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Davos: Der freundliche Brexit

Andreas Becker z.Zt. Davos
19. Januar 2017

Nach ihrer Ankündigung eines harten Brexit zu Wochenbeginn gab sich die britische Regierungschefin in Davos versöhnlich. Trotzdem wurde hier sogar über ein Ende der EU gesprochen. Aus Davos Andreas Becker.

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Schweiz Theresa May Brexit Rede in Davos
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Euler

Gleich zwei große Banken haben in Davos angekündigt, wegen des geplanten britischen Austritts aus der Europäischen Union (EU) Jobs aus Großbritannien abzuziehen. Axel Weber, Chef der Schweizer UBS, sagte, 1000 der 5000 Arbeitsplätzen in London könnten betroffen sein. Und HSBC-Chef Stuart Gulliver kündigte an, seine Bank werde Arbeitsplätze nach Paris verlagern, die für rund ein Fünftel der bisherigen Londoner Geschäfts erwirtschaftet haben.

Die britische Premierministerin Theresa May ging beim Weltwirtschaftsforum nicht auf die angekündigten Stellenverlagerungen ein. Sie sagte lediglich, dass Großbritannien "ein bedeutender Wandel bevorstehe", dass die Verhandlungen mit der EU "hart" werden, und der Weg "manchmal ungewiss".

Sanfte Töne

Noch am Dienstag hatte May in London einen "harten Brexit" angekündigt, also auch den Ausstieg aus dem Binnenmarkt. In Davos war sie nun sehr bemüht, versöhnlichere Töne anzuschlagen. Das war ganz im Sinne des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble, der auf dem Forum vor Muskelspielen warnte. "Wir sollten einander nicht drohen, bevor die Verhandlungen starten", sagte Schäuble.

Theresa May vermied in Davos, auch nur das kleinste konkrete Detail zu ihren Verhandlungszielen zu nennen. Ihrer Rede war nicht einmal zu entnehmen, dass es verschiedene Brexit-Optionen gibt.

Kein Wort auch zu ihren am Dienstag angekündigten Plänen, Großbritannien in ein Steuerparadies zu verwandeln, um Unternehmen anzulocken. Nur eine sehr allgemeine Einladung an Unternehmer und Investoren: "Großbritannien wird immer offen für Business sein, offen für Investitionen in Firmen und Infrastruktur, offen für Kunden, Talente und Möglichkeiten."

"Keine Zurückweisung"

In Richtung der anderen EU-Staaten sagte May: "Es ist in Großbritanniens Interesse, dass die EU als Organisation erfolgreich sein wird." Der geplante Austritt sei "keine Zurückweisung unserer Freunde in Europe und auch kein Versuch, sich von der EU zu distanzieren", so May. Es sei aber Ausdruck des Wunsches der Briten, ihr Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen. "Wir werden ein selbstbewußtes Land sein, das sein Schicksal wieder selbst kontrolliert.

Ana Botín, die Aufsichtsratsvorsitzende der spanischen Großbank Santander, bedauerte die Brexit-Entscheidung. "Für mich war das ein trauriger Tag", sagte sie in Davos. "Aber ein klarer Ausstieg heißt ja nicht, dass wir nicht weiter zusammenarbeiten können." Ihre Bank bleibe dem UK-Geschäft "völlig verpflichtet", so Botín. "Wir haben dort 14 Millionen Kunden und 18.000 Angestellte und sind auch eine britische Bank."

Aller versöhnlichen Töne zum Trotz sorgte der Brexit in Davos für hitzige Diskussionen. Für die EU seien die anstehenden Verhandlungen "ein harter Test", sagte der slowakische Außenminister Miroslav Lajcák. "Wir müssen beweisen, dass wir gemeinsam handeln können, dass wir zusammenzustehen, und dass wir wissen, was wir wollen."

Hitzige Diskussionen

Doch der gemeinsame Wille ist genau das große Problem der Europäer. Mark Rutte, der niederländische Premierminister, erteilte stärkerer politischer Integration eine deutliche Absage: "Diese ganze Idee einer immer engeren Union ist inzwischen endgültig begraben, das ist vom Tisch."

Das ließ Martin Schulz, bis vor wenigen Tagen noch Präsident des Europäischen Parlaments, aus der Haut fahren. Wenn sich Staats- und Regierungschefs so äußern wie der niederländische Premier, "dann hat die Europäische Union in Zukunft keine Chance", sagte der Deutsche. "Ich erwarte von europäischen Führungsfiguren wie Mark Rutte, dass sie sagen: Wir müssen jetzt zusammenstehen, und zwar mehr als je zuvor."

Worauf Rutte kühl entgegnete, das romantische Gerede von einem europäischen Superstaat sei die schnellste Art, die EU scheitern zu lassen. Aus seiner Sicht können nur Pragmatismus und wirtschaftliche Reformen die EU retten: "Es ist wichtig, dass Frankreich und Italien endlich ihre Reformen umsetzen", so Rutte. "Falls nicht, wird Europa in eine sehr schwierige Lage geraten."

Brexit, Pragmatismus, Einheit und Strukturreformen - auch in Davos wurde deutlich, dass die Zukunft der EU noch völlig offen ist.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.