Ton zwischen Ankara und Moskau wird rauer
9. Dezember 2015Der Konflikt zwischen der Türkei und Russland eskaliert seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei an der syrischen Grenze am 24. November. "Russland versucht, ethnische Säuberungen - Sie können das schreiben, ethnische Säuberungen - im Norden Latakias auszuführen", erklärte jetzt Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bei einem Gespräch mit Korrespondenten westlicher Medien in Istanbul.
"Sie wollen dieses Gebiet ethnisch säubern, damit die Basen des Regimes und Russlands in Latakia und Tartus geschützt werden", sagte Davutoglu. "Sie wollen in diesem Teil Syriens keine sunnitisch-arabische oder turkmenische Bevölkerung haben."
90 Prozent der russischen Angriffe in Syrien gälten der moderaten Opposition. "Ihr Kampf ist nicht gegen den IS (Islamischen Staat)". Davutoglu behauptete, Russland bombardiere besonders die Region um Asas, die eine Hochburg der gemäßigten Kräfte sei. "Also wer hilft hier dem IS? Die Türkei oder Russland?" Zudem kämpfe die Opposition in Asas gar nicht gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad, sondern gegen die Dschihadisten.
Davutoglu sagte, seine Regierung sei "verärgert und enttäuscht" über die russischen Luftangriffe in Syrien, die einen neuen Ansturm von Flüchtlingen auslösen könnten. "Wenn das anhält, verlassen von Aleppo bis Latakia drei Millionen Menschen (die Region). Wenn diese Bombardements andauern, kann ich ihnen nicht sagen, wie viele Millionen in die Türkei kommen könnten."
Der russische Außenminister Sergej Lawrow beschuldigte wiederum die Türkei, IS-Terroristen zu unterstützen. Unter anderem würden mit dem Wissen Ankaras verletzte Kämpfer in der Türkei medizinisch versorgt, sagte Lawrow laut Agentur Interfax.
Russland warnte die Türkei vor einer Eskalation der Lage in Nahost etwa durch eine mögliche Entsendung von Soldaten nach Syrien. Die UN-Vetomacht erwarte, dass Ankara in Syrien keine neuen "unbesonnenen Schritte" unternehme wie etwa zuvor im Irak, sagte UN-Botschafter Witali Tschurkin im UN-Sicherheitsrat in New York.
Im Streit um den Flugzeugabschuss hatte die Türkei den Russen am Dienstag mit der Verhängung von Gegensanktionen gedroht. "Russland hat Sanktionen verhängt. Wenn wir es für notwendig halten, werden wir unsere eigenen Sanktionen verhängen", so Davutoglu vor Abgeordneten seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP).
Moskau hatte eine Reihe von Strafmaßnahmen verhängt. Sie richten sich insbesondere gegen den Tourismus-, den Energie- und den Agrarbereich. Davutoglu sagte, seine Regierung bereite "alternative Pläne" vor. Zugleich betonte er erneut seine Bereitschaft zu Gesprächen mit Moskau.
SC/qu (APE, rtr, afp, dpa)