Depkat: "Politisches Theater der Republikaner"
31. Juli 2014DW: Herr Depkat, kann man einen US-Präsidenten einfach per Klage vor Gericht loswerden?
Volker Depkat: Da müssen wir unterscheiden: Es gibt auf der einen Seite das Verfahren des Impeachment. Dabei verwandelt der Kongress sich in ein Gericht, um Amtsverfehlungen zu beurteilen und ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Was jetzt aber die Republikaner vorhaben, ist, den Präsidenten vor einem der normalen Gerichte des Landes zu verklagen. Ob das geht, darüber sind auch die Juristen selbst völlig uneins. Denn dafür muss eigentlich eine persönliche Schädigung nachgewiesen werden.
Wie wollen die Republikaner dann damit durchkommen?
Formal geht es darum, den Präsidenten vor einem Gericht zu verklagen mit dem Vorwurf, er habe seine Kompetenzen überschritten. Das ist auch ein valider Vorwurf. Der Präsident hat ja laut Verfassung die Aufgabe, die vom Kongress beschlossenen Gesetze so gut wie möglich und gewissenhaft umzusetzen. Und hier werfen ihm die Republikaner vor, dass er bei der Umsetzung der “Obamacare“-Gesundheitsreform seine Kompetenzen überschritten hat, weil er mit präsidentiellen Verordnungen Ausnahmeregelungen unter anderem für Firmen geschaffen hat.
Was darf denn ein US-Präsident mit seinen Verordnungen und was nicht?
Dieses Instrument bezieht sich nur auf bestimmte Politikbereiche. Zum Beispiel hat Truman 1948 per präsidentiellem Dekret die Rassentrennung bei den Streitkräften aufgehoben. Das konnte er machen, weil er als Präsident Oberbefehlshaber der Streitkräfte war. In den 30er Jahren hat Franklin Delano Roosevelt die Rassendiskriminierung bei Firmen verboten, die Aufträge von der Bundesregierung annehmen. Also dort, wo es eine direkte exekutive Zuständigkeit gibt, darf der Präsident mit diesen Verfügungen arbeiten. Aber es bleibt immer ein ziemlich schwankender Grund, weil die Verfassung da nicht klar ist. Das ist Gegenstand fortlaufender Interpretationen und da finden alle Präsidenten und Kongresse ihren Weg erst beim Gehen.
Wenn der Kongress so blockiert ist wie zurzeit, sind Verordnungen dann das letzte Mittel des Präsidenten, um überhaupt noch regieren zu können?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Auch Reagan hat mehr als 300 solcher Verfügungen erlassen, Clinton auch. Das ist durchaus ein normales Verfahren und kein Grund zur Besorgnis. Aber es ist schon so, dass es häufiger eingesetzt wird in Zeiten, in denen der Kongress gespalten ist oder einen Konfrontationskurs zur Exekutive fährt. Aber das ist auf Dauer kein gangbarer Weg, denn auf Dauer kann kein Präsident gegen den Kongress regieren.
Das heißt, im Moment wird eigentlich gar nicht mehr regiert?
Der Boden für Konsens ist so weit erodiert, dass beide Parteien kaum noch willens sind, Kompromisse einzugehen. Bis in die 1990er Jahre gab es noch einen gemeinsamen Nenner, auf den sich Demokraten und Republikaner einigen konnten. Und das ist ja eigentlich auch die Funktion politischer Parteien, dass sie flexibel genug sind, um Kompromisse zu schließen. Und dieser “middle ground“ ist spätestens seit der Präsidentschaft George W. Bushs so stark erodiert, dass ich kaum noch Möglichkeiten sehe, wie man in diesem politischen Klima überhaupt noch Einigungen finden kann. Und in diesem Licht sehe ich den Vorstoß der Republikaner. Das ist auch ein Akt der Verzweiflung, der Züge des politischen Theaters trägt so kurz vor der Sommerpause und den anstehenden Zwischenwahlen.
Es ist ja eher unwahrscheinlich, dass sie auf diese Weise Obama zu Fall bringen werden. Warum versuchen die Republikaner das trotzdem?
Die Republikaner werden von den Radikalen und der Tea Party innerhalb der eigenen Partei unter Druck gesetzt. Sarah Palin und ihre Freunde wollen eigentlich ein Impeachment-Verfahren einleiten. Das lehnt aber die Mehrheit der Republikaner im Kongress ab, weil sie genau wissen, dass eine Mehrheit der Amerikaner dagegen ist. Deshalb ist diese Klage vor Gericht der Versuch, die eigene Partei zu beruhigen.
Volker Depkat ist Professor am Lehrstuhl American Studies an der Universität Regensburg.