Demokraten in den USA: Wie weiter nach der Wahlschlappe?
8. November 2024Es waren schwere Tage für die Demokraten in den USA. Bei den Wahlen am 5. November haben sie nicht nur das Weiße Haus verloren, sondern auch die Mehrheit im Senat. Im Repräsentantenhaus sieht es ebenso schlecht für sie aus. Noch sind nicht alle Bezirke ausgezählt, doch es zeichnet sich ab, dass die Republikaner ihre Mehrheit verteidigen werden.
In ihrer Rede zur Wahlniederlage sagte Kamala Harris an der Howard University, ihrer Alma Mater, das Licht des amerikanischen Versprechens werde immer hell brennen, "solange wir niemals aufgeben und solange wir weiterkämpfen". Rückblickend sagte Harris, sie sei stolz auf den Wahlkampf, den sie und ihre Partei geführt haben.
Haben die Demokraten ihre Basis vernachlässigt?
Es ist jedoch offensichtlich, dass Harris' Kampagne nicht so funktioniert hat, wie es die Demokraten gehofft hatten. "Zweifellos wird es eine Menge Post-Mortem-Diskussionen geben, eine Autopsie der Ergebnisse und der Kampagne, wenn man so will", sagt Filippo Trevisan, ein außerordentlicher Professor an der American University's School of Communication, im Gespräch mit der DW. "Hat die Partei genug getan, um ihrer Basis einen guten Grund zu geben, für Kamala Harris zu stimmen? Ich denke nicht."
Trevisan meint, Harris habe so sehr versucht, gemäßigte Republikaner oder unentschlossene Wähler der Mitte zu gewinnen, dass sie die Kernwählerschaft der Demokraten nicht ausreichend angesprochen hat. Deshalb seien viele junge Wähler, vor allem männliche Afroamerikaner und Latinos, zu Donald Trump übergelaufen.
Bernie Sanders: Demokraten haben "Arbeiterklasse im Stich gelassen"
Die Wirtschaft war eines der größten Themen, wenn nicht das größte Thema bei dieser Wahl. Und offenbar hat es Harris versäumt, angemessen auf die Sorgen derer einzugehen, die es schwer haben, ein Haus zu kaufen oder auch nur das Essen auf den Tisch zu bringen. "Es sollte niemanden überraschen, dass eine Demokratische Partei, die die Arbeiterklasse im Stich lässt, feststellen muss, dass die Arbeiterklasse sie im Stich lässt", sagte der beliebte unabhängige Senator Bernie Sanders aus Vermont. "Zuerst war es die weiße Arbeiterklasse, und jetzt sind es auch die Arbeiter unter den Latinos und Afroamerikanern."
Bekenntnisse zu Fehlern im Wahlkampf haben die Demokraten bisher nicht geäußert. "Alle Fragen zur Verantwortung und zum Bedauern wurden vermieden", berichtete die DW-Mitarbeiterin Laura Kabelka am Donnerstag von einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Biden sei dort zwar aufgetreten, habe aber keine Verantwortung für die schwere Wahlniederlage seiner Partei übernommen, sagte Kabelke: "Die Hauptbotschaft war, dass die Regierung Biden den Willen des Volkes akzeptiert und sich nun auf einen friedlichen Machtwechsel konzentrieren wird. Man lobte die fairen und transparenten Wahlen und betonte, ähnlich wie Vizepräsident Harris am Vortag, dass eine Niederlage nicht bedeute, besiegt zu sein."
Kommunikationsforscher Trevisan glaubt nicht, dass solche Motivationsreden die Demokraten in die Zukunft führen: "Es muss viel darüber nachgedacht werden, um sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen Sorgen vieler Menschen in zukünftigen Kampagnen glaubwürdig angesprochen werden", sagte er.
Es reicht nicht, gegen Trump zu sein
Die nächsten Wahlen in den USA sind die Zwischenwahlen im Jahr 2026. Dann werden ein Drittel der Sitze im US-Senat und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Erfahrungsgemäß verliert der amtierende Präsident bei den Midterms, wie sie auf englisch heißen, oft die Mehrheit in einer der beiden Kongresskammern.
Ein Selbstläufer ist das jedoch nicht, meint Trevisan: "Die Demokraten werden sich überlegen müssen, wie sie ihre Angriffe in den ersten Tagen der Trump-Administration gestalten können." Die Demokraten müssten herausfinden, wofür sie stehen und wie sie mit ihren Werten und ihrer Politik die Menschen für sich gewinnen können. Man könne nicht nur eine "Nein"-Partei sein, sondern müsse auch Vorschläge machen, sagt Trevisan: "Sagt nicht einfach, dass Trumps Abschiebepläne unmoralisch sind, sondern bringt eure eigenen Pläne ein und überzeugt die Menschen, dass eure Alternative besser ist!"
"Echte Debatte innerhalb der Partei" steht an
Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden 2028 statt. Ohne amtierenden demokratischen Präsidenten wird das Rennen um die Kandidatur für alle Parteimitglieder offen sein. Trevisan glaubt, dass dies der Partei guttun werde. Denn es würden Kandidaten aus dem gesamten ideologischen Spektrum der Demokraten zur Wahl stehen.
Die Wähler entscheiden dann bei den Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten, welchen Weg sie für den besten halten. "Es wird eine echte Debatte innerhalb der Partei geben", sagte Trevisan. "Das hätte schon vor dieser Wahl geschehen können, wenn Biden nach einer Amtszeit zurückgetreten wäre, wie er ursprünglich für 2020 angekündigt hatte." Stattdessen hat Joe Biden so lange weitergemacht, bis es unmöglich war, Harris vom Volk zu Kandidatin wählen zu lassen. Zudem blieben ihr nur 107 Tage für den Wahlkampf - eine sehr kurze Zeit, gemessen an den Standards der USA. Diesen Fehler können die Demokraten 2026 nicht noch einmal machen.
Aus dem Englischen von Jan D. Walter