Dauerprotest in Kameruns "Geisterstädten"
28. Oktober 2023Es ist zehn Uhr morgens in Mile 2 Nkwen, einem Ortsteil von Bamenda im Nordwesten Kameruns (siehe Karte). Die Straßen sind menschenleer. Seit vor sieben Jahren wütende Proteste der Separatisten in bewaffnete Auseinandersetzungen mündeten, verwandeln sich die Städte im englischsprachigen Teil des Landes Montags regelmäßig in Geisterstädte.
In vielen Gemeinden wird von den Menschen erwartet, dass sie zuhause bleiben. Die Märkte sind geschlossen, in den Büros herrscht Ruhe, und die Straßen sind verlassen.
Durchgesetzt wird die montägliche Ausgangssperre von Separatisten. Sie hoffen, dadurch die Regierung in der Hauptstadt Jaunde zu Zugeständnissen an die anglophone Gemeinschaft zu bewegen. Einwohner, die sich nicht an den Lockdown halten, riskieren, angegriffen, entführt oder sogar erschossen zu werden.
Seit englischsprachige Separatisten 2017 eine Rebellion gegen die Regierung starteten, leidet Kamerun unter bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Dissidenten streben eine Abspaltung der Region von dem von der französischsprachigen Mehrheit dominierten Gebiet und die Gründung eines unabhängigen, englischsprachigen Staates an.
Währenddessen versucht die Bevölkerung in den Geisterstädten, der Isolation und Langeweile an den Montagen durch eigene Initiativen zu entkommen. Die Menschen engagieren sich in gesellschaftlichen Vereinen und Sportclubs, Kredit- und Sparvereinen, Chören und Debattierclubs.
Netzwerken gegen Langeweile
Ein wirtschaftliches Netzwerk in Bamenda kommt all seinen Mitgliedern zugute. Dort werden finanzielle Beiträge gespart, gebündelt und nach einem Rotationsprinzip an die einzelnen Mitglieder ausgezahlt.
Der Vorsitzende des sozialen Netzwerks "Prosperous Neighbors" (Wohlhabende Nachbarn), Ambechi Louis, berichtet, dass die Mitglieder Wege finden, die Hoffnung trotz der prekären Sicherheitslage nicht zu verlieren. "Wir nutzen jetzt die Montage für unsere Treffen. Zuvor hielten wir sie sonntags ab, aber oft hatten die Leute andere Verpflichtungen. Da die Montage in der Region frei sind, können mehr Menschen teilnehmen", berichtet er der DW.
Carine gehört einem sozialen Netzwerk an, das sich ausschließlich an Frauen richtet. Die "freien" Montage gäben ihr die Gelegenheit, ihre Nachbarn besser kennenzulernen, sagt sie, denn den Rest der Woche seien alle zu beschäftigt.
"Wir engagieren uns für nachbarschaftliche Solidarität und anderswo, zum Beispiel in Sportvereinen. Montag ist ein Tag, an dem man zuhause bleibt, also wollen wir diesen Tag nutzen, um uns zu bewegen, um uns in Online-Gruppen zu beteiligen, die Wäsche zu waschen, Freunde zu treffen und Kontakte zu pflegen", meint sie.
Kneipen freuen sich über Umsatz
Vielerorts profitieren die Kneipen von den Geisterstadt-Tagen. Einige haben montags sogar nur für Mitglieder geöffnet und bedienen niemanden von außerhalb. Ein Kneipenbesitzer, der allgemein unter dem Namen "Spice Boy" bekannt ist, bestätigt, dass Fremden aus Sicherheitsgründen der Zutritt verwehrt bliebe. Ortsansässige würden jedoch bedient.
"Die Tage mit gutem Umsatz sind die Montage", berichtet er der DW. "Dafür gibt es einen einfachen Grund: Versammlungen sind alle von sonntags auf montags verschoben worden. Nach diesen Versammlungen wollen die Leute etwas trinken und sich unterhalten."
An einem normalen Tag, so "Spice Boy", verdient er 50 bis 70 Euro, doch an Geisterstadt-Tagen kann es doppelt so viel sein. "Die Montage können sehr langweilig sein, und um dem zu entfliehen, kommen die Leute hierher, um etwas zu trinken", fügt er hinzu.
Lokale Wirtschaft liegt am Boden
Einige Beobachter machen sich jedoch Sorgen um die Auswirkungen der Geisterstadt-Tage auf die wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region. "'Geisterstädte' sind sehr schlecht für die Wirtschaft", sagt Volkswirtschaftler Stephen Nsum, ein in Bamenda lebender Universitätsdozent, zur DW.
"Bamenda hat zum Beispiel seinen Rang als am schnellsten wachsende Stadt in dieser Teilregion verloren." Er ist der Überzeugung, dass Armut und soziale Probleme zunehmen werden, wenn die Ausgangssperre nicht beendet wird.
"Tausende haben ihre Jobs verloren, weil die Gehälter nicht bezahlt werden können. Die Investoren haben sich aus den beiden anglophonen Regionen zurückgezogen, und sogar der größte öffentliche Arbeitgeber nach dem öffentlichen Dienst liegt am Boden", sagt Nsum und fügt hinzu: "Wenn die 'Geisterstädte' eingestellt werden, besteht die Hoffnung, dass die Region sich wirtschaftlich erholen kann."
Für den Moment aber bleiben die englischsprachigen Regionen Kameruns Konfliktgebiete, in denen Menschen ihr Leben verlieren, Eigentum zerstört wird und sich die humanitäre Krise verschlimmert.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.