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Brisantes Déjà-vu: Serbien gegen Schweiz

30. November 2022

Wie bereits bei der Fußball-WM vor vier Jahren in Russland spielen Serbien und die Schweiz um das Achtelfinale. Dabei wird die Partie im Vorfeld von politischen Provokationen überschattet. Bleibt es diesmal ruhig?

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Fussball WM 2018 | Schweiz - Serbien | Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka
Die Schweizer Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri zeigen bei der WM 2018 im Spiel gegen Serbien den "albanischen Adler"Bild: Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa/picture alliance

Genau wie bei der Fußball-WM 2018 in Russland treffen am Freitag Serbien und die Schweiz aufeinander. Die Tore beim 2:1-Sieg für die Schweiz erzielten damals Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, beide mit kosovo-albanischen Wurzeln. Ihre Treffer feierten sie mit dem "albanischen Adler", ein Symbol der Abgrenzung von Serbien. Jetzt haben die Serben mit einem nationalistischen Foto aus ihrer Umkleidekabine einen Skandal ausgelöst.  

Nach außen hin geben sich Shaqiri und Xhaka gelassen ob der aktuellen Provokation. "Ich bin professionell genug. Ob wir gegen Kamerun, Brasilien oder Serbien spielen. Für mich ist es dasselbe Spiel", sagte Xhaka gegenüber der DW. Ähnlich klingt das auch von Shaqiri: "Das Spiel sollte sportlich ausgetragen werden. Alles andere interessiert mich nicht." Eine Anfrage an den Schweizer Fußballverband, ob es für das Spiel am Freitag spezielle Verhaltensanweisungen gegeben habe, blieb unbeantwortet. 

Botschaft des Hasses 

Vergangenen Donnerstag hatte Serbien gegen Brasilien gespielt. Die 0:2-Niederlage der Serben dürfte schneller in Vergessenheit geraten als das Foto, das in der serbischen Umkleidekabine geschossen wurde und anschließend im Internet zirkulierte. Es zeigt die Umrisse des Staates Kosovo unterlegt mit den Farben der serbischen Flagge und den Worten "Nie aufgeben". Es ist Ausdruck der serbischen Politik, die den Kosovo immer noch als ihre Provinz betrachtet. 

Der kosovarische Fußballverband (FFK) verurteilte dies scharf. "Unmittelbar nachdem wir das Foto in der Umkleidekabine gesehen haben und die Botschaft des Hasses und der Aggression gegenüber Kosovo, kamen wir zu dem Schluss, dass das im Gegensatz zum Disziplinarcode der FIFA steht und gegen die Werte, für die die FIFA steht. Sofort haben wir an die FIFA appelliert und verlangt, offizielle Ermittlungen gegen den serbischen Fußballverband einzuleiten", sagte der Generalsekretär der FFK, Taulant Hodaj, zur DW. Die FIFA eröffnete daraufhin noch am Freitag ein Disziplinarverfahren gegen den Serbischen Fußballverband. 

Schon nach dem Duell der Schweizer mit Serbien vor vier Jahren in Russland hatte es eine Untersuchung der FIFA gegeben. Die Serben verpassten damals durch die Niederlage nicht nur das Achtelfinale, sondern fühlten sich auch durch den Adler-Jubel der kosovarisch-stämmigen Siegtorschützen provoziert. Sie fragten, gegen wen sie eigentlich spielten, gegen die Schweiz oder gegen Albanien? Beide Teams wurden schließlich vom Weltverband zwar nicht gesperrt aber mit Geldstrafen belegt.  

Das Verhältnis zwischen Serben, Kosovaren und Albanern ist seit Langem erheblich belastet. Die humanitären Gräuel der serbischen Getreuen des Milosevic-Regimes trieben in den 1990er-Jahren viele Kosovo Albaner in die Flucht. 1999 griff schließlich die NATO ein und beendete dieses Unrechtsverhalten. Die Republik Kosovo erklärte sich 2008 unabhängig von Serbien. Eine Mehrheit aller Staaten erkennt diesen Status auch an, Serbien nicht - einige andere Länder, darunter Russland, ebenfalls nicht. 

Die Flüchtlingswelle infolge des Kosovokrieges brachte hunderttausende Menschen in die Schweiz. Hier fanden sie Arbeit und schließlich eine neue Heimat. Viele blieben und wurden eingebürgert. Ihre Wurzeln als Kosovo-Albaner, ihre Sitten und Gebräuche vergaßen sie jedoch nicht.  

Schweizer mit besseren Karten

Serbien und die Schweiz spielen in Katar in der Gruppe G, zusammen mit Brasilien und Kamerun. Brasilien führt die Gruppe nach zwei Siegen an. Gleich dahinter liegt die Schweiz, die mit einem Sieg und einem Remis die bessere Ausgangsbasis als Serbien, mit bislang nur einem Punkt hat. Serbien muss also am Freitag gewinnen, um nicht aus dem Turnier zu fliegen, der Schweiz genügt dagegen bereits ein Unentschieden. 

Breel Embolo formt nach seinem Tor für die Schweiz gegen Kamerun mit seinen Händen ein Herz
Breel Embolo, Siegtorschütze der Schweizer gegen Kamerun, brachte sein Team in eine gute Ausgangsposition Bild: Carl Recine/REUTERS

Der sportliche Druck ist hoch auf serbischer Seite. Zusätzlich heizt der Flaggenskandal und die noch frische Erinnerung an das "Adlergate" die Stimmung an. Der serbische Fußballverband wollte sich nicht äußern, wie es zum umstrittenen Foto in der Umkleidekabine kommen konnte. Von den serbischen Spielern gab es auch keine Erklärung. "Wir sind da, um Fußball zu spielen und nichts anderes", sagte Marco Grujic und reagierte damit ähnlich stereotyp wie viele seiner Mitspieler. "Woher die Flagge kommt, weiß ich nicht", meinte Teamkollege Stefan Mitrovic. 

Der kosovarische Verband FFK zeigte sich verwundert: "Aufgrund der äußerst restriktiven Regelung der FIFA ist der Zugang [zur Kabine, Anm.d.Red.] nur Fußballern und Offiziellen gestattet, den sogenannten Red-Card-Holdern", sagte FFK-Generalsekretär Hodaj. Die FIFA hat für Vorfälle dieser Art eine eigene Rechts- und Compliance-Abteilung die unter anderem das Einhalten der FIFA-Statuten überwacht und bewertet. Schnelle Entscheidungen sind von dieser Kommission jedoch nicht zu erwarten. Zum aktuellen Fall gab die FIFA keinen weiteren Kommentar.  

Streitfall Kosovo 

Kosovo ist seit 13. Mai 2016 vollwertiges Mitglied der FIFA. Die damaligen Diskussionen um die Aufnahme des Kleinstaates waren stark politisch dominiert. Die Mitgliedschaft berechtigte Kosovo zur Teilnahme an der WM-Qualifikation für das Turnier in Russland. Der russische Präsident Wladimir Putin stellte jedoch schon im Vorfeld klar, dass es für Angehörige der "serbischen Provinz Kosovo" keine Visagenehmigung zur Einreise und damit auch keine Turnierbeteiligung geben würde.

Wladimir Putin schüttelt beim Staatsbesuch die Hand von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic
Enges politisches Verhältnis: Wladimir Putin (l.) und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic (r.)Bild: picture-alliance/TASS/M. Metzel

Damit unterstrich Putin die politische Allianz der beiden Staaten Serbien und Russland. Zum Präzedenzfall und damit zum Problem für die FIFA kam es aber nicht, weil der Kosovo sich nicht für die Endrunde qualifizieren konnte. Auch in Katar ist der Kosovo nicht dabei. Eine offizielle Beschwerde gegen die Serben, so Taluant Hodaj, sei aber dennoch möglich: "Seit wir ein vollwertiges Mitglied bei der FIFA sind, können wir offiziell Protest einlegen gegen derlei Verhalten und müssen das nicht mehr einfach nur hinnehmen."

Porträt einer jungen Frau mit langen schwarzen Haaren
Vjosa Cerkini Themen: Kosovo, die anderen Westbalkan-Länder und deren Verbindungen zum Westen