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"EU-Asylpolitik gefährdet Freizügigkeit"

20. August 2015

Die hohe Zahl an Flüchtlingen stellt nicht nur Länder und Kommunen vor Probleme. Der Bundesinnenminister wägt auch seine Worte, wenn es um die offenen Grenzen innerhalb der EU geht. Deutet sich ein Kurswechsel an?

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Asylbewerber in Berlin-Spandau (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/S. Loos

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat vor einer Überforderung Deutschlands bei der Aufnahme von Flüchtlingen gewarnt. Innerhalb der EU müssten Asylbewerber ausgewogen verteilt werden, verlangte der CDU-Politiker im ZDF-"Morgenmagazin".

Die für dieses Jahr prognostizierte Zahl von rund 800.000 Asylbewerbern werde Deutschland "verkraften", erklärte der Minister. "Auf Dauer allerdings sind 800.000 für ein solches Land wie Deutschland zu viel." Die Bundesrepublik nehme derzeit 40 Prozent aller Flüchtlinge in der EU auf. Das müsse sich ändern.

Warnung - aber "keine Drohung"

De Maizière erneuerte seine Warnung, Deutschland könnte von den bisherigen EU-Regelungen zu Grenzkontrollen und Flüchtlingsverteilung abrücken. Wenn andere Staaten sich "nicht an Recht und Gesetz" hielten und das Dublin-System nicht funktioniere, "dann brauchen wir ein anderes System". Offene Grenzen könnten nur in einem "intern ausgeglichenen" Rahmen Bestand haben, sagte er. Am Mittwoch hatte de Maizière eine gleichlautende Mahnung noch abgeschwächt: Dies sei "keine Drohung" damit, wieder Grenzkontrollen einzuführen.

Das Dublin-System schreibt vor, dass Flüchtlinge in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten. Seit längerem kommt aus Deutschland aber scharfe Kritik daran, dass Flüchtlinge aus anderen Ländern wie Italien oft ungehindert weiterreisen können. Systematische Grenzkontrollen gibt es innerhalb des Schengen-Raums seit längerem nicht mehr.

Thomas de Maiziere präsentiert die neueste Flüchtlingsprognose für Deutschland (Foto: dpa)
Thomas de Maiziere präsentiert die neueste Flüchtlingsprognose (19.08.2015)Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

"Neuzeitliche Völkerwanderung"

Auch die CSU drängt die Europäische Union, sich "mit höchster Priorität" um die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu kümmern. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der Deutschen Presse-Agentur, die EU-Kommission müsse nun schnellstens europäische Asylzentren einrichten. Die neue Flüchtlingsprognose zeige klar: "Wir erleben eine neuzeitliche Völkerwanderung."

Die von Innenminister de Maizière am Mittwoch veröffentlichte Prognose von 800.000 Flüchtlingen allein in diesem Jahr liegt fast doppelt so hoch wie der bisherige Höchststand. Der wurde 1992 erreicht, als 440.000 Asylbewerber nach Deutschland kamen.

"Syrer schneller anerkennen"

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verlangt eine gesonderte Anerkennungsstrategie für Asylbewerber aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Sie schließt sich damit einem Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an.

Bei Syrern sei sicher, dass sie in Deutschland Asyl bekämen, sagte Dreyer im ZDF-"Morgenmagazin". Falls diese Menschen "auf einem anderen Weg" anerkannt würden, könnte dies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entlasten. Das BAMF, das für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig ist, sei momentan "der Engpass".

Angesichts der Nöte vieler Kommunen, Flüchtlinge angemessen unterzubringen, hat sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) derweil gegen eine Einquartierung in leerstehenden, maroden Wohnhaus-Blöcken oder ehemaligen Kasernen der DDR-Armee ausgesprochen. Es helfe niemandem, "wenn wir hier Ghettos schaffen", sagte Woidke im rbb-Inforadio.

FAZ: 10 Milliarden Euro

Die Bundesländer müssen nach Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) für die Versorgung von Flüchtlingen im laufenden Jahr rund zehn Milliarden Euro aufbringen. Die Kostenschätzung ergebe sich aus den jüngsten Prognosen des Innenministers und der Pauschale pro Flüchtling, die einige Länder an Kommunen oder Landkreise zahlten. Diese liege im Durchschnitt bei 12.500 Euro. Bei der Berechnung wurde davon ausgegangen, dass die Länder die Flüchtlinge etwa zwölf Monate lang versorgen müssen.

jj/rb (dpa, afp)