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Delhi muss sich auf Überschwemmungen einstellen

Aletta André
12. September 2017

Weil am Fluss Yamuna in Delhi wahllos gebaut wird, gibt es immer weniger Überflutungsflächen. Fehlen sie, drohen Überschwemmungen und ein sinkender Grundwasserspiegel.

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Rikscha im Müll
Bild: Aletta Andre

Wie in so vielen Großstädten der Welt ist auch in Delhi Bauland rar. Deshalb hat man in der 16-Millionen-Metropole begonnen, Gebäude auch auf den Überflutungsgebieten des Flusses Yamuna zu errichten. Das ist zwar nicht erlaubt, aber das Gesetz wird ignoriert.

Eine der Siedlungen ist Jaitpur am südlichsten Ausläufer des Flusses. Hier stehen hunderte Ziegelhäuser, errichtet genau auf der falschen Seite von einer der zehn Anhöhen, die Delhi eigentlich vor Hochwasser schützen sollen. Durch diese Landschaft winden sich wichtige Verkehrsadern, und auch die ehemaligen Unterkünfte der Athleten der "Commonwealth Games" im Jahr 2010 stehen hier.

Als Konsequenz der Entwicklung hat das "National Green Tribunal" (NGT) die "Delhi Development Authority" (DDA) im April 2017 aufgefordert, sämtliche Baumaßnahmen einzustellen. DDA ist verantwortlich für die Städteplanung der Metropole. Siedlungen und Industrieanlagen, darunter einige Recyclinganlagen, die in dieser rechtlichen Grauzone errichtet wurden, sollen umgezogen werden.

Häuser am Flussufer
Bauen auf Überflutungsgebieten ist zwar nicht erlaubt, aber das Gesetz wird ignoriertBild: Aletta Andre

Unklares Gelände

Eine beträchtliche Aufgabe, denn auf dem 55 Kilometer langen Uferabschnitt des Yamuna, der sich im Stadtgebiet von Delhi befindet, sind die Ufergebiete schon drastisch geschrumpft. Dehnen sie sich unbebaut auf 5 bis 10 Kilometern Breite aus, sind sie heute teilweise bis auf wenige hundert Meter oder noch weiter geschrumpft.

Doch die Bauarbeiten gehen weiter, nicht nur in Jaitpur. Damit geht auch landwirtschaftliche Nutzfläche verloren. Das spüren die Bauern auf den Mais- und Reisfeldern weiter im Norden. "Der Grundwasserspiegel ist seit meiner Jugend stark gesunken", erzählt Mange Ram. Er ist weit über 60 Jahre alt und erinnert sich, dass er in seiner Jugend nur wenige Spatenstiche brauchte, um an Wasser zu kommen. "Heute müssen wir mindestens 80 Fuß (24 Meter) tief graben."

"Alles, was in letzter Zeit gebaut wurde, muss weg. Das ist die einzige Möglichkeit, wenigstens einen Teil der Feuchtgebiete und Überflutungsräume wiederherzustellen", sagt der Umweltwissenschaftler C.R. Babu. Der frühere Vorsitzende eines Expertengremiums des NGT sagt, dass nur die Überflutungsflächen in der Lage sind, überschüssiges Wasser aufzunehmen und abzuleiten. Sie seien ebenso wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt und einen Grundwasserspiegel, der hoch genug für eine sichere Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung ist.

Blick auf Wolkenkratzer und das Überflutungsgebiet
Baumaßnahmen seien nur dank der stillschweigenden Unterstützung lokaler Beamter und Politiker möglich, heißt esBild: Aletta Andre

Wer trägt Verantwortung?

"Baumaßnahmen wie diese sind nur dank der stillschweigenden Unterstützung lokaler Beamter und Politiker möglich", sagt Bhim Singh Rawat. Er arbeitet für die Nichtregierungsorganisation "South Asia Network of Dams, Rivers and People". "Sie werden oft im Vorfeld von Wahlen genehmigt, im Austausch für Wählerstimmen."

Wer nun verantwortlich ist, weitere Baumaßnahmen zu stoppen, ist umstritten. Laut einem Bericht der "Times of India" aus dem Juni, schiebt die DDA die Aufgabe der "South Delhi Municipal Corporation" (SDMC) zu. Die wiederum gibt die Verantwortung zurück an die DDA.

Während sich also die Behörden gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben, leiden die Menschen. "Dieses und vergangenes Jahr waren die Fluten in Delhi niedrig", sagt Babu. "Aber alle fünf Jahre sind die Fluten stärker, dann stehen diese Häuser unter Wasser." Und bei noch stärkeren Hochwasser, wie es alle 10 bis 15 Jahre vorkommt, würden sogar öffentliche Gebäude, etwa ein wichtiger Busterminal, unter Wasser stehen.

Ein Boot auf dem Fluss Yamuna
Wenn die Überflutungsflächen schrumpfen, werden die Überschwemmungen stärkerBild: Aletta Andre

Natürliches Aufnahmevermögen

"Fluten sind typisch für Flüsse. Wenn die Überflutungsflächen aber schrumpfen, werden die Überschwemmungen stärker und sorgen für größere Schäden", sagt Babu. "Es gibt einfach nicht genug Platz für das Wasser, das ganz besonders während der Monsun-Periode im Juli und August in die Städte kommt."

Die Lage wird auch durch Staudämme, die in anderen Teilen Indiens oder im Ausland stehen, verschlechtert. Sie führen dazu, dass zu wenig Wasser vorhanden ist, um Ablagerungen wegzuspülen, die sich auf Sandbänken oder in den Feuchtgebieten abgesetzt haben.

"In Delhi sind heute viele Feuchtgebiete verschlammt, wenn nicht sogar völlig verdreckt", sagt Babu. "Und wenn nun Wasser aus den Stauseen kommt, drohen Sturzfluten, weil die Auslaufflächen fehlen, um es aufzunehmen."

Blick auf den Flußlauf im Norden
Sollten die Ufer des Yamuna restauriert werden, könnten sie die Bevölkerung der wasserhungrigen Stadt Delhi mit Trinkwasser versorgt werdenBild: Aletta Andre

Ein verschwendete Quelle

Trotzdem ist Babu vorsichtig optimistisch für die Zukunft. "Überschwemmungsflächen und Feuchtgebiete können wiederhergestellt werden", sagt er und verweist auf den "Yamuna Biodiversity Park" im Norden Delhis, den er in den vergangenen zehn Jahren mit eingerichtet hat. "Zugvögel sind wieder häufiger hier, auch bestimmte Arten von Fischen erholen sich wieder und sogar Tiere, die vorher verschwunden waren, kommen zurück, Wildschweine zum Beispiel."

Sollten die Gebiete am Yamuna vollständig restauriert werden, könnten sie die gesamte Bevölkerung der wasserhungrigen Stadt Delhi mit Trinkwasser versorgen, meint Babu. Einfach ist das sicher nicht. Denn viele Bauten auf den ehemaligen Überflutungsgebieten lassen sich nicht zurückbauen, weil sie zu wichtig sind, Delhis viel befahrene Ringstraße ist nur ein Beispiel. Trotzdem könnte mit der richtigen Gesetzgebung das kostbare Land zumindest zum Teil dazu beitragen, die Trinkwasserprobleme der Stadt zu lösen, sagt Babu.

"Stellen Sie sich nur mal vor, was alles möglich wäre, wenn erstmal die restlichen Überschwemmungsflächen gereinigt sind, die Feuchtgebiete wiederhergestellt wurden und es endlich ein vernünftiges Management gibt."