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Skandalweg eines Bischofs

Günther Birkenstock11. Oktober 2013

Seit 2008 ist Peter Tebartz-van Elst Bischof von Limburg. Von Anfang an gab es zahlreiche Klagen über seinen autokratischen Stil. Rom und viele deutsche Bischöfe haben ihn lange geschützt, sagt der Theologe David Berger.

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David Berger (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Der Fall des Limburger Bischofs Peter Tebartz-van Elst sorgt bundesweit und inzwischen auch international für Aufsehen. Wie kann sich dieser Bischof so lange im Amt halten? Viele Dinge waren schon im Jahr 2008 bekannt, da hatte es bereits öffentliche Beschwerdebriefe gegeben. Wie ist das zu erklären?

David Berger: Das ist sicher dadurch zu erklären, dass Tebartz-van Elst exakt in das Kirchenbild und Priesterbild gepasst hat, das unter Benedikt XVI. kultiviert worden ist. Benedikt hat in einem seiner Rundschreiben gesagt, nach Gott ist der Priester alles. Das gilt dann natürlich erst recht für den Bischof, der das auch nach außen zeigen muss, dass er unter Gott steht mit einer Selbstinszenierung, die Benedikt selbst praktiziert hat, mit einem Hofzeremoniell, das einen absolutistischen Herrschaftsanspruch zum Ausdruck bringt.

Das ist sicher eines der Motive, warum von Rom aus unter Benedikt immer die schützende Hand über Tebartz-van Elst gehalten worden ist. Es ist interessant, wenn man sich die Karriere von Tebartz-van Elst anschaut, dass er immer so agiert hat, wie es der Karriere dienlich war. Er ist ursprünglich ein sehr liberaler Gelehrter in Münster gewesen, und als er gemerkt hat, dass sich liturgisch unter Benedikt der Wind gedreht hat, ist er zum Reaktionär mutiert und damit verbunden war auch die Idee, dass der Bischof dominant aufzutreten hat. Das ist in Rom gut angekommen, weil er eben so loyal war im Hinblick auf das Denken in Rom unter Benedikt, womit zum Beispiel die Verdrängung der Pastoralreferenten verbunden war. Deshalb hat man zur Belohnung bezüglich seines exzessiven Lebensstils im Hinblick auf Luxuriösität ein Auge zugedrückt, wie das bei anderen loyalen Mitarbeitern in der Kirche auch geschieht.

Bei welchen anderen geschieht das auch?

Das gilt meistens im Hinblick auf das Sexualleben dieser Leute. So lange die loyal sind, drückt man da ein Auge zu. Es wird erst dann zur Erpressung eingesetzt, wenn man sie loswerden möchte. Der Fall des Augsburger Bischofs Walter Mixa war ähnlich. Man hat von Seiten der Bischofskollegen sehr lange zugeschaut. Und als man ihn dann loswerden wollte, hat man dann die Akten ausgepackt, um ihn unter Druck zu setzen, dass er zurücktritt.

Das geschieht derzeit auch mit Tebartz-van Elst. Ich vermute, man ist auch von Seiten der Mitbrüder ganz froh, dass jetzt auf Tebartz geguckt wird und dadurch der Blick nicht so sehr in ihre eigenen Diözesen geleitet wird, denn man muss nur in die Erzdiözese München schauen, wo sich Erzbischof Marx das Palais Hohenstein für 8,7 Millionen Euro hat renovieren und luxuriös ausstatten lassen. Man muss nur nach Rottenburg/Stuttgart schauen, wo die Diözese ein riesiges Palais hingesetzt hat. Häufig - wie zum Beispiel in München - wurde das finanziert mit Geldern, die gar nicht aus dem Kircheneigentum stammen, sondern zu 80 Prozent aus staatlichen Geldern, also dem Geld der Steuerzahler.

Dennoch, wieso gab es kein Korrektiv, nachdem bekannt wurde, wie autokratisch der Limburger Bischof regiert?

Es gab immer wieder Bitten von Laien und Mitbürgern in der Diözese. Aber die wurden eben sofort niedergeschlagen. Das ist eben das hierarchische System in der Katholischen Kirche. Wenn einer einmal an die Spitze gelangt ist und Bischof geworden ist, hat er die Möglichkeit, alles, was an Kritik von unten kommt, niederzumachen. Das hat Tebartz-van Elst sehr gut verstanden. Dadurch können sich solche Bischöfe sehr lange halten, wenn nicht eine andere, größere Macht auf den Plan tritt, nämlich die Medien und solche Fälle bekannt machen, so dass sie dann an höhere Instanzen geraten und die Mitbrüder auch unter Druck geraten und dann zum Handeln gezwungen sind. Und Benedikt hat permanent seine schützende Hand über solche Leute wie Tebartz-van Elst gehalten, was soweit ging, dass er jahrelang auch als der neue Kardinal von Köln gehandelt wurde. Das war einer der Wunschkandidaten von Rom.

Glauben Sie, dass dieser Freifahrtschein für autokratische Willkür, der mit dem Bischofsamt verbunden zu sein scheint, mit dem neuen Papst Franziskus abgeschafft wird?

Ich hoffe das. Aber in Personalfragen ist Franziskus sehr vorsichtig. Der Ton ist sehr gut, aber sobald es an die Sache geht, ist er sehr zögerlich. Aber was durch den neuen Ton aus Rom entstanden ist, dass die Bischofskollegen sich nicht mehr so sicher fühlen und jetzt versuchen, auf diesen neuen Kurs einzuschwenken. Das könnte die Chance bieten, deutliche Veränderungen herbeizuführen.

David Berger ist römisch-katholischer Theologe, Philosoph und Chefredakteur des schwulen Zeitschriftenmagazins "Männer". In seinem 2010 erschienenen Buch "Der Heilige Schein" beschreibt und kritisiert er Machtstrukturen und Vorgänge in der Katholischen Kirche. Nach seinem Coming-out als Homosexueller entzog ihm im Mai 2011 das Erzbistum Köln die kirchliche Lehrberechtigung zur Erteilung von katholischem Religionsunterricht.

Das Interview führte Günther Birkenstock