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Toter Punkt droht

Das Gespräch führte Klaudia Prevezanos30. November 2006

Sollte der Sudan eine gemeinsame Darfur-Truppe von Afrikanischer Union und UN endgültig ablehnen, ist unklar, wie die Staatengemeinschaft reagiert. Pekka Haavisto, Sudan-Beauftragter der EU, hofft auf Überzeugungsarbeit.

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Flüchtlinge aus Darfur in einem Lager im Nachbarland Tschad
Flüchtlinge aus Darfur in einem Lager im Nachbarland TschadBild: AP

DW-WORLD.DE: Die Resolution 1706 des UN-Sicherheitsrates vom Sommer über 17.000 UN-Soldaten und 3000 Polizisten für Darfur lehnt der Sudan ab. Mitte November hat UN-Chef Kofi Annan einen Kompromiss vorgelegt, der technische Unterstützung und eine von der Afrikanischen Union (AU) und den Vereinten Nationen (UN) gemeinsam geführte Friedenstruppe vorsieht. Welche Chancen hat das Angebot noch?

Pekka Haavisto: Kharthum hat bisher geantwortet, dass die Regierung die technische Unterstützung unter bestimmten Bedingungen akzeptiert, nicht aber die so genannte Hybrid-Truppe von AU und UN. Wenn die sudanesische Regierung diesen Kompromissvorschlag endgültig ablehnt, sind wir an einem toten Punkt angekommen. Das Mandat der AU läuft Ende 2006 aus. Die AU hat nicht genug finanzielle Mittel und weiß, dass sie mit ihrer jetzigen Struktur nicht alle ihre Aufgaben erfüllen kann.

Was ist der Plan, wenn der Sudan zu dem Kompromissangebot für eine AU-UN-Truppe endgültig Nein sagt?

Sudanesische Flüchtlinge aus Darfur auf der Flucht vor der Gewalt
Auf der Flucht vor der GewaltBild: AP

Ich kann das Interesse daran, ob es einen Plan B gibt, verstehen. Meine Erfahrung ist aber, dass es eine sensible Situation wie derzeit stören kann, wenn man mit alternativen Szenarien droht. Wir sollten unsere Arbeit jetzt darauf konzentrieren, dass die Regierung im Sudan die so genannte Hybrid-Truppe doch noch akzeptiert. Und zwar nicht nur die EU und die USA, sondern auch die afrikanischen Länder, speziell die Nachbarn. Auf einem Treffen im libyschen Tripolis kürzlich, an dem auch Sudans Präsident Omar Hassan Al-Baschir teilgenommen hat, ist deutlich geworden, dass Länder wie Äthiopien, Eritrea und Libyen den Sudan dahingehend beeinflussen und überzeugen können. Wir sollten die vor uns liegenden Tage und Wochen dazu nutzen. Wir haben dem Sudan deutlich gesagt, dass wir den Konflikt in Darfur nicht vergessen werden, dass wir bereit sind, den leidenden Menschen dort zu helfen und die humanitäre Katastrophe zu stoppen. Die Regierung in Khartum denkt wohl manchmal, dass der Westen Darfur zu viel Aufmerksamkeit schenkt, und dass es besser wäre, wenn wir zur Seite treten und die Menschen dort vergessen würden. Aber das werden wir nicht tun.

Unsere Nachricht an den Sudan beinhaltet aber nicht nur die Notwendigkeit der UN-Friedenstruppe, sondern auch einer politischen Lösung. Es ist eine neue Entwicklung der vergangenen Wochen, dass die Regierung im Sudan das nochmals überdenkt. Sie sieht ein, dass es notwendig ist, auch die Gruppen, die das Friedensabkommen von Abuja zwischen der sudanesischen Regierung und einzelnen Rebellengruppen nicht unterschrieben haben, zurück an den Verhandlungstisch zu holen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir in diesem Punkt demnächst Fortschritte sehen können.

Warum ist es überhaupt nötig, dass statt der AU-Soldaten UN-Truppen nach Darfur gehen?

Die AU hat sehr früh auf die Darfur-Krise reagiert, indem sie 7000 Soldaten geschickt hat, um die Flüchtlingscamps zu schützen. Aber Darfur ist so groß wie Frankreich und auch in letzter Zeit gab es weitere Gewaltausbrüche. Sie finden nicht nur statt zwischen der Regierung und den Rebellen, sondern auch zwischen den verschiedenen Rebellengruppen. Auch die arabischen Dschandschawid-Milizen und die Rebellen bekämpfen sich. Dies ist eine sehr komplexe Friedensmission. Die AU hat nicht genug Kapazitäten für schnelle Aktionen, beispielsweise Hubschrauber und Flugzeuge, um dorthin zu kommen, wo es aktuell Kämpfe gibt. Nach Meinung der EU hat nur die UN mit ihren Soldaten die Erfahrung für solche schnellen Einsätze.

Ein Problem ist, dass Präsident Al-Baschir und seine Regierung ein Szenario entwickelt haben, in dem die UN-Mission so etwas wie eine westliche Besetzung des Landes wäre und es eine versteckte Agenda hinter der UN-Resolution 1706 gibt. Das ist nicht nur schädlich für die UN-Mission, sondern macht auch den Hilfsorganisationen im Land große Schwierigkeiten, die immer mal wieder von der Bevölkerung bedroht werden.

Falls es eine UN-Truppe für Darfur geben sollte, wie würde die EU sich daran beteiligen?

Ich denke, das ist eine Verhandlungsfrage. Wenn es Befürchtungen gibt, dass der Westen eine geheime Agenda verfolgt, akzeptiert die EU, wenn die UN-Truppen alle aus afrikanischen, asiatischen und muslimischen Ländern kommen. Wir haben exzellente Friedenssoldaten aus Bangladesch, Pakistan und Indien. Auch Jordanien würde sich beteiligen. Der Beitrag der EU könnte einer sein, den wir jetzt auch schon leisten: Der Lufttransport der Soldaten aus ihren Heimatländern nach Darfur und zurück. Wir könnten mit Hubschraubern, Flugzeugen, Ausrüstung und technischen Experten helfen. Wir unterstützen auf diese Weise die AU und sind bereit, es auch für die UN tun. Es ist aber vor allem davon abhängig, welche Hilfe die UN anfordert. Wir haben Kofi Annan versichert, dass wir bereit sind, die UN-Friedenstruppe für Darfur in jeder Weise zu unterstützen.

Das Dschabal-Flüchtlingslager im Tschad
Das Dschabal-Flüchtlingslager im TschadBild: AP

Die UN vermeidet es weiterhin, von einem Völkermord in Darfur zu sprechen, andernfalls müsste sie dort sofort eingreifen. Halten Sie die Einschätzung, dass dort kein Genozid passiert, für richtig?

Wir haben alle eine persönliche Meinung dazu. Wichtig ist aber, dass die Vereinten Nationen eine Untersuchungskommission eingesetzt haben, als diese Genozid-Behauptungen aufkamen. Sie ist zu einem negativen Ergebnis gekommen. Es gab aber einzelne Merkmale, die einem Völkermord sehr nahe kommen. Die UN hat dies dem Internationalen Strafgerichtshof berichtet, um die Fälle zu untersuchen. Das waren zum einen Bombenangriffe der Regierung auf einige Dörfer in Darfur. Zum anderen Verbrechen von Dschandschawid-Milizen, die Mädchen und Frauen vergewaltigt haben, Dörfer niedergebrannt und die Einwohner getötet haben. Wir haben dem Sudan klar gemacht, dass die Täter vor Gericht gestellt werden müssen.

Sehen Sie die Gefahr, dass es in Darfur noch zum Völkermord kommen kann?

Ich sehe im Moment eine große Gefahr. In den vergangenen Wochen sind durch die andauernden Kämpfe 30.000 neue Flüchtlinge im Norden und Süden Darfurs hinzugekommen. Die humanitäre Situation hat sich deutlich verschlechtert. Es gibt auch bestimmte Flüchtlingslager und Gegenden, in denen die internationale Staatengemeinschaft die humanitäre Hilfe nicht mehr aufrechterhalten kann, weil die Kämpfe so nah sind oder sogar dort stattfinden. Die Menschen dort sind in einer extrem schwierigen Situation, wenn sie nicht mehr mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden können. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass der Konflikt in Darfur eskalieren kann. Zum einen, weil er sich nun über die Grenzen in den Tschad ausweitet. Ich habe Mitte November den Präsidenten und Premierminister des Tschad getroffen und hatte den Eindruck, dass die Situation an der Grenze nicht unter Kontrolle ist. Es gibt das Phänomen von arabischen Dschanschawid-Milizen nun auch auf der tschadischen Seite, Dörfer wurden niedergebrannt und Bewohner angegriffen. Zum anderen ist es möglich, dass sich die Flüchtlinge in einigen der Lager in Darfur Rebellengruppen anschließen. Dann könnte die Regierung die Camps als Angriffsziele betrachten. Wir haben die Regierung vor diesem Szenario gewarnt und gesagt, dass die Lager auf jeden Falls geschützt werden müssen.

Abgesehen von der Warnung: Wie reagiert die EU auf die Ausweitung des Darfur-Konflikts auf den Tschad?

Im Moment diskutieren wir mit den tschadischen Behörden, ob internationale Beobachter die Lage rund um die Lager an der Grenze im Auge behalten sollen. Außerdem versuchen wir den Tschad und Sudan davon zu überzeugen, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Präsidenten beider Länder sind im Kontakt und ich hoffe, dass diese Gespräche zu einer friedlichen und gemeinsamen Lösung im Grenzgebiet führen.

Pekka Haavisto, 2002 noch im Auftrag der UN
Pekka Haavisto, 2002 noch im Auftrag der UNBild: AP

Der Finne Pekka Haavisto (Jahrgang 1958) ist seit 2005 EU-Sonderbeauftragte für den Sudan. Zuvor war er in seinem Heimatland Minister für Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit, Mitglied des finnischen Parlaments und Sprecher der Europäischen Grünen. Für die UN war er für die Beurteilung ehemaliger Krisenregionen wie dem Balkan, Afghanistan, dem Irak, Liberia und den Palästinensergebieten zuständig.