Datenschutz für Kinder
4. Dezember 2013Abgehört, ausspioniert, mitgeschnitten: Die NSA-Affäre hat Internetnutzern gezeigt, wie gläsern sie wirklich sind. In der ganzen Aufregung um die Datenschnüffelei ist eine große Gruppe von Internetnutzern etwas ins Hintertreffen geraten: Kinder und Jugendliche. Sie gehen am sorglosesten mit ihrer digitalen Präsenz um. Sie posten Bilder bei Facebook, die ihnen möglicherweise später schaden könnten. Webseiten werden "geliked", die ihnen Spam und im schlimmsten Fall sogar Viren auf ihr Gerät schicken können. Sie laden sich eine App nach der anderen auf ihre Smartphones, sind leichte Opfer für die Werbeindustrie, sind immer online und damit theoretisch immer beobachtbar.
"Nerv mich nicht damit"
Der 15-jährige Julian geht in die 10. Klasse eines Gymnasiums in Niedersachsen. Computer und IT sind seine Hobbies seit er fünf Jahre alt ist. Das Internet hatte damals noch nicht so eine große Bedeutung wie jetzt. Doch auch früher schon habe ihn sein Vater gebeten, nicht zu viele Informationen von sich preiszugeben, erzählt der Schüler. "Denn auch damals gab es schon Datensammler."
In seinem Blog beschreibt Julian, wie seine Mitschüler auf ihn reagieren, wenn er sie auf das Thema Datenschutz anspricht und ihnen erklärt, dass Programme wie Facebook oder WhatsApp massive Datensammler sind. Sie reagieren genervt. "Man hat das Gefühl, dass die komplette NSA-Affäre an den Köpfen der Mitschüler vorbeigezogen ist", stellt Julian fest.
Das beobachten auch die Erwachsenen. Es gibt zwar verschiedene Webseiten, die Kindern mehr oder weniger gut erklären wollen, wie sie sich im Netz verhalten sollten. Doch die interessieren sich wenig für solche Seiten, die oft auch noch mit einem erhobenen Zeigefinger daherkommen.
Einzelkämpfer in Sachen Aufklärung
Der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz, Edgar Wagner, wollte da konkreter werden und Kinder und Jugendliche direkt ansprechen. Seit mehr als zwei Jahren bietet seine Behörde Netzsicherheits-Workshops für Schüler an: Junge, technik-affine Leute, die selbst viel im Netz unterwegs sind, gehen an die Schulen und bringen Kindern das sperrige Thema näher. "Die werden gut von den Kindern akzeptiert", so Wagner, "weil sie selbst Facebook-Accounts haben und alle Tricks kennen. Das sind sozusagen junge digitale Autoritäten."
Datenschützer aus anderen Bundesländern sind noch nicht ganz so aktiv, betrachten den umtriebigen Kollegen aus Rheinland-Pfalz jedoch mit "wohlwollendem Auge", wie Wagner schmunzelt. Ernster fügt er hinzu: "Es sind aber auch sehr kleine Behörden auf Landesebene, mit wenig Geld. Ich hatte hier das Glück, dass die Landesregierung meine Projekte finanziell unterstützt hat." So gab es Geld für die Datenschutz-Workshops – und schließlich auch für die Webseite Youngdata.de, die mit einem winzig kleinen Budget und vielen freiwilligen Überstunden enstanden ist.
Klar, verständlich, ohne Anbiedern
Hier wird Kindern und Jugendlichen mit einer natürlichen Ansprache und eben ohne den erhobenen Zeigefinger alles rund um den Datenschutz erklärt. Der 16-jährige Florian ist Schüler aus Nordrhein Westfalen, hat einen Facebook-Account, lädt seine selbst komponierten Musikstücke auf Soundcloud hoch, betreibt einen Youtube-Kanal und kommuniziert mit seinen Freunden über WhatsApp. Ein offenes Datenbuch für Schnüffler. Florian aber ist vorsichtig, sucht sich aus, wer von ihm was wissen darf und stellt es auf den Webseiten entsprechend ein. Er weiß aber auch, dass ihn das nicht hundertprozentig vor fremden Zugriffen schützt. Mit Youngdata.de ist er zufrieden: "Die Startseite ist gut aufgebaut, alles ist verständlich und übersichtlich und es ist nicht zu viel. Wenn ich Datenschutzfragen hätte, wüsste ich genau, wo ich hier suchen soll."
Tatsächlich ist die Seite gut aufgebaut, in einzelnen Menüpunkten findet der Nutzer alles, was er über Facebook, Google, verschiedene Messenger oder über Spielekonsolen und Cybermobbing wissen will. Die meisten Artikel sind kurz gehalten – die wichtigsten Infos stehen am Anfang. So bleiben die Leser auf der Seite und werden nicht von ellenlangen Textbrettern abgeschreckt. Dazu gibt es noch weiterführende Links.
Das Feedback ist positiv – und kommt aus allen Altersklassen. Denn auch Eltern und sogar Großeltern können sich hier bestens informieren. Zwei Wochen nach ihrer Freischaltung hatte Youngdata.de bereits um die 12.000 Zugriffe.
Die Seite gefällt auch dem Hobbyinformatiker Julian: "Sie ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings muss die Seite erst mal besucht werden, und dies sollte auch aus Eigeninitiative geschehen. Sonst werden die Inhalte nur durchgelesen, aber nicht bewusst wahrgenommen."
Zentrale Datenschutzseite
Daran arbeiten Datenschützer Edgar Wagner und seine Kollegen intensiv weiter. "Wir werden an den Schulen weiter die Workshops anbieten. Und dabei auch immer mehr die Webseite einbinden, quasi als digitales Unterrichtsmaterial."
Das Projekt soll in Zukunft auch länderübergreifend funktionieren, davon verspricht sich Wagner erstens eine viel höhere Nutzerzahl und zweitens mehr Manpower. "Die Seite soll künftig die zentrale Datenschutzseite für Kinder und Jugendliche werden, betreut von allen Datenschutzbehörden", wünscht sich Wagner. Als Vorsitzender des Arbeitskreises Datenschutz und Bildung, an dem Bund und Länder beteiligt sind, hat er die besten Chancen dazu. Auch die Schulen werden mit in die Pflicht genommen: indem sie auf ihrer Homepage den Link zu Youngdata.de prominent setzen sollen.
Bis der Umgang mit dem Internet, seinen Vorteilen und seinen Fallen ein fester Bestandteil des Schulunterrichts ist, wird es allerdings noch Jahre dauern. In Rheinland-Pfalz ist es jetzt schon Realität – weil das dortige Bildungsministerium die Datenschützer tatkräftig unterstützt. Die Datenschutzinitiative sollte für den Rest der Republik Modellcharakter bekommen.