Der ehemalige Experte für Informationen
9. November 2015Der Fußballfreund bekommt von den Funktionären seines Lieblingssports in der Regel nur wenig mit. Die wirken schließlich im Hintergrund und sind daher vorzugsweise unauffällig. Bei Wolfgang Niersbach war das etwas anders: Der Rheinländer hatte eine joviale und freundliche Art, mit der er in Interviews, am Rande von Länderspielen etwa, gut "rüberkam".
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Theo Zwanziger, Egidius Braun und Gerhard Mayer-Vorfelder war Niersbach eben kein Jurist, sondern Journalist. Er konnte auch komplizierte Sachverhalte gut verkürzen und schnell verständlich aufbereiten. Er war lockerer und wirkte zugänglicher als seine Vorgänger und viele seiner Kollegen.
Fan der Nationalmannschaft
Der 1950 in der Nähe von Düsseldorf geborene Niersbach war als Kind "fußballverrückt". Er habe, sagte er einmal, das Buch "3:2" von Fritz Walter, dessen Thema der Gewinn des ersten Weltmeistertitels für Deutschland ist, fast auswendig gekonnt. So schien die Karriere des Mannes, der bis zu diesem Montag dem größten Sportfachverband der Welt vorstand, fast vorgezeichnet. Dem Fußball war er beruflich stets verbunden.
Als 23-jähriger begann er ein Volontariat beim Sportinformationsdienst (SID) und durfte schon bald über die Spiele von Auswahlmannschaften berichten. Neben Eishockey war das vor allem der Fußball. 1977 übernahm er beim SID die Verantwortung für den Bereich Fußball und versäumte seither "höchstens zehn Länderspiele", wie er einmal stolz erzählte.
Vom Fragesteller zum Befragten
Den entscheidenden Karriereschritt in Richtung Sportfunktionär tat er vor der Fußball-Europameisterschaft 1988, die in Deutschland stattfand. Zur Vorbereitung des Turniers berief ihn der DFB in das Organisationskomitee, in dem Niersbach für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig war.
Dem damaligen DFB-Präsidenten Hermann Neuberger war Sachverstand und Engagement des Sportjournalisten aufgefallen. Er machte ihm das Angebot, in die DFB-Zentrale nach Frankfurt zu wechseln. Dort wurde Niersbach, wie ein Sportmagazin schrieb, "vom Fragesteller zum Befragten". Später gab er zu, dass die Umstellung für ihn viel schwerer gewesen sei, als er vorher gedacht hatte.
Beim DFB krempelte der Journalist, der verstand, was die Presse brauchte und wie man Informationen vermittelte, ohne die Kontrolle über sie zu verlieren, die Medienarbeit des Fußball-Bundes um. Er gestaltete das "DFB-Journal" neu und legte besonderen Wert darauf, den Journalisten bei Länderspielen und Turnieren umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen.
Niersbach wusste, dass die Medienarbeit auch an der Leistung der Nationalmannschaft gemessen wird: "Wenn wir in der Vorrunde ausscheiden, war alles schlecht, auch die Medienarbeit", zitierte ihn 1998 ein Sportmagazin. Er wusste aber auch, dass die Wahrnehmung der Mannschaft in der Öffentlichkeit stark von der Qualität der Medienarbeit abhängt und wie wichtig die Außendarstellung des DFB für den Erfolg des Verbandes und seiner Nationalmannschaft ist.
Freund des Kaisers
2000 entschied die FIFA, das Weltturnier 2006 nach Deutschland zu vergeben. Zur Zeit der Kandidatenkür, bei der Südafrika Deutschlands härtester Konkurrent war, ergaben Umfragen, dass rund 90 Prozent der Bundesbürger eine WM-Vergabe nach Deutschland begrüßen würden.
Dieses positive Ergebnis wurde damals auch der Arbeit von Wolfgang Niersbach zugeschrieben. Das Fußballmagazin "Kicker" etwa schrieb: "Diese auch die FIFA beeindruckende Zahl ist vor allem das Ergebnis der zurückhaltenden, aber zielsicheren Öffentlichkeitsarbeit, für die DFB-Mediendirektor Wolfgang Niersbach verantwortlich ist."
Schon in diesem Zusammenhang wies der "Kicker" auf die engen persönlichen Kontakte Niersbachs zu Franz Beckenbauer hin. Der Düsseldorfer sei deshalb doch, so das Fachblatt, wie geschaffen, in enger Zusammenarbeit mit dem "Kaiser" auch die WM in Deutschland zu organisieren. Tatsächlich wurde Niersbach im Juli 2001 in das Organisationskomitee (OK) für die WM berufen. Als Vizepräsident des OK verantwortete er unter anderem "Kommunikation/Medien, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Informationstechnologie".
Generalsekretär und Präsident
Die erfolgreiche Organisation des Weltturniers 2006, wegen seines außergewöhnlichen Erfolges im In- und Ausland das "Sommermärchen" genannt, war das Meisterstück Wolfgang Niersbachs. Seine damals errungene Reputation und seine erfolgreiche Arbeit als "Verkäufer und Präsentator" der Fußball-Nationalmannschaft ließen die folgenden Karriereschritte beinah folgerichtig erscheinen:
Im Oktober 2007 wurde Niersbach vom DFB-Bundestag in Mainz einstimmig zum neuen Generalsekretär gewählt. In seine Zeit auf diesem Posten fiel auch eine erfolgreiche Periode der in den Jahren zuvor sportlich arg gebeutelten deutschen Nationalmannschaft: Die DFB-Elf wurde 2008 Vize-Europameister und 2010 WM-Dritter.
Nach vier Jahren als Generalsekretär trat Niersbach die Nachfolge von Theo Zwanziger an: Am 2. März 2012 wählte man ihn - wieder einstimmig - zum DFB-Präsidenten. 2013 machte er dann den Schritt ins UEFA-Exekutivkomitee und seit März 2015 sitzt er auch im Exekutivkomitee des Weltfußballverbandes FIFA.
Mann der Öffentlichkeit, aber kein öffentlicher Mensch
Wolfgang Niersbach ist ein Mensch, der in der Öffentlichkeit gut ankommt: "Der Niersbach, das ist ein ganz, ganz Guter", verriet beispielsweise Weggefährte Beckenbauer im Oktober 2010 dem Fußballmagazin "Kicker". Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bescheinigte ihm nur wenige Tage später, "der große Kommunikator des DFB" zu sein und hob seine "personifizierte Verbindlichkeit" hervor.
Sein gutes Bild in der Öffentlichkeit wurde nicht durch Enthüllungen aus dem Privatleben konterkariert. In dieser Beziehung war der Kommunikationsprofi Niersbach nämlich eher verschlossen. Es ist bekannt, dass Niersbach Mitglied in einem Düsseldorfer Karnevalsverein ist, verheiratet ist und zwei Kinder hat. Im November letzten Jahres zeigte er sich erstmals mit seiner Freundin in der Öffentlichkeit. 2011 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen.