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PolitikAsien

Chinas Bemühungen um Partner in der Raumfahrt

Dang Yuan
27. Oktober 2023

Bereits vor dem erfolgreichen Start der bemannten Mission Shenzhou-17 bot Chinas Raumfahrtbehörde ausländischen Astronauten Mitfahrgelegenheiten an. Die USA mauern, Europa zögert.

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Die Rakete Shenzhou-17 bringt drei Taikonauten ins All
Drei chinesische Taikonauten sind an Bord der Shenzhou-17 am 26. Oktober ins All gestartetBild: Li Gang/Xinhua/picture alliance

Chinas Raumfahrtprogramm ist gespickt mit mythologischen Anspielungen: Das chinesische Schriftzeichen "Himmel" 天 basiert auf dem Schriftzeichen "Mensch" 人. Frei interpretiert: Der Kosmos ist das "Übermenschliche".

In der chinesischen Tradition finden sich zahlreiche Motive vom Menschen, die in den Himmel aufsteigen und den Weltraum erforschen. Diese Symbole und Anspielungen nutzt China, um zu signalisieren, dass der Weltraum frei sein sollte von politischen und ideologischen Differenzen.

Zugleich ist aber seit dem "Wettlauf ins All" zwischen der damaligen Sowjetunion und den USA während des Kalten Krieges in den 1950er- und 60er-Jahren klar, dass Raumfahrt immer auch politisch ist. Es geht um technologische Überlegenheit, die Innovations- und Wirtschaftskraft einer Nation.

Chinas Raumstation offen für ausländische Astronauten

Weltraumgroßmacht China

Dass China zu den Weltraumgroßmächten zählt, zeigte sich am Donnerstag, als sich drei Taikonauten mit dem "Göttlichen Schiff" Shenzhou-17 auf den Weg zur chinesischen Raumstation Tiangong machten. Zehn Minuten Flug, sechseinhalb Stunden Andockmanöver. Nun sind sie wohlauf im Himmelspalast angekommen.

Nach zwei erfolgreichen Vorgängern (Tiangong-1 (2011-2017) und Tiangong-2 (2016-2019) baut China seit 2021 allein am neuen Himmelspalast, mit einem Kern- und zwei Wissenschaftsmodulen. Der Bau wurde im November 2022 abgeschlossen. Drei Raumschiffe, ein Versorgungsraumschiff und zwei Raumkapseln, können gleichzeitig andocken.

Außenbordeinsatz auf der Raumstation Tiangong im Februar 2023
Außenbordeinsatz am Himmelspalast im Februar 2023Bild: Liu Fang/Xinhua/IMAGO

Klein, aber fein

Die chinesische "Drei-Zimmer-Wohnung", wie die Raumstation in der chinesischen Presse beschrieben wird, ist mit ihren 100 Tonnen Gewicht deutlich schlanker als dieInternational Space Station ISS (circa 450 Tonnen). Sie ist für fünfzehn Jahre auf einer Flughöhe von etwa 450 Kilometern konzipiert.

Vor Kurzem kündigte China auf einer Fachtagung in Aserbaidschan an, in den kommenden Jahren die Anzahl der angedockten Module von derzeit drei auf sechs zu verdoppeln.

China sei bereit, mit ausländischen Raumfahrenden zum Tiangong zu fliegen, sagte Lin Xiqiang, Vizechef des chinesischen bemannten Raumfahrtprogramms, kurz vor dem Start von Shenzhou-17.

"Wir möchten alle Länder, die sich für die friedliche Nutzung des Weltraums einsetzen, zur Zusammenarbeit mit uns einladen, um gemeinsame Missionen zur chinesischen Raumstation durchzuführen."

Taikonauten grüßen vor dem Start der Shenzhou-17 militärisch
Der militärische Gruß gehört zu Chinas RaumfahrtprogrammBild: Li Zhipeng/picture alliance

Start mit militärischem Gruß

Die Federführung für die Raumfahrt hat Chinas Volksbefreiungsarmee. Die Auswahl und Ausbildung der Raumfahrer sind ebenfalls eng mit dem Militär verbunden.

Unter den 18 Taikonauten, davon zwei Frauen, konnte bisher nur ein ziviler Hochschullehrer bei der letzten Mission als Nutzlastexperte ins All fliegen. Aber auch er legte beim Abheben vom Shenzhou-16, wie alle Raumfahrenden vor ihm, die rechte Hand an den Helm als Ehrenbezeigung für Militär und Vaterland. 

Die Liste der Erfolge und der Pläne Chinas ist lang: Landung der Mondsonde auf der erdabgewandten dunklen Seite 2019, Landung eines Marsrovers 2021, Installation eines dritten Weltraumteleskops bis 2024, das für die Betankung und Versorgung an die Raumstation angedockt wird, und die erste bemannte Mondmission bis 2030.

Im Wettlauf um die Vorherrschaft im All sind die Chinesen ihren amerikanischen Konkurrenten der National Aeronautics and Space Agency (NASA) dicht auf den Fersen. Derzeit ist neben dem Himmelspalast nur noch die ISS mit einer ständigen Besatzung seit 2000 in Betrieb.

China konnte sich infolge der Ablehnung der USA nicht an diesem internationalen Raumfahrtprojekt beteiligen. Technisch gesehen ist der Betrieb der ISS noch bis 2030 möglich. Spätestens dann wäre Tiangong der einzige Außenposten der Menschheit im Orbit.

"China ist schon heute eine Großmacht im Weltraum und beherrscht das ganze Spektrum der Raumfahrtdisziplinen", resümiert der ehemalige Astronaut der Europäischen Weltraumorganisation ( ESA) aus Deutschland, Thomas Reiter, im DW-Interview. Er verbrachte insgesamt 350 Tage 4 Stunden und 55 Minuten im Weltraum. "Damit ist das Land auf Augenhöhe mit den anderen Raumfahrtnationen der Welt, den USA und Russland."

Ansichten der Internationalen Raumstation, aufgenommen von der SpaceX Crew Dragon
Die Internationale Raumstation ISS wird voraussichtlich bis 2030 außer Dienst gestelltBild: NASA/UPI Photo/Newscom/picture alliance

Ideologie im Orbit

Neue Erfolge im Weltraum sind für die Pekinger Regierung immer ein guter Anlass, das Nationalgefühl anzuheizen und von den eigentlichen Schwierigkeiten wie ausbleibender Konjunktur oder hoher Jugendarbeitslosigkeit abzulenken. Die ganze Nation und die ganze Welt sollen vom ehrgeizigen Programm beeindruckt werden. Das Staatsfernsehen übertrug den Start live in seinem vierten Programm CCTV-4, das weltweit zu empfangen ist.

Zuschauer in den USA sind ausdrücklich erwünscht. Denn die Rivalität zwischen China und den USA wird in der Schwerelosigkeit fortgesetzt. Die USA verbieten nämlich per Gesetz jegliche Aktivitäten der NASA im Zusammenhang mit der chinesischen Raumfahrt.

"Beim Griff nach den Sternen ringen China und die USA nicht nur um nationales Prestige und die globale technologische Führungsrolle, sondern auch um geopolitischen Einfluss und militärische Macht", schreibt Johann C. Fuhrmann, der seit 2021 das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking leitet.

Ex-Astronaut Thomas Reiter über Chinas Rolle im All

"Nicht nur militärisch muss sich China nach eigenem Verständnis in diesem Konflikt behaupten können, sondern auch auf allen anderen Sektoren, auf denen die USA der Volksrepublik überlegen" scheint, schreibt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer Studie vom März 2023.

"Den Aufbau eigener Fähigkeiten treibt China vor allem dort voran, wo seine nationale Sicherheit be­troffen ist, etwa in der Grundlagenforschung und bei Kerntechnologien wie Halbleitern und neuen Materialien, wie sie unter anderem in der Luft- und Raumfahrt oder der Biomedizin verwendet werden." 

Ins Raumfahrtrennen ist inzwischen auch Indien, Chinas großer Konkurrent in Asien, eingestiegen. Nach der erfolgreichen Mondlandung im August diesen Jahres, kündigte das Land an, bis 2035 eine eigene Raumstation bauen und bis 2040 auf dem Mond landen zu wollen.

ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher (m.) bei Vorstellung des neuen Astronautenkorps im Mai 2023
ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher (m.) bei der Vorstellung des neuen Astronautenkorps im Mai 2023Bild: Zulfikar Abbany/DW

Europa unentschieden

Und Europa? Ganz früh entdeckte die europäische Raumfahrtbehörde ESA das Potenzial des ambitionierten Programms im "Reich der Mittel". China investierte sehr viel Geld in die Erforschung des Weltalls.

Viele ESA-Astronauten hatten intensive Sprachprogramme für Chinesisch absolviert, unter anderem der deutsche Raumfahrer Mathias Maurer. 2017 nahm er in China mit chinesischen Kollegen an einem Überlebenstraining auf hoher See teil, um die eventuelle Landung auf See vorzubereiten.

"Ich halte eine Zusammenarbeit mit China für sehr wichtig. Das Land wird neben den USA und Russland eine der großen Weltraumnationen der Zukunft sein", sagte Maurer damals. Doch es kam anders. Maurer war von 2021 bis 2022 176 Tage auf der ISS.

Die ESA müsse sich auf ihre Verpflichtungen in der ISS konzentrieren, sagte Generaldirektor Josef Aschbacher auf der Jahrespressekonferenz im Januar 2023. "Im Moment haben wir weder aus Haushaltsgründen noch aus politischen Gründen grünes Licht oder die Absicht, uns in einer zweiten Raumstation zu engagieren, das heißt, in der chinesischen Raumstation", so Aschbacher. Auch wenn die chinesische Raumstation nicht darunter ist, zählt die chinesische Raumfahrtagentur CNSA derzeit zehn gemeinsame Projekte mit der ESA.

Thomas Reiter vor einem Modell der Internationalen Space Station (ISS)
Ex-ESA-Astronaut Thomas Reiter verbrachte 350 Tage im AllBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Geopolitischer Spannung trotzen

"Die Raumfahrt und die Wissenschaft im Allgemeinen sollten in solchen Situationen die Möglichkeit bieten, Kommunikationskanäle aufrechtzuerhalten", sagt der ehemalige Raumfahrer Reiter. "Wenn sich die Wogen etwas geglättet haben, soll man den Gesprächsfäden mit China wieder aufnehmen und nach Projekten suchen."

Da die Raumfahrt viel Planung Jahre im Voraus erfordert, wünscht sich Reiter, dass bald die Weichen gestellt werden, damit ESA-Raumfahrende in den Himmelspalast fliegen können. "Die ESA hat jüngst das neue Astronautenkorps ausgesucht. Vielleicht spielen einige Mitglieder mit dem Gedanken, Chinesisch zu lernen, um im Falle der Fälle zum Einsatz zu kommen."

Er selbst war bei seinem ersten Weltraumeinsatz in der russischen Raumstation Mir stationiert. "Alles war in russischer Sprache beschriftet. Man hat nur Russisch gesprochen. Bei meinem zweiten Einsatz auf der ISS war es in den russischen Modulen genau so. Aber in der Erdumlaufbahn befindet sich eine große internationale Forschergruppe. Wenn sich diese internationale Zusammenarbeit fortsetzen kann, dann wäre das natürlich absolut zu befürworten."