Demonstranten in Irans Kurdenregion beschossen
6. November 2022Iranische Sicherheitskräfte haben laut Zeugen das Feuer auf Demonstranten in Mariwan im Nordwesten des Landes eröffnet. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz im norwegischen Oslo wurden mindestens 35 Menschen verletzt. Die Polizei sei auch mit Tränengas gegen die Menge vorgegangen, die gegen den Tod einer Kurdin protestierte, welche aus der Stadt stammte.
Auf Bildern in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Demonstranten das Verwaltungsgebäude von Mariwan mit Steinen bewarfen und die Flagge der Islamischen Republik herunternahmen und verbrannten. Frauen ohne Kopftuch marschierten durch die Straßen. Als die Nacht hereinbrach, "hallten Schüsse durch die Stadt", so Hengaw.
Im Morgengrauen beigesetzt
Am Samstag war die Doktorandin nach ihrer Teilnahme an einer Kundgebung in der Hauptstadt Teheran gestorben. Sie sei im Morgengrauen ohne Trauerfeier beigesetzt worden, weil die Behörden neuerliche Proteste befürchtet hätten, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Staatsmedien wandten sich gegen den Vorwurf, Sicherheitskräfte hätten den Tod der jungen Frau durch Gewalteinsatz verursacht. Ähnliche Erklärungen gab es bereits in den vergangenen Wochen, nachdem Menschen bei Protesten ihr Leben verloren hatten.
Auch in zahlreichen anderen Städten gingen die regierungskritischen Demonstrationen weiter. Auslöser der Massenproteste in der Islamischen Republik war der Tod der 22 Jahre alten Kurdin Jina Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die strengen islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die Frau starb im September nach einem vorangegangenen Polizeigewahrsam im Krankenhaus.
Das von Hardlinern dominierte Parlament verabschiedete unterdessen eine Resolution, mit der die Justiz aufgefordert wird, "entschlossen" gegen jene vorzugehen, die an den Protesten mitgewirkt und Randalierer aufgestachelt hätten. In Kurdengebieten sollen Sicherheitskräfte mit besonderer Härte bei Kundgebungen einschreiten. Nach UN-Angaben wurden seit Beginn der Proteste im ganzen Land mehr als 250 Menschen getötet. Aktivisten nennen noch deutlich höhere Zahlen.
jj/qu (dpa, afp, rtr)