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Das weite Feld der Spionageabwehr

Marcel Fürstenau16. Juni 2015

NSA und BND, "Prism" und "XKeyscore", Knotenpunkte und Selektoren: Die Affäre um Massenüberwachung durch Nachrichtendienste ufert aus. Politik, Behörden und Medien wetteifern auch um die Deutungshoheit.

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Protst gegen Spionageprogramm Prism - Foto: Peter Steffen (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In dieser unendlichen Geschichte geht es oberflächlich um Freiheit und Sicherheit. Darunter gärt allerdings eine Mixtur aus Terrorangst, Überwachungswahn und Verschwörungstheorien. Protagonisten sind Politiker, Geheimdienstchefs und Journalisten. Das Drehbuch wird ständig umgeschrieben, ursprünglich stammt es von Edward Snowden. Der Whistleblower enthüllte im Juni 2013 die Machenschaften seines früheren Arbeitgebers National Security Agency (NSA). In dessen Sog geriet auf deutscher Seite der Bundesnachrichtendienst (BND). Das Thema der Geschichte: die globale Überwachung.

Aus solchem Stoff stricken Schriftsteller Agenten-Thriller. Aber auch Journalisten stürzen sich natürlich auf dieses Thema. Das weitläufige Berliner Regierungsviertel bietet dafür einen perfekten Nähr- und Resonanzboden. Dieser Dienstag war wieder so ein Tag: Politiker reden über den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages oder präsentieren Reformvorschläge für den BND. Auf Datenschutz-Konferenzen geht es um Cyberwar und Verschlüsselungstechnik. Jeder präsentiert seine Sicht der Dinge, die Interessen sind höchst unterschiedlich.

Maaßen: "USA streben nach Dominanz im Cyber-Raum"

Da ist zum Beispiel der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. Seine Behörde ist das inländische Pendant zum BND. Maaßen referiert auf einer Fachkonferenz von Datenschützern über Cyber-Sicherheit und nachrichtendienstliche Aufklärung. Zum Aufgaben-Profil des BfV gehört auch die Spionageabwehr. Das ist der Anknüpfungspunkt zur NSA/BND-Affäre, in der es auch um den Vorwurf der Wirtschaftsspionage geht.

Verblüffend offen redet Deutschlands ranghöchster Verfassungsschützer vom Streben der USA nach "Dominanz" im Cyber-Raum. Dominanz bedeutet in diesem Fall, so viele Daten wie möglich zu erfassen und auszuwerten. Deutschland sei auf diesem Feld nur "Gast oder Kunde".

Hans-Georg Maaßen - Foto: Ralf Hirschberger (dpa)
Verfassungsschutzpräsident Maaßen: "Kein Patentrezept"Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

In dieser Eigenschaft profitiert auch Maaßens Nachrichtendienst von den amerikanischen Fähigkeiten. Mit dem Filter-Programm "XKeyscore" würde auch der BfV "riesige Datenpakete" zum Beispiel von mutmaßlichen Islamisten auswerten. Schließlich ist der Verfassungsschutz auch für die Terror-Abwehr zuständig. Maaßen spricht ausdrücklich auch für die Kollegen vom BND, wenn er betont: "Nachrichtendienste arbeiten, um Deutschland sicher zu halten." Die öffentliche Diskussion würde bei ihm aber manchmal den Eindruck erwecken, "dass deutsche Dienste mit denen in Nordkorea verwechselt werden."

Datenschützerin Voßhoff kritisiert Geheimdienste

Indirekt macht Maaßen dafür auch Journalisten verantwortlich. Was die berichten, hält der BfV-Chef zumindest teilweise für Produkte von Desinformation durch fremde Geheimdienste. Medien gehe es darum, mit Meldungen "schnell auf dem Markt" zu sein. Notfalls auf Kosten von Gründlichkeit und Wahrheitsgehalt - so will Maaßen verstanden werden. Sein Publikum auf der Konferenz zu Datenschutz und Datensicherheit hört aufmerksam zu - und bleibt skeptisch. Vielleicht auch deshalb, weil sich tags zuvor die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff auf derselben Konferenz kritisch über das Gebaren deutscher und ausländischer Nachrichtendienste geäußert hat.

Maaßen gibt sich trotzdem unbeeindruckt. "Es gibt kein Patentrezept für die Abwägung zwischen Datenschutz und digitaler Freiheit." Dass Einiges im Argen liegt, räumt er ein.

BND-Präsident Schindler bei seinem ersten Auftritt im NSA-Untersuchungsausschuss - Foto: Gregor Fischer (dpa)
BND-Präsident Schindler bei seinem ersten Auftritt im NSA-Untersuchungsausschuss: Einiges liegt im ArgenBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Das ließ vor kurzem auch BND-Präsident Gerhard Schindler im NSA-Untersuchungsausschuss durchblicken. Am Mittwoch muss er ein zweites Mal als Zeuge aussagen. Und am Donnerstag erwartet das Parlamentsgremium Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der Christdemokrat war von 2005 bis 2009 Chef des Bundeskanzleramtes und damit für die Koordination der Geheimdienste zuständig.

Dass deren Arbeit gesetzlich teilweise auf tönernen Füßen steht, gehört zu den unbestrittenen Lehren aus der NSA/BND-Affäre. Auch deshalb preschen die Sozialdemokraten jetzt mit einem Reform-Papier vor. "Rechtsstaat wahren - Sicherheit gewährleisten" sind die am Dienstag präsentierten 16 Seiten betitelt.

SPD-Vorschläge sind mehrheitsfähig, aber im Kern nicht neu

Im Mittelpunkt der SPD-Überlegungen steht die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung des BND. Die steht wegen der Kooperation mit der NSA massiv in der Kritik. Es geht um Spionage-Programme wie "Prism", angezapfte Internet-Knotenpunkte und sogenannte Selektoren zum Ausspähen auch europäischer Wirtschaftsunternehmen. In der Diskussion über die vermeintlich richtigen Schlussfolgerungen will sich keine Seite fehlenden Aufklärungswillen nachsagen lassen. Deshalb legt die SPD ein Eckpunkte-Papier mit Forderungen vor, denen sich alle anschließen können.

Im Kern geht es um klare gesetzliche Regelungen für den BND sowie eine bessere personelle Ausstattung und mehr Befugnisse für die parlamentarischen Instanzen zur Geheimdienst-Kontrolle. Die Diskussion darüber ist keineswegs neu. Gravierenden Reformbedarf forderten externe Sachverständige im NSA-Untersuchungsausschuss schon zu Beginn seiner Arbeit im Frühjahr 2014.

Seitdem hat sich weder die Debatte entspannt noch die Lage. Das liegt daran, dass es auch um die Deutungshoheit in der NSA/BND-Affäre geht. An dieser Auseinandersetzung beteiligen sich viele: Politik, Geheimdienste, auch Medien. Das Ende dieser Geschichte ist nicht absehbar.