settergren im Gespräch mit der DW. Eine Zielgruppe, die selten hinausfuhr zu den Ikea-Klötzen am Stadtrand. Der "Citystore" in Hamburg ist deshalb ein Testprojekt. 80 Millionen Euro hat es gekostet, vergleichbare Filialen liegen sonst bei rund 50 Millionen Euro Baukosten.

Das neue IKEA-Einrichtungshaus, der "Citystore" in Hamburg-Altona (Foto: picture-alliance/dpa)
Mal anders: In Hamburg eröffnet der erste Ikea-Laden mitten in der Innenstadt statt an der AutobahnBild: picture-alliance/dpa

Auch der Lebensmitteldiscounter Aldi will mehr Filialen in den Innenstädten platzieren. Am Montag - zeitgleich mit Ikea in Hamburg - eröffnet Aldi in Düsseldorf auf der Königsallee einen Laden. Eigentlich ist die "Kö" als Flaniermeile für Reich und Schön bekannt - und Aldi als Epizentrum für den Wochenendeinkauf von Großfamilien. Parkplätze gibt es an der neuen Filiale keine. Dafür eine neue Aufgabe: Das Unternehmen wolle künftig auch eine Rolle bei der Nahversorgung in den Städten übernehmen, sagte Jan Riemann, Leiter Filialentwicklung bei Aldi Süd.

Sorgenfrei in München, Hamburg, Frankfurt

Simone Settergren ist überzeugt, dass sich die Ikea-Filiale auch positiv auf die Umgebung auswirkt: "Seit wir die Baugenehmigung bekommen haben, ist der Boom hier in der Straße losgegangen: Hier ist sehr viel kleiner, inhabergeführter Einzelhandel in unserem direkten Umfeld entstanden." Der neue Laden bringe wochentags 10.000, an Wochenenden sogar bis zu 15.000 Besucher in die Fußgängerzone. "Und das ist natürlich etwas, was auch andere Einzelhändler sehr attraktiv finden."

Dabei müssten sich die Hamburger eigentlich eh kaum Sorgen machen: "In Metropolen sieht die Entwicklung relativ gut aus, weil wir auch in Deutschland einen Zuzug von Landbevölkerung dorthin haben", sagt Handelsexperte Heinemann. "Davon profitieren diese Standtorte auch im Einzelhandel: Sie werden sich stabil entwickeln oder sogar gewinnen." Städte wie München, Frankfurt oder Köln wachsen. Und mit ihnen - dem Internet zum Trotz - der dort ansässige Handel.

Volle Fußgängerzone in Frankfurt am Main (Foto: picture-alliance/arco images)
Ewiger Anziehungspunkt: Fußgängerzonen in Großstädten - wie hier in Frankfurt - werden noch lange gut besucht seinBild: picture-alliance/Arco Images

Aus der Kleinstadt Deutschland erobern

Dringender Handlungsbedarf besteht dagegen im ländlichen Raum: Klein- und Mittelstädte - das heißt in Deutschland Städte zwischen 5.000 und 100.000 Einwohnern - verlieren rasant Kunden und Geschäfte. Eine Abwärtsspirale, in die auch Ikea nicht geraten will: "Einen Citystore werden wir nur in Metropol-Regionen umsetzen können. Das sind extrem hohe Investitionen und eine extrem aufwendige Bauweise, die sich einfach nur rechnen, wenn man auch in einer Metropolregion ist wie Hamburg, München, Berlin“, sagt Settergren.

Verloren sind Städte wie Schwerin, Tübingen oder Bayreuth trotzdem nicht. Dafür müssten Politik und Händler eng zusammenarbeiten, ein Konzept für eine professionell gemanagte Innenstadt entwickeln. Und, sagt Heinemann: "Der Fachhandel muss sich neu erfinden." Ein eigener Online-Shop ergänzend zum Laden, die Kunden auch mobil ansprechen, kreative Ideen haben - das könnte eine Lösung sein, dem Innenstadt-Tod von der Schippe zu springen. Denn wo die Mieten niedrig sind, kann günstiger - und damit risikofreier - experimentiert werden. Der Einzelhändler Manufactum zum Beispiel verkaufte seine nachhaltigen, teils traditionell gefertigten Haushaltswaren zunächst im 30.000-Einwohner-Städtchen Waltrop, inzwischen aber in ganz Deutschland. Und natürlich im Netz.