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Der Streit um das VW-Gesetz

Dirk Kaufmann22. Oktober 2013

Die EU-Kommission ist mit dem Versuch gescheitert, das VW-Gesetz zu Fall zu bringen. Der Europäische Gerichtshof hat eine entsprechende Klage abgewiesen.

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Eine südafrikanische Flagge spiegelt sich am Samstag (19.06.2010) im Volkswagen-Werk im südafrikanischen Uitenhage bei Port Elizabeth in einem VW-Emblem eines VW Polo. VW beschäftigt an dem Standort etwa 5600 Mitarbeiter. Etwa 100.000 Fahrzeuge werden jährlich produziert, ca. 40.000 davon sind für den Export bestimmt. Foto: Friso Gentsch/Volkswagen
Bild: picture-alliance/dpa

Das VW-Gesetz ist 53 Jahre alt und hat seine Wurzeln im Dritten Reich. Denn Volkswagen, heute der größte Autobauer Europas, wurde in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegründet - von der einflussreichen NS-Organisation "Deutsche Arbeitsfront". Finanziert wurde das gigantische Unternehmen durch das Vermögen der von den Nationalsozialisten zerschlagenen Gewerkschaften.

Nach dem Krieg übergab die englische Besatzungsmacht das Unternehmen an die Bundesregierung und das neugegründete Bundesland Niedersachsen. 1960, fünfzehn Jahre nach Kriegsende, beschloss der Bundestag, Volkswagen zu privatisieren und von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Diese Umwandlung wurde durch das VW-Gesetz geregelt, das in weiten Teilen noch heute gilt und höchst umstritten ist. Die EU-Kommission hatte wiederholt versucht, es zu kippen, weil es Übernahmen verhindere und den freien Kapitalverkehr einschränke. Am Dienstag (22.10.2013) hat der Europäische Gerichtshof die Klage der Kommission abgewiesen und damit einen fast zehnjährigen Rechtsstreit beendet.

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Den Einfluss der Politik beschneiden

Frank Schwope, Automobilexperte bei der Nord-LB, hat diese Auseinandersetzung seit Jahren beobachtet. Die EU-Kommission habe sich, so Schwope, daran gestoßen, dass das Gesetz dem "Land Niedersachsen ein Entsenderecht einräumt: Es darf zwei Mitglieder in den Volkswagen-Aufsichtsrat schicken. Zudem gab es eine Stimmrechtbeschränkung: Man konnte maximal 20 Prozent der Stimmrechte ausüben, auch wenn man mehr Anteile an Volkswagen besaß."

Die EU-Kommission hatte im Oktober 2007 erreicht, dass diese beiden Regelungen abgeschafft wurden. In der heute abgewiesenen Klage der EU-Kommission sei es aber um einen weiteren Punkt gegangen, so Schwope: "Im Gesetz steht, dass man eine Vierfünftel-Mehrheit braucht, um wichtige Entscheidungen zu treffen oder Satzungsänderungen durchzuführen."

VW-Stammwerk in Wolfburg Foto: AFP/Getty Images
VW-Stammwerk in WolfsburgBild: AFP/Getty Images

Vorteil für Kleinaktionäre

Der EU-Kommission hatte missfallen, dass bei Volkswagen eine 80-Prozent-Mehrheit in den Entscheidungsgremien vorgeschrieben ist, um Satzungsänderungen zu beschließen. Mit dieser Regelung, so die Begründung der Klage, sei eine feindliche Übernahme des Wolfsburger Konzerns praktisch unmöglich gemacht. Der Europäische Gerichtshof hat heute klargestellt, dass die Regelung aber nicht gegen EU-Recht verstoße.

Frank Schwope bescheinigt der umstrittenen Regelung aber eine durchaus positive Wirkung: Sie erleichtere es Kleinanlegern, ihre Interessen zu wahren. Denn bei einer "Sperrminorität, die bei 20 Prozent liegt, ist natürlich ein kleinerer Aktionär besser geschützt gegen die Interessen großer Aktionäre".

Das werde deutlich, wenn man diese Sperrminorität mit den Bestimmungen anderer Unternehmen vergleiche: "Zum Beispiel ist das bei Porsche, das ja versucht hat, Volkswagen zu übernehmen, anders gelagert. Da brauchen sie für eine Satzungsänderung nur 66 Prozent oder eine Zweidrittel-Mehrheit. Das heißt im Umkehrschluss, dass Porsche-Kleinaktionäre erst bei 33 Prozent eine Sperrminorität zusammen bekommen."

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Normalerweise, so der Nord-LB-Experte, seien in deutschen Aktiengesellschaften Dreiviertel-Mehrheiten für grundsätzliche Entscheidungen vorgeschrieben, bei Volkswagen und Porsche gälten andere Bestimmungen: "Die gesetzliche Regelung ist 75 Prozent für Satzungsänderungen, 25 Prozent Sperrminorität. VW weicht nach unten ab, Porsche nach oben. Das VW-Gesetz schützt also eher kleinere Aktionäre."

"Es gibt auch noch eine VW-Satzung"

Dem heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Volkswagen-Gesetz hatte Frank Schwope gelassen entgegengesehen. Denn wie auch immer die Richter entschieden hätten, "im Grunde genommen hätte sich gar nichts geändert. Weil es nicht nur das VW-Gesetz gibt. Es gibt nämlich auch noch eine VW-Satzung".

Und in dieser Satzung ständen, so Schwope, die "gleichen Dinge wie im VW-Gesetz". Das gelte für die Zweidrittel-Mehrheit bei Grundsatzentscheidungen wie auch für die Festlegung der Sperrminorität. In einem Punkt ginge die Unternehmenssatzung sogar über das VW-Gesetz hinaus: Das Land Niedersachsen brauche nicht einmal, wie es das VW-Gesetz fordert, 20 Prozent der Anteile zu besitzen, um seinen Einfluss geltend zu machen: "Nach der Satzung ist das Land Niedersachsen auch dann berechtigt, zwei Aufsichtsratsposten zu besetzen, wenn es nur 15 Prozent der stimmberechtigten Aktien hält."