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Davos 2017: Die große Unsicherheit

Andreas Becker z.Zt. Davos
16. Januar 2017

Zur 47. Ausgabe wartet das Weltwirtschaftsforum in Davos wieder mit viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft auf. Allerdings zeigen Motto, Themen und Gästeliste, dass auch die globale Elite verunsichert ist.

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Bild: DW

Er, Klaus Schwab, ist nicht schuld. Und das von ihm 1971 gegründete World Economic Forum (WEF) auch nicht. Nicht schuld in der wirtschaftlichen Ungleichheit in vielen Gesellschaften, nicht schuld an der wachsenden Angst vor an Globalisierung, nicht schuld auch an der Gegenbewegung, den Erfolgen der Populisten beim Brexit-Votum in Großbritannien und der Präsidentschaftswahl in den USA.

So jedenfalls könnte man das Zitat verstehen, mit dem Schwab die Pressekonferenz zum 47. Weltwirtschaftsforum in Davos eröffnete. Er verlas einen Text, den er selbst vor mehr als 20 Jahren geschrieben hatte. Darin hatte er vor zunehmendem Populismus gewarnt und gefordert, Globalisierung müsse sich für die Mehrheit der Bevölkerung lohnen und nicht nur für eine kleine Elite.

Das gelte auch heute noch, so Schwab. "Jeder Versuch, die komplexen globalen Herausforderungen mit einfachen Lösungen anzugehen, ist zum Scheitern verdammt", sagte Schwab. "Wir dürfen nicht allein auf populistische Lösungen vertrauen."

Sein Weltwirtschaftsforum sieht Schwab geradezu als Gegenentwurf. Jedes Jahr versammelt es in Davos eine Vielzahl von Sichtweisen und Stimmen - Politiker, Unternehmer und Investoren, aber auch Wissenschaftler, Nichtregierungsorganisationen und sozial Engagierte.

Schweiz Klaus Schwab PK in Cologny bei Genf
"Nicht auf populistische Lösungen vertrauen": WEF-Gründer und Präsident Klaus SchwabBild: Reuters/P. Albouy

Jahrestreffen der globalen Elite

Und dennoch ist das Weltwirtschaftsforum wie keine andere Veranstaltung ein Jahrestreffen der globalen Elite, des weltweiten Establishments. Hier trifft politische Macht auf finanzielle Kraft. Und hier wird seit Jahren gepredigt, dass mehr Globalisierung, mehr grenzüberschreitender Handel und weniger Barrieren für internationale Kapitalanleger die Welt zu einem besseren Ort machen.

Doch die alten Gewissheiten werden zunehmend angezweifelt. Gerade in westlichen Demokratien fragen sich viele Menschen, ob ihnen die Globalisierung und der damit verbundene weltweite Wettbewerb nicht mehr Nach- als Vorteile gebracht haben. Beim Brexit-Votum der Briten spielte das eine Rolle, bei der Wahl Donald Trumps ebenso.

Schwab plädiert dagegen für Solidarität und Ausgleich. "Jede Marktwirtschaft bringt Gewinner und Verlierer hervor", sagt er. "Nachhaltig ist das System nur, wenn es zwischen Gewinnern und Verlierern genug Solidarität gibt."

Das Motto in diesem Jahr lautet "Anpassungsfähige und verantwortungsvolle Führung" (responsive and responsible leadership). Es ist eine Anspielung auf die wachsende Entfremdung zwischen großen Teilen der Bevölkerung und ihren Eliten, und auf den Vertrauensverlust von Institutionen.

Wer kommt - und wer nicht

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Teilnahme am WEF abgesagt, offiziell aus Termingründen. Stattdessen reisen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Davos. Frankreichs Präsident Francois Hollande bleibt zu Hause, Italiens neuer Ministerpräsident Paolo Gentiloni ebenfalls. Immerhin kommt die britische Premierministerin Theresa May - auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass sie in den Alpen mit konkreten Plänen zum Brexit aufwarten wird.

Weil Donald Trump am 20. Januar, dem letzten WEF-Tag, vereidigt wird, fehlen viele wichtige Politiker aus den USA. Es kommt der frühere Hedgefonds-Manager Anthony Scaramucci, der als Teil von Trumps Übergangsteam die Amtsübernahme vorbereitet hat.

Trump wird, trotz Abwesenheit, das diesjährige Forum dominieren. Wird er die USA wirtschaftlich abschotten? Wird er Freihandelsabkommen und Klimaverträge kündigen? Wie wird seine Politik gegenüber China aussehen? All diese Fragen werden sicher gestellt, aber in Davos nicht beantwortet.

Doch Klaus Schwab hat noch ein Ass im Ärmel, das die Blicke auf den Schweizer Winterkurort lenken wird. Xi Jinping, Präsident der Volksrepublik China, wird das WEF beehren und auch eine Rede halten. Es ist der erste Besuch eines chinesischen Staatschefs seit 2003.

China ist keine Demokratie, und Xi muss nicht die Wut der Wähler fürchten. Seine Teilnahme in Davos ist für Schwab dennoch "besonders relevant angesichts unseres diesjährigen Mottos 'Anpassungsfähige und verantwortungsvolle Führung'": "Was die wirtschaftliche Macht angeht, wird China bald mit den USA gleichziehen. Ich erwarte daher, dass Präsident Xi aufzeigen wird, wie China in globalen Angelegenheiten eine anpassungsfähige und verantwortungsvolle Führungsrolle übernehmen wird."

China Peking Präsident  Xi Jinping
Stargast beim 47. World Economic Forum: Chinas Präsident Xi JinpingBild: picture-alliance/Photoshot/Li Tao

Neue Rekorde

Mehr als 3000 Spitzenpolitiker, Wirtschaftsbosse und Wissenschaftler werden in Davos teilnehmen - so viele wie noch nie. Angekündigt ist auch der neue UN-Generalsekretär Antonio Guterres. "Alle wichtigen internationalen Organisationen werden in Davos vertreten sein", sagte Schwab. "Auch alle großen Staatsfonds dieser Welt werden durch ihre Top-Führungskräfte vertreten sein."

Hinzu kommen private, oft nicht minder potente Anleger wie Ray Dalio, Chef von Bridgewater, dem weltgrößten Hedgefonds, Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, oder Microsoft-Gründer Bill Gates, nun Vorsitzender der mit Abstand größten privaten Stiftung der Welt.

Denn auch dies gehört zu den festen Ritualen von Davos: Staatschefs und Minister versuchen beim WEF, die weltweite Finanzelite davon zu überzeugen, in ihren Ländern zu investieren.

Hauptsache Führer

Inhaltlich drehen sich die zahlreichen Diskussionen, Vorträge und Workshops in diesem Jahr um mehrere große Leitthemen: die Belebung der schwachen Weltkonjunktur, Kapitalismus-Reformen, um eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, die Frage, wie dem Vertrauensverlust von Regierungen und Institutionen begegnet werden kann, und die vierte industrielle Revolution, also die Auswirkung von Digitalisierung auf Beschäftigung und Wohlstand.

Auch die Kultur darf in Davos nicht fehlen. Die 40 anwesenden Künstler werden im WEF-Jargon "kulturelle Führer" genannt. "Wir arbeiten mit kulturellen Führern zusammen, weil sie ihr Ohr beim Volk haben und den Mächtigen die Wahrheit sagen können", so Emma Benameur, die für die Programmplanung der Tagung zuständig ist.

Die Gewinner der Crystal-Awards, mit denen traditionell am Eröffnungsabend Künstler auszeichnet werden, stehen bereits fest: die deutsche Geigerin Anne-Sophie Mutter, die kolumbianische Popsängerin Shakira und der US-Schauspieler Forest Whitaker werde für ihr soziales Engagement geehrt.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.