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Der Bergmann und das Bundesverdienstkreuz

Heiner Kiesel5. Oktober 2012

Deutschland ehrt die Menschen, die sich ganz besonders für ihr Land und die Gesellschaft einsetzen mit dem Bundesverdienstkreuz. Ausgezeichnet werden neben Prominenten auch engagierte Normalbürger.

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Das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland Foto: Bernd Thissen (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ramon Gallelli nimmt noch eine kräftige Portion Rührei von seinem Frühstücksteller auf die Gabel. Die Aktion mit dem Orden kostet den 77-Jährigen Kraft. Er hat 750 Kilometer im Auto gesessen, der Sohn am Steuer, dann eine Nacht in einem Berliner Hotel verbracht. Denn heute ist sein großer Tag. Der ehemalige Bergarbeiter aus dem Saarland bekommt den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. "Das hätte ich nicht, gedacht, dass das so ein Aufwand ist”, sagt Gallelli zwischen zwei Bissen, "aber dafür bekomme ich das Bundesverdienstkreuz direkt vom Bundespräsidenten, das ist doch etwas besonderes." Mit ihm sind zwei seiner Kinder und seine Frau nach Berlin gekommen. Die schaut kurz von ihrem Croissant auf. "Mein Mann freut sich, fast wie Weihnachten ist das für ihn."

Den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten, ist eine große Ehre. Seit die Auszeichnung 1951 vom ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss gestiftet wurde, sind rund 250.000 Bürger damit ausgezeichnet worden - zuletzt waren es zwischen zwei und dreitausend pro Jahr. Nur wenige haben die Ehre, dass ihnen der Bundespräsident persönlich das Verdienstkreuz überreicht. Sonst machen das Ministerpräsidenten, Staatsminister oder Landräte - stellvertretend für das deutsche Staatsoberhaupt.

Bundespräsident Joachim Gauck bei der Bundesverdienstkreuz-Verleihung Foto: Andreas Rentz
Bundespräsident Gauck bei der Bundesverdienstkreuz-VerleihungBild: Getty Images

Ramon Gallelli hat das schon oft miterlebt in seiner Zeit als Gemeinderat und Ortsvorsteher – die kleinen Feierlichkeiten mit einem Würdenträger im Rathaus seiner Gemeinde Großrosseln, zu der sein Wohnort Dorf im Warndt gehört. Das hätte auch für ihn so kommen können. "Die Anregung für die Auszeichnung hat mein Obst- und Gartenbauverein an den Ministerpräsidenten geschickt", sagt Gallelli, "das war im September 2010 und da haben wir drauf gewartet." Die Staatskanzleien der einzelnen Bundesländer prüfen die Anträge in der Regel sehr gründlich. Gallellis Gartenfreunde haben eine lange Liste seiner Verdienste zusammengestellt: Kommunalpolitik, Engagement in der Berufsständischen Kranken- und Rentenverischerung der Bergleute, Mitgliedschaften und Ämter in fast allen Verbänden und Vereinen seines Ortes. Sich selbst vorschlagen darf man nicht. "Ich war immer Ansprechpartner für alle", resümiert der Rentner. 40 Jahre Arbeit für die Allgemeinheit – intensiv genug, um zu den 35 zu gehören, die heute ins Schloss Bellevue dürfen.

Termin beim Staatsoberhaupt

Sohn Klaus schaut auf die Uhr, es wird langsam Zeit, aufzubrechen. Der Festakt beginnt um elf. Die Gallellis fahren im eigenen Auto zum Amtssitz des höchsten Repräsentanten Deutschlands. Schloss Bellevue ist ein weißer Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert im Berliner Bezirk Tiergarten. Dort im ersten Stock, im großen Saal mit Stuck an der Decke und ausladenden Kronleuchtern sind fünf Stuhlreihen. Parfümschwaden hängen in der Luft. Die Geladenen tragen Abendgarderobe. "Da ist schon ein wenig die Befürchtung, etwas falsch zu machen", meint Gallelli und geht zu seinem Platz in der ersten Reihe.

Es sind viele Prominenten links und rechts neben ihm. Die Schauspielerin Meret Becker, der Journalist Fritz Pleitgen, der Staatsrechtler Josef Isensee – der Bergmann aus dem Saarland sitzt etwas steif auf seinem Stuhl. Dann kommt Bundespräsident Joachim Gauch durch eine der Flügeltüren herein und tritt ans Rednerpult. "Viele außergewöhnliche Menschen schmücken heute das Schloss Bellevue", sagt er und wie wichtig das für Deutschland sei, dass sie sich so vorbildhaft eingesetzt hätten. Er freue sich, ihnen den Verdienstorden zu überreichen.

Ausschnitt aus: Gruppenfoto im Schloss Bellevue: Der ehemalige Hauer Ramon Gallelli aus dem Saarland bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes Foto: Heiner Kiesel (DW)
Ein Bergmann im Schloss Bellevue: Ramon Gallelli (M.) mit seinem BundesverdienstkreuzBild: DW/Heiner Kiesel

Ein Orden für besondere Anlässe

Es geht nach dem Alphabet. Gallelli ist der siebte. Er wird aufgerufen und während eine Dame im schwarzen Kleid seine Verdienste vorträgt, läuft der 77-Jährige die fünf Schritte zu Gauck. "Es freut mich sehr", sagt der Bundespräsident und überreicht ihn die Schatulle mit dem Orden und eine Kladde mit der Verleihungsurkunde. "Mich auch", antwortet Gallelli. 47 Sekunden dauert sein großer Moment, dann sitzt er wieder auf seinem Platz.

Als die Verleihungszeremonie vorbei ist, steht der frische Bundesverdienstkreuzträger wieder bei seiner Familie. Er trägt das rote Kreuz mit dem Bundesadler, Achsenlänge 55 Millimeter, an der linken Brust. "War doch gar nicht so schlimm, oder?", freut sich Gallelli. Seine Augen leuchten stolz. Das große Abzeichen ist für große Feiern, bei denen man Frack trägt. Eine Miniatur mit Anstecknadel davon hat er auch, für andere offizielle Anlässe. Es war schön, sagen Kinder und Frau, aber gut, dass der förmliche Teil vorbei ist. Jetzt kommt noch ein Umtrunk mit Gauck. Tochter Ruth mustert den Orden. "Er ist ja doch sehr stolz darauf", meint sie grinsend. "und weil er das Bundesverdienstkreuz ja nicht immer tragen kann, müssen wir mal sehen, ob wir  einen Bademantel haben, an dem er es auch zu Hause anstecken kann."