Debakel in der Kulturhauptstadt
26. Dezember 2014Auf 85 Metern Länge und 16 Metern Breite überspannte "The Passenger" eine Straße mitten in der Innenstadt von Mons. Wie ein gigantisches Astwerk zog sich die Holzlatten-Konstruktion des flämischen Künstlers Arne Quinze über Wege für Autofahrer und Fußgänger. An Heiligabend gab die Installation an einer zentralen Stelle nach, Teile stürzten zu Boden. Menschen wurden dabei zum Glück nicht verletzt. Die betroffene Straße wurde gesperrt. Das Werk war eigentlich als eine der Hauptattraktionen der Kulturhauptstadt 2015 gedacht.
Technisches Versagen
Ersten Erkenntnissen zufolge, ist der Einsturz durch Materialfehler verursacht worden. "Es scheint, dass einer der tragenden Holzbalken zu schwach gewesen ist - entgegen der ganzen technischen Untersuchungen, die von den Ingenieuren gemacht wurden", sagte der Künstler Arne Quinze der belgischen Zeitung "Le Soir". Der Künstler und die Festivalleitung zeigten sich nach dem Einsturz vor allem erleichtert darüber, dass dieser nur Sachschäden verursachte. "Das ist ein Schock, aber das Wichtigste ist, dass niemand verletzt wurde", kommentierte der sofort nach Mons geeilte Quinze.
Mit Spannung werden nun die Ergebnisse der Untersuchung zur Unglücksursache erwartet. Quinze hat in der Vergangenheit etliche ähnliche Kunstwerke in Städten wie Paris, München oder Brüssel errichtet, ohne dass irgendetwas passierte. Auch ein Sabotageakt wurde deswegen zunächst nicht ausgeschlossen. Mehrere Lokalmedien wiesen daraufhin, dass das rund 400. 000 Euro teure Kunstwerk nicht nur Anhänger gehabt habe.
Wiederaufbau bis zur Eröffnung fraglich
Der durch eine gescheiterte Ehe mit Boris Beckers Ex-Frau Barbara auch außerhalb der Kunstszene bekanntgewordene Belgier hatte das aus Tausenden Holzlatten bestehende Werk erst im November fertiggestellt. Ob "The Passenger" bis zur offiziellen Eröffnung des Festivaljahres wieder aufgebaut werden kann, ist noch unklar.
Am 24. Januar eröffnet die belgische Stadt Mons unter dem Thema "Éblouissement" (Bezauberung) ihr Kulturhauptstadtjahr. Für mehr als 68 Millionen Euro hat die wallonische Stadt rund 300 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Zu den Höhepunkten zählt eine Werkschau zu Van Gogh, mit der das Kulturhauptstadtjahr startet. Gezeigt werden rund 70 Werke des niederländischen Malers, der zwischen 1878 und 1880 in dem Bergarbeiterdorf Borinage in der Nähe von Mons lebte und malte.
Im Frühjahr werden fünf Museen eingeweiht, darunter auch das Memorial Museum, das den beiden Weltkriegen gewidmet ist. Der Herbst ist den Renaissance-Künstlern und Komponisten der Stadt gewidmet.
Kulturhauptstädte in Belgien und Tschechien
Die zweite europäische Kulturhauptstadt ist 2015 das tschechische Plzen (Pilsen). Dort wird das Kulturjahr unter dem Motto "Pilsen, open up!" (Pilsen, öffne dich!) am 17. Januar mit den neuen Glocken der Kathedrale eingeläutet. Insgesamt finden in Pilsen 2015 rund 50 große Kulturveranstaltungen und mehr als 600 weitere Aktionen statt. Das Programm erstreckt sich von Theater und Musik über Ausstellungen, künstlerische Installationen bis zu Bildungsprojekten. Von Januar bis Ende September fährt in dem Zugverbindung zwischen Prag und München an den Wochenenden ein Sonderwagen mit eingebauter Bühne mit.
Mons und Pilsen lösen die Städte Umeå in Schweden und die lettische Hauptstadt Riga ab, die 2014 den Titel "Kulturhauptstadt Europas" trugen. Die Europäische Union vergibt den Titel seit 1985, um den "Reichtum und die Vielfalt der Kulturen Europas hervorzuheben", den Tourismus zu fördern und das Image der Städte zu verbessern. Erste Kulturhauptstadt war Athen, Berlin führte den Titel 1988.
cw/wl (dpa, kna)