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Der Alltagstest

Silke Bartlick 23. Dezember 2004

Alle reden über die PISA-Studie und wie schlecht die deutschen Schüler im internationalen Vergleich sind. Aber was eigentlich prüft PISA? Und was nicht?

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Viel Papier für Freunde gepflegter StatistikenBild: AP

Die PISA-Studie fragt weder nach Fakten-Wissen noch unternimmt sie den Versuch, die humanistische Bildung zu testen. Mit anderen Worten: Sie gibt keine Auskunft darüber, ob und inwieweit junge Menschen mit den Klassikern der deutschen und der Weltliteratur vertraut sind. Und es wird auch kein stur auswendig gelerntes Wissen abgefragt.

Aufs Leben vorbereitet?

Neue PISA Studie wird vorgestellt
Es ist zum Haareraufen ...Bild: dpa

Die Forscher der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben das Bildungsniveau der Schüler in bester angelsächsischer Tradition gemessen und sich damit für eine Variante entschieden, die als internationaler Standard gilt: Bei der internationalen PISA-Studie wird geprüft, inwieweit die Schüler am Ende der Pflichtschulzeit über Fähigkeiten verfügen, ohne die sie später im beruflichen und gesellschaftlichen Leben keine Chance haben.

Wer nicht gut lesen kann, so die Grundannahme, dem wird es schwer fallen, eine aussagekräftige Bewerbung zu schreiben - und er hat folglich Probleme, eine Lehrstelle und später einen Arbeitsplatz zu finden. Wer aber sehr gute Testergebnisse erzielt, der kann komplexe Probleme lösen und hat damit gute Voraussetzungen für einen anspruchsvollen Arbeitsplatz.

Auswendiglernen zwecklos

Die OECD hat vor allem die Wirtschaftskraft ihrer Mitgliedsländer im Visier. Aussagen oder Methodik ihrer Untersuchung sind von namhaften Wissenschaftlern nie ernsthaft in Frage stellt worden.

Die aktuelle Runde hat neben der Lesekompetenz - bei der es nicht nur darum ging, Prosatexte, sondern etwa auch Fahrpläne zu verstehen - auch Fertigkeiten in Mathematik und den Naturwissenschaften getestet. Außerdem wird erstmals die so genannte "Problem-Löse-Kompetenz" geprüft. Das erforderte über Fächergrenzen hinweg auch eine Portion Allgemeinwissen.

So wurden den Jugendlichen, die an dem Test teilgenommen haben, zum Beispiel zwei Tabellen vorgelegt: Die eine listete den Energieverbrauch von Angehörigen verschiedener Berufsgruppen auf, die andere den täglichen Energiebedarf nach "Alter", "Geschlecht" und "Grad der Aktivität". Aufgabe der Schüler war es nun, mit Hilfe dieser beiden Tabellen die Frage zu beantworten, welchen Energiebedarf ein 45-jähriger Lehrer hat. Die PISA-Lösung lautet übrigens: 12.120 Kilojoule, umgerechnet 2.895 Kilokalorien.

Direkte Vergleiche

Mit lebenspraktischen Fragen werden deutsche Schüler im Unterricht nur selten konfrontiert. Eine Benachteiligung gegenüber ihren amerikanischen oder angelsächsischen Altersgenossen konnten deutsche PISA-Forscher dennoch nicht erkennen. Denn obwohl die PISA-Fragen sich nicht an deutschen Lehrplänen orientieren, fordern sie Kenntnisse ab, die deutsche Schüler laut Lehrplan haben müssten.

Besondere Aussagekraft gewinnt die Studie, weil sie jenseits der viel zitierten Ranglisten auch direkte Vergleiche ermöglicht: Schweden und Finnland beispielsweise können insgesamt ähnlich gute Ergebnisse vorweisen, allerdings hat Schweden, ein Land mit großen fremdsprachigen Einwanderergruppen, deutlich mehr Integrationsarbeit zu leisten. Interessant für Deutschland mit seiner ähnlich nicht-homogenen Schülerschaft: Türkisch-stämmige Einwanderer-Kinder sind in Schweden wesentlich leistungsstärker.

Auch über die Rolle der Lehrer, des Elternhauses und des Medienkonsums berichtet die PISA-Studie. Und sie liefert so Hinweise auf das, was sich ändern muss, damit Schulen besser werden.

Grenzen von PISA

Trotzdem hat die Aussagefähigkeit von PISA Grenzen: Fremdsprachenkenntnisse etwa wurden gar nicht geprüft, und die Erkenntnisse zu den Ursachen guter und schlechter Leistungen sind nicht ausreichend gesichert.

PISA-Studie Ein Schüler einer 7. Klasse schreibt am Montag, 6. Dezember 2004, während einer Mathematik-Stunde Rechenergenisse an die Tafel
Nein, Schulwissen allein reicht nichtBild: AP

Die Einsicht, dass in Ländern mit Gemeinschaftsschulen für alle Kinder der Zusammenhang zwischen Herkunft und Schulleistungen nicht so offensichtlich ist wie etwa in der Bundesrepublik, ist für sich genommen noch kein Beweis, dass Gesamtschulen die bessere Alternative sind. Tatsächlich benennen lassen sich die Ursachen guter oder schlechter schulischer Leistungen nämlich erst, wenn man mehr über den Unterricht, das heißt über die Art und Weise der Kenntisvermittlung in der Schule, weiß. Die Türen der Klassenzimmer aber haben sich für Forscher bislang nur selten geöffnet.