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Demirals Wolfsgruß: Wer sind die "Grauen Wölfe"?

3. Juli 2024

Erst schießt Merih Demiral die Türkei gegen Österreich ins EM-Viertelfinale, dann sorgt er mit seinem Wolfsgruß für Empörung. Der ist das Erkennungszeichen der nationalistischen "Grauen Wölfe". Was will diese Bewegung?

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Der türkische Spieler Merih Demiral jubelt nach einem Tor gegen Österreich bei der Fußball-EM der Männer 2024
Der türkische Torschütze Merih DemiralBild: Thanassis Stavrakis/AP Photo/picture alliance

Die Fußball-Nationalmannschaft der Türkei besiegte am Dienstag in Leipzig das Team von Österreich und zieht somit ins Viertelfinale der Europameisterschaft ein. Der zweifache türkische Torschütze des gestrigen Abends Merih Demiral sorgt allerdings mit seinem Wolfsgruß für Aufsehen. Die UEFA nahm deshalb Ermittlungen gegen Demiral auf - möglicherweise droht ihm eine Sperre. Denn der Wolfsgruß ist das Erkennungszeichen der "Grauen Wölfe". In Österreich ist das Zeigen dieses Grußes strafrechtlich verboten, in Deutschland wird seit Jahren über ein ähnliches Verbot diskutiert.

Wer sind die Grauen Wölfe?

Die "Grauen Wölfe" sind eine große Sammelbewegung türkischer Ultranationalisten und Rechtsextremisten, bekannt auch als Ülkücüs. Diese entstand Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei. Sie wird seit Jahren in Deutschland vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet.

Der türkische Torschütze Demiral im weißen Trikot reckt seine Arme hoch und zeigte den Wolfsgruß
Der türkische Torschütze Demiral zeigte mit zwei Armen den sogenannten Wolfsgruß, sorgte damit für Aufsehen.Bild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Der graue Wolf ist für türkische Rechtsextremisten eine wichtige Figur. Laut Gründungsmythologie hat ein grauer Wolf die Vorfahren der türkischen Völker vor Feinden gerettet und ihnen zu großer Macht verholfen. Daher ist der Wolf für viele auch ein Machtsymbol. Der bekannte Wolfsgruß wird von diesem Mythos abgeleitet.

Auch drei Halbmonde gehören zu ihren Symbolen. Diese wiederum standen auf der Kriegsfahne der Osmanen. Heute stellen sie das Parteilogo der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) dar, die seit Jahren der größte Bündnispartner des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist.

Ideologie der "Grauen Wölfe"

Die Ideologie der "Grauen Wölfe" wird von deutschen Behörden als extrem nationalistisch, antisemitisch und rassistisch eingestuft. Zu ihren Feindbildern gehören vor allem Kurden, Juden, Armenier und Christen, da sie von der Überlegenheit der türkischen Nation überzeugt sind. Die "Grauen Wölfe" haben in der Vergangenheit und besonders in den 1970er Jahren viele Gewalttaten und Morde begangen. Ihr Ziel sei es laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), einen homogenen Staat aller Turkvölker unter türkischer Führung zu errichten - vom Balkan bis Westchina.

Deutsche Sicherheitsbehörden rechnen den "Grauen Wölfen" etwa 12.500 Mitglieder zu. Davon sind rund 10.500 in Vereinen organisiert.

Laut dem Extremismusforscher Kemal Bozay gibt es zwei Hauptströmungen innerhalb der "Grauen Wölfe": Zum einen die "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) und zum anderen die "Partei der Großen Einheit" (BBP). Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist die ultranationalistische Partei MHP die Urorganisation der "Grauen Wölfe".

Ein junger Mann mit einer Kopfbandage in rot, darauf Ülkücü Genclik steht, zu Deutsch Jugendorganisation der Grauen Wölfe.
Laut Gründungsmythologie hat ein grauer Wolf die Vorfahren der türkischen Völker vor Feinden gerettet und ihnen zu großer Macht verholfenBild: Boris Roessler/dpa/picture-alliance

Die größten Organisationen der "Grauen Wölfe"

Die "Grauen Wölfe" sind in Deutschland in drei großen Verbänden organisiert. Der mitgliederstärkste Verband sind die Türkisch Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V., kurz ADÜTDF. Dieser Verband vertritt die Interessen der ultranationalistischen MHP, Erdogans Bündnispartner. Mit mehr als 7000 Mitgliedern im Bundesgebiet ist ADÜTDF der größte Dachverband innerhalb der beobachteten "Grauen Wölfe". Organisiert ist der Dachverband in 15 Gebieten in über 200 Ortsvereinen.

Der zweitstärkste Verband ist die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine e.V. in Europa (ATIB). Laut BfV hat sie 2500 Mitglieder und ist in 24 Ortsvereinen im gesamten Bundesgebiet organisiert. Gegründet wurde sie 1987 von Musa Serdar Celebi, einem bekannten Mitglied der Ülkücü-Szene, der dem Papst-Attentäter Mehmet Ali Agca die Tatwaffe und das Belohnungsgeld für den Mordanschlag auf Papst Johannes Paul II. besorgt haben soll.

Der dritte Dachverband der "Grauen Wölfe" nennt sich Föderation der Weltordnung in Europa (ANF). Bundesweit hat die Föderation laut Verfassungsbehörden rund 1000 Mitglieder in 15 Ortsvereinen. ANF vertritt die Interessen der islamisch-ultranationalistischen Partei der Großen Einheit (BBP), ebenfalls ein Mitglied in Erdogans Volksallianz. Auch der BBP werden zahlreiche politischen Morde in der Türkei zugeschrieben. Ihre Mitglieder sollen unter anderem auch an der Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink in Istanbul beteiligt gewesen sein.

Zwei türkische Fans umhüllt in türkischen Fahnen im Stadion
Etwa drei Millionen Türkei-stämmige leben in Deutschland - viele füllen die Stadien bei Spiele der türkischen MannschaftBild: Bernd Thissen/dpa/picture alliance

Nach Schätzungen der Sicherheitsbehörden gibt es in Deutschland etwa 2000 weitere "Graue Wölfe", die dem unorganisierten Teil der Ülkücü-Bewegung zugerechnet werden. Diese sind neben Einzelpersonen auch Anhänger von kleineren Ülkücü-Strukturen. Im aktuellen Bericht des Bundesverfassungsschutzes (BfV) steht hierzu: "Sie alle hängen der rechtsextremistischen Ülkücü-Ideologie in unterschiedlicher Ausprägung an und bringen dies überwiegend über die sozialen Medien zum Ausdruck, wo sie ihre meist rassistischen oder antisemitischen Feindbilder offen ausleben. Einige Personen erzielen dabei eine erhebliche Reichweite". Häufig seien auch Selbstinszenierungen mit Waffen oder andere Drohgebärden bei den unorganisierten Ülkücüs festzustellen, die Stärke, Überlegenheit und Wehrhaftigkeit ausdrücken sollen.

Die unorganisierten "Grauen Wölfe" zeigen in den letzten Jahren immer wieder ein große Gewaltpotenzial, vor allem beim Aufeinandertreffen mit politischen Gegnern und Regierungskritikern, etwa im Rahmen von Demonstrationen oder Veranstaltungen. Auch rockerähnliche Gruppierungen haben sie in den letzten Jahren gegründet, die aber nicht von langer Dauer waren.

"Graue Wölfe" gibt es überall in Europa

Die "Grauen Wölfe" sind in ganz Europa organisiert. 2007 wurde in Frankfurt am Main der Dachverband "Türkische Konföderation in Europa" gegründet, der die verschiedenen Ableger in ganz Europa bündeln soll.

Europaweit gab es mehrfach Auseinandersetzungen insbesondere zwischen den "Grauen Wölfen" und Kurden.

2019 hat Österreich das Zeigen der Symbole der Grauen Wölfe unter Strafe gestellt, 2020 hat Frankreich ihren dortigen Ableger verboten. Der Bundestag hat am 18. November 2020 beschlossen, ein Verbot der "Grauen Wölfe" zu prüfen. Bisher allerdings ohne Ergebnis.

"Graue Wölfe" bestreiten Existenzrecht Israels

Nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober auf Israel stellten sich vor allem die unorganisierten Gruppen von "Grauen Wölfen" umgehend auf die Seite der Palästinenser und der militant-islamistischen Hamas. Während sie das Existenzrecht Israels bestreiten, werden die Hamas-Angriffe gerechtfertigt. Die Wölfe-Gruppen riefen außerdem zum Boykott israelischer Produkte auf, sammelten Spenden für Gaza und nahmen an mehreren antiisraelischen Kundgebungen teil.

Elmas Topcu | Journalistin
Elmas Topcu Reporterin und Redakteurin mit Blick auf die Türkei und deutsch-türkische Beziehungen@topcuelmas