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Zankapfel Vorratsdatenspeicherung

Jeanette Seiffert8. April 2014

Die Vorratsdatenspeicherung ist nicht mit den Grundrechten der EU vereinbar: Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Das könnte die deutsche Diskussion erneut anheizen.

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Unter einer Lupe ist am 06.01.2014 in Schwerin ein Bildschirmsymbol mit der Bezeichnung "gespeicherte Verbindungen" zu sehen - Foto: Jens Büttner/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Deutlicher hätte das Urteil aus Luxemburg kaum ausfallen können: Die Speicherung der Kommunikationsdaten ohne Anlass greift zu sehr in die Privatsphäre der EU-Bürger ein, so sehen es die Richter. Sie kippen damit eine Regelung von 2006, das die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet hatte, mindestens sechs Monate lang zu speichern, wer mit wem wie lange telefoniert oder wie viele Emails ausgetauscht hat. Der EU-Gesetzgeber habe beim Erlass der Richtlinie "die Grenzen überschritten", so der EuGH in seiner Begründung. Geklagt hatten eine irische Bürgerrechtsorganisation, die Kärntner Landesregierung und mehrere Tausend Österreicher. Sie argumentierten, dass die Speicherung unverhältnismäßig sei.

Auch in Deutschland gehört die Vorratsdatenspeicherung längst zu den umstrittensten innenpolitischen Themen: Entsprechend hoch ging es her, als sich der Bundestag vor einigen Wochen wieder einmal mit dem Thema befasste. Als "maßlos und unnötig" bezeichnete der Grünen-Politiker Konstantin von Notz die vorsorgliche Speicherung der Verbindungsdaten aller Bürger. Jan Korte, Vizefraktionschef der Linken, drückte es noch dramatischer aus: Es handle sich um eine "Total-Protokollierung der menschlichen Kommunikation" mit dem Ziel, einen "gläsernen Menschen" zu schaffen: "Kurz, es ist der Super-GAU für die freie Kommunikation als Grundlage des demokratischen Rechtsstaates." Er sprach damit vielen Datenschützern und Verfassungsrechtlern aus dem Herzen.

Es gehe nicht um Überwachung der Bürger, sondern um Verbrechensbekämpfung, argumentieren die Befürworter: "Ohne die Vorratsdatenspeicherung können deutlich weniger Straftaten aufgeklärt werden", sagte der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg und nannte Kinderpornografie, grausame Morde oder terroristische Anschläge als Beispiele, um zu begründen, dass die Speicherung der Daten notwendig ist. Er würde deshalb lieber gerne von einer "Vorsorgespeicherung" sprechen - und hat vor allem die Sicherheitsbehörden auf seiner Seite. Der tatsächliche Nutzen für die Strafverfolgung ist allerdings umstritten.

Datenschutz-Demo in Berlin - Foto: Rainer Jensen/dpa
Datenschutz-Demo in Berlin: Die Skepsis nimmt zuBild: picture-alliance/dpa

Gerichte vereint in Skepsis

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg - Foto: Thomas Frey (dpa)
EuGH in Luxemburg: Voratsdatenspeicherung mit Grundrechte-Charta nicht vereinbarBild: picture-alliance/dpa

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vertrat 2010 eine ähnliche Argumentation wie jetzt das EuGH - und kassierte ein deutsches Gesetz von 2008, das eine Speicherfrist von sechs Monaten festgelegt hatte. Seitdem ist in Deutschland also nicht mehr geregelt, wie lange die Telekommunikationsfirmen die Daten ihrer Kunden speichern müssen. Es ist aber nicht das einzige Land, in dem die Vorgaben aus Brüssel für Probleme gesorgt haben: In Tschechien und Rumänien etwa sind die betreffenden Gesetze in der Vergangenheit ebenfalls für verfassungswidrig erklärt worden.

Die Unionsparteien CDU und CSU halten das in Deutschland aber für einen untragbaren Zustand: Sie haben deshalb die mitregierenden Sozialdemokraten in der Koalitionsvereinbarung darauf verpflichtet, so schnell wie möglich ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen. Doch bisher hatte es die SPD damit nicht so eilig. Das liegt vermutlich auch daran, dass es in ihren Reihen viele kritische Stimmen zur Vorratsdatenspeicherung gibt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat bisher noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt und das damit begründet, dass man erst das Urteil aus Luxemburg abwarten wolle.

Mit der Entscheidung des EuGH dürfte die Debatte innerhalb der Regierungskoalition also erst richtig losgehen. Denn die Frage, wie eine verfassungskonforme Regelung in Deutschland aussehen könnte, bleibt.

Neuer Fall fürs Bundesverfassungsgericht?

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl hält ein neues deutsches Gesetz dennoch für unabdingbar. Er könne sich zwar gut vorstellen, einige Details zu ändern, sagte er der DW: Etwa, wie lange die Daten gespeichert werden, wer darauf zugreifen darf und ob die Betroffenen dann darüber informiert werden müssen. "Aber ein Verzicht darauf wäre völlig falsch." Er gehe davon aus, dass man sich mit der SPD rasch einigen werde.

Hans-Peter Uhl (CSU) - Foto: Britta Pedersen (dpa)
CSU-Politiker Uhl: "Ein Verzicht darauf wäre völlig falsch"Bild: picture-alliance/dpa

Der Rechtswissenschaftler Georg Jochum glaubt ebenfalls, dass es möglich ist, eine Regelung zu finden, die auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat. Für ihn ist der zentrale Punkt, wie mit den erfassten Daten umgegangen wird: "Also: Darf das Bundeskriminalamt einfach mal gucken, was denn da so gespeichert ist, oder muss das ein Richter entscheiden? Wie konkret kann ich als Betroffener die Verwendung meiner Daten überprüfen, kann im Fall von Missbrauch Schadenersatz verlangen? Das sind alles Fragen, die der deutsche Gesetzgeber berücksichtigen müsste.''

Da terroristische Straftäter, aber auch das organisierte Verbrechen in der Regel grenzüberschreitend agieren, sei es aus seiner Sicht aber wichtig, das europaweit zu regeln, so Jochum im DW-Interview. Allerdings müsse man auch den verschiedenen Kulturen und Rechtstraditionen in den Mitgliedsländern Rechnung tragen. "Denn es ist natürlich ein Unterschied, ob Sie eine Kultur haben, wie die deutsche, wo es hohe rechtsstaatliche Standards gibt und eine sehr unabhängige Justiz, oder ob Sie Verhältnisse haben, wie in Ungarn, wo das nicht unbedingt in jeder Hinsicht gewährleistet ist."