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"Der Faktor Unberechenbarkeit in Nordkorea "

Esther Felden9. Dezember 2013

Nordkorea hat die Entmachtung des Kim-Onkels Jang Song Thaek bestätigt. Es kursieren Gerüchte, er sei hingerichtet worden. Dass er in Ungnade fiel, kann verschiedene Gründe haben, meint Norbert Eschborn von der KAS.

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Norbert Eschborn, Landesvertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul (Foto: Norbert Eschborn)
Bild: privat

Deutsche Welle: Herr Eschborn, Nordkorea hat die Entmachtung des einflussreichen Onkels von Kim Jong Un, Jang Song Thaek, offiziell bestätigt. Der Schritt wird international als bedeutende politische Umwälzung gedeutet. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

Das ist in der Tat sehr bedeutend, denn Jang Song Thaek galt spätestens seit der Nachfolge Kim Jong Uns im Amt des Staatsführers als die eigentliche graue Eminenz hinter dem jungen unerfahrenen Diktator, der nach koreanischem Maßstab natürlich viel zu jung ins Amt gekommen war und auch durch den frühen Tod seines Vaters sehr wenig Vorbereitungszeit hatte, um sich dort einzufinden. Bei seinem Vater war die Situation ja völlig anders. Er hatte fast zwei Jahrzehnte Zeit, sich einzuarbeiten.

Kim Jong Uns Machtantritt im Dezember 2011 kam doch sehr überraschend, und insofern gingen damals die Nordkorea-Experten davon aus, dass er im Wesentlichen zwei Stützen haben würde, nämlich einmal seine Tante, die im Politbüro sitzende Schwester des verstorbenen Vaters, Kim Kyong Hui - und eben ihren Mann, Jang Song Thaek. Man hatte die Vorstellung, dass die beiden als Mentoren für ihn tätig sein würden und ihn darüber hinaus natürlich auch anleiten, beraten und sicherlich auch vor schädlichen Einflüssen schützen würden. Das war vor zwei Jahren die anfängliche Vorstellung.

Und was besagt jetzt diese Absetzung?

Daraus kann man mehrere Schlussfolgerungen ziehen. Der Prozess der Machtkonsolidierung Kim Jong Uns scheint voranzuschreiten. Ich würde noch nicht sagen, dass er abgeschlossen ist, aber er ist sehr weit vorangeschritten. Wir haben in den letzten zwei Jahren beobachten können, wie viele ehemals mächtige Männer aus Armee und Partei verschwunden sind. Aus heutiger Sicht wurden sie eher im Rahmen der Machtkonsolidierung Kim Jong Uns von ihren Posten entfernt, nicht im Rahmen eines Generationswechsels.

Dass es bis zu Jang Song Thaek nach oben gehen würde, ist sicherlich überraschend, aber in dem unberechenbaren politischen Gesamtkontext in Nordkorea auch nicht so ungewöhnlich. Die interessante Frage dürfte die nach den Ursachen sein. Es sind ja auch zwei seiner engsten Vertrauten im November öffentlich exekutiert worden. Sicher haben konkurrierende Stellen im Machtapparat den Macht- und Einflusszuwachs Jang Song Thaeks in den letzten zwei Jahren nicht ohne Eifersucht beobachtet. Und es ist auch denkbar, dass dieser Machtzuwachs vielleicht auch dem jungen Diktator selbst als Herausforderung seiner eigenen Position erschienen ist und er deshalb gegen denn Mann seiner Tante vorgegangen ist.

Offiziell hieß es von Seiten der nordkoreanischen Führung, Jang habe "hinter den Kulissen ein Doppelspiel" betrieben und das "einheitliche Führungssystem der Partei unterlaufen". Was bedeutet das übersetzt?

Am Anfang tauchte gerüchteweise das Wort Korruption auf, aber ich glaube, Jang Song Thaek ist nicht der Mann, den man wegen Korruption aus dem Weg räumen muss. Ich könnte mir eben vorstellen, dass sein Einfluss vielen auf der oberen Macht- und Führungsebene in Pjöngjang zu weit gegangen ist. Denn das hätte bedeuten können, dass er wirklich Einfluss auf Richtungsentscheidungen nehmen konnte oder nehmen wollte. Man hat ihm ja nachgesagt, dass er eigentlich die treibende Kraft hinter möglichen Wirtschaftsreformen sein könnte: Reformen hin zu einer Lockerung des abgeschlossenen nordkoreanischen Systems, hin zu einer Annahme von Marktelementen in die geschlossene Planwirtschaft.

Sicher ist auch eine Diskussion über die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung im Gang gewesen. Das hat die Debatten immer bestimmt. Ich nehme es der nordkoreanischen Arbeiterpartei auch ab, dass sie das tun wollte. Aber natürlich würde das bedingen, die Politik des "Militär zuerst", die ja seit Kim Jong Il die vorherrschende Ideologie war, zumindest aufzuweichen. Denn nach inoffiziellen Angaben verschlingt diese Politik mindestens ein Viertel des Staatshaushalts. Geld, das anderswo fehlt, um die praktischen Lebensbedingungen der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. Und wer an diesem Machtmonopol des Militärs und dem Zugang zu diesen enormen Haushaltsmitteln rühren wollte, war sicherlich für diejenigen, die davon profitiert haben, eine Gefahr.

Die Bestätigung Nordkoreas kam mehrere Tage nach der ursprünglichen Meldung über die Entmachtung Jang Song Thaeks von Seiten des südkoreanischen Geheimdienstes. Sie leben in Seoul: Wie ist die Nachricht dort aufgenommen worden?

Es war eine mittelgroße Überraschung, aber man muss dazu die Hintergründe kennen, vor denen sich das hier in Seoul abgespielt hat. Im Moment steht der südkoreanische Geheimdienst NIS in der Kritik der Öffentlichkeit, weil ihm vorgeworfen wird, im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf im Dezember 2012 Mails an über hunderttausend Adressaten versendet zu haben, worin der Kandidat der Opposition sehr stark kritisiert und die später gewählte Präsidentin Park Geun Hye favorisiert wurde. Darüber schwelt seit Monaten ein Streit zwischen den beiden großen Parteien im Parlament.

Man hat dem Geheimdienst Einmischung in den Wahlkampf und in die politischen Angelegenheiten vorgeworfen, und Beobachter in Südkorea gingen davon aus, dass der NIS diese Informationen aus Nordkorea schon länger hatte, aber mit der Veröffentlichung so lange gewartet hat, um einfach der Öffentlichkeit und den politischen Führungszirkeln in Südkorea an einem doch sehr eindrucksvollen Beispiel zu demonstrieren, wie gut seine Quellen und seine nachrichtendienstliche Arbeit sind. Der ganze Vorgang hat eine starke innenpolitische Dimension. Natürlich wird in der südkoreanischen Presse ausführlich über die Hintergründe der Absetzung Jang Song Thaeks berichtet, spekuliert und analysiert. Aber immer im Zusammenhang mit der innenpolitischen Rolle des Auslandsgeheimdienstes.

Dr. Norbert Eschborn leitet das Auslandsbüro Korea der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul.