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"Deltakron": Neue Variante oder Laborfehler?

11. Januar 2022

Ein Forscher auf Zypern hat angeblich eine neue Corona-Variante entdeckt, die ein Mix aus Delta und Omikron ist. Andere Experten haben da so ihre Zweifel - aber der Entdecker bleibt bei seiner Darstellung.

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Student in Schutzkleidung schaut in Manila durch ein Mikroskop
Könnte die angebliche Deltakron-Variante nur das Ergebnis verunreinigter Proben sein?Bild: Jam Sta Rosa/AFP

Selbst wer schon ziemlich abgestumpft ist von immer neuen Corona-Hiobsbotschaften dürfte hier kurz aufgehorcht haben: Vergangene Woche verkündete ein Forscher der Universität Zypern, er habe eine neue Variante des Coronavirus entdeckt, die Eigenschaften von Delta und Omikron kombiniert.

Leonidos Kostrikis und sein Team haben 25 Fälle identifiziert, bei denen es sich laut des Biologieprofessors und Leiter des Labors für Biotechnologie und Molekulare Virologie an der Universität Zypern um "Deltakron" handelt, so ihre Wortschöpfung.  

Omikron ist hoch ansteckend und mittlerweile die dominante SARS-CoV-2 Variante in vielen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien und den USA. Auch in Deutschland breitet sich Omikron rasant aus, weltweit dürfte sie Delta als die am meisten verbreitete Variante bald ablösen. Mit Delta infizierte Menschen hatten ein erheblich höheres Risiko, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden als Alpha-Patienten.

Deltakron, so Kostrikis, habe genetische Charakteristika von Omikron, die im Delta-Genom auftauchen.

"Wir werden in Zukunft sehen, ob diese Variante zu einem ernsteren Krankheitsverlauf führt oder ansteckender ist, oder ob sie sich durchsetzen kann" gegen Delta und Omikron, sagte Kostrikis dem zypriotischen Fernsehsender Sigma TV.

Die Entstehung einer neuen Variante, die sich möglicherweise so schnell verbreiten könnte wie Omikron oder zu mehr schweren COVID-Fällen führen könnte, klingt besorgniserregend. Aber international bezweifeln Experten, dass die Forschungsergebnisse von Kostrikis korrekt sind.       

Entdecker: Deltakron keine Kontamination

"Die zypriotischen 'Deltakron'-Sequenzen, über die mehrere große Medien berichtet haben, sehen ziemlich deutlich nach einem Fall von Kontamination aus", twitterte Thomas Peacock, ein Forscher am Barclay Laboratory, das aktuell am Imperial College London für Coronavirus-Forschung zuständig ist. Das sei keineswegs eine Kritik an Kostrikis' Arbeit - solche Fehler passierten hin und wieder in jedem Gen-Sequenzierungslabor, fügte Peacock in einem weiteren Tweet hinzu.

Und trotzdem - es scheint, dass Kostrikis das so nicht auf sich sitzen lassen wollte. Am Sonntag verteidigte er seine Ergebnisse gegenüber dem US-Nachrichtenportal Bloomberg. In einem Email-Statement schrieb der Forscher, die Fälle, die er entdeckt habe, zeigten "evolutionären Druck" auf eine "Urform" des Virus. Unter diesem Druck habe die Urform die Mutationen entwickelt, die Kostrikis zu seiner Schlussfolgerung führten, dass eine Kombination von Delta und Omikron stattgefunden hat.

Diese Kombination, so betonte der zypriotische Forscher nochmal, sei nicht des Ergebnis eines isolierten Ereignisses - wie zum Beispiel die Verunreinigung von Proben - gewesen. Laut Kostrikis wurden die analysierten Proben in Laboren in mehreren verschiedenen Ländern sequenziert.

Deltakron "fast sicher" keine Kombination aus zwei Varianten

Sogenannte rekombinante Formen von Viren, wie Kostrikis' mutmaßliche Deltakron-Variante, sind in der Wissenschaft ein bekanntes Phänomen. Sie entstehen, wenn mehrere Varianten eines Virus gleichzeitig im Umlauf sind, so wie es aktuell mit SARS-CoV-2 der Fall ist.

Die Experten, die Deltakron kritisch gegenüber stehen, weisen darauf hin, dass alle Omikron-Mutationen, die am Delta-Genom entdeckt wurden, an einer bestimmten Stelle der genetischen Sequenz liegen. Und diese Stelle ist bekannt dafür, dass sie bei bestimmten Sequenzierungsprozessen anfällig für Probleme ist.  

Die Hände eines Labortechnikers in Texas, der ein COVID-19 Probenröhrchen untersucht
Experten sagen, dass die Entdeckung von Deltakron auf Probleme bei der genetischen Sequenzierung zurückgeführt werden könnteBild: Brandon Bell//AFP/Getty Images

Jeffrey Barrett, Direktor der COVID-19 Genomics Initiative am britischen Wellcome Sanger Institute, hat zu diesem Thema geforscht. Basierend auf seinen Ergebnissen geht er davon aus, dass die mutmaßliche Deltakron-Variante "fast sicher keine biologisch rekombinante Form aus Delta und Omikron ist."

Bedeutet das, dass wir aufatmen und die Ergebnisse aus Zypern einfach ignorieren können? Dafür ist es noch ein wenig früh, sagt Timo Wolf, Leiter der Infektionsstation am Universitätsklinikum Frankfurt. Er sei aktuell optimistisch, aber vorsichtig, so der Arzt.

"Ich glaube nicht, dass es starke Hinweise darauf gibt, dass [Deltakron] ein riesiges Problem werden wird", sagte Wolf der DW. Aber globale Daten wie die von Kostrikis müssten eingehend untersucht werden. "Um ganz sicher zu sein, werden wir noch einige Wochen warten müssen."

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker