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KonflikteAsien

Nach Luftschlag auf Ismail Hanija: Iran unter Schock

Darko Janjevic
1. August 2024

Hamas-Führer Ismail Hanija ist bei einem Angriff auf eine Hochsicherheitsresidenz in Teheran getötet worden - ein demütigender Schlag für den iranischen Sicherheitsapparat.

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Iran Teheran | Nachrichten nach Tod von Ismail Haniyeh bei israelischem Luftangriff
Nachrichtensendung im Iran, in der über den Tod von Hamas-Führer Ismail Hanija berichtet wird.Bild: Fatemeh Bahrami/Anadolu/picture alliance

Mit Racheschwüren reagiert die iranischen Führung auf die Explosion, die den politischen Führer der Hamas, Ismail Hanija, in Teheran tötete. Israel sei ein "kriminelles, terroristisches zionistisches Regime" und für das "bittere, tragische Ereignis" verantwortlich. Mit der Tötung Hanijas habe Israel "den Boden für eine schwere Strafe bereitet", droht Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei auf seiner Website und fügt hinzu, dass "wir glauben, dass es unsere Pflicht ist, Rache zu nehmen".

Israel hat bisher keine Verantwortung für den Angriff übernommen.

Hanija war zu einem offiziellen Besuch im Iran, als er getötet wurde. Am Dienstag traf er sich mit Chamenei, nahm an der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Masoud Peseschkian teil und posierte auch für Fotos im Parlament. Anschließend wurde er unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in eine Sonderresidenz im Norden Teherans gebracht. In der Nacht wurde er offenbar bei einem gezielten Angriff getötet. Es wird angenommen, dass auch sein palästinensischer Leibwächter ums Leben kam.

Ismail Hanija - wer war der getötete Hamas-Chef?

Spott und Hohn für die Iranischen Geheimdienste

In den iranischen sozialen Medien zeigen die Reaktionen weniger Wut über den Vorfall als vielmehr Spott in Richtung des riesigen Sicherheitsapparat des Landes, dem es nicht gelungen war, den Angriff zu verhindern. "Mitten in Teheran, unter den Augen Dutzender Behörden und Tausender Sicherheitsbeamter, am bedeutendsten Tag der Regierung, wurde der wichtigste Gast dieser Regierung getötet", schrieb der Menschenrechtsaktivist und politische Journalist Mehdi Mahmoudian in einem Online-Post.

Wie viele andere verspottete er die Sicherheitsdienste dafür, dass sie bei anderen Themen wie Hidschab-Verstößen wachsam seien und gleichzeitig öffentlichkeitswirksame Anschläge wie den in Teheran zuließen, der nur wenige Stunden nach dem Angriff Israels auf den obersten Hisbollah-Kommandeur Fouad Shukur in Beirut erfolgte.

Sowohl die Hamas als auch die Hisbollah werden von den USA, Deutschland und vielen anderen Ländern als Terrorgruppen eingestuft. Beide werden vom Iran unterstützt, wobei die Hisbollah, eine schiitische Gruppe und besonders loyal zu Ayatollah Chamenei, als wertvollerer Partner gilt als die Hamas.

Naher Osten am Rande des Abgrunds?

Die beiden Tötungen haben den Iran unter enormen Druck gesetzt, gegen Israel zurückzuschlagen, welches das Regime in Teheran für die Angriffe auf seine Verbündeten verantwortlich macht. Die Unterstützer des Regimes wollen, dass Teheran Vergeltung übt: "Wenn Teheran jetzt nicht reagiert, wird es vom heimischen Publikum verspottet werden, während andere Gäste aus der ‚Achse des Widerstands‘ – insbesondere (der oberste Hisbollah-Führer Hassan) Nasrallah oder andere palästinensische Offizielle – nicht mehr nach Teheran kommen würden", schrieb die regimenahe Journalistin Fereshteh SadeghI in einem Online-Beitrag.

Die in Berlin lebende iranische Menschenrechtsaktivistin Daniela Sepehri hält dieser Pro-Regime-Gefühlslage entgegen: "Dass der Hamas-Terrorist Haniyya in Teheran eliminiert wurde, ist für das Regime äußerst peinlich."

"Sie (das iranische Regime) waren nicht einmal in der Lage, ihren engsten Verbündeten im eigenen Land zu schützen. Der erste Arbeitstag des neuen Präsidenten Masoud Peseschkian beginnt mit einer Blamage für die Terroristen und einem Teilsieg für die Freiheitsbewegung", sagt Sepehri im Gespräch mit der DW.

"Die Hamas ist eine Terrororganisation, die ideologisch, finanziell und militärisch von der Islamischen Republik Iran unterstützt wird" und für den Terror gegen Israel und die palästinensischen Gebiete verantwortlich sei, fügte sie hinzu.

Marschflugkörper tötet Hamas-Führer

Bei ihrer Antwort wird die iranische Führung alle möglichen Reaktionen Israels berücksichtigen müssen. Die Region steht bereits am Rande des Abgrunds wegen des Krieges zwischen Israel und der Hamas in Gaza.

Der Iran ist zwar bereit, die Hamas, die Hisbollah und die Huthi-Rebellen bei begrenzten Aktionen gegen Israel und den Westen zu unterstützen. Bisher hat er aber einen umfassenden Krieg vermieden. Ein direkter Angriff auf Israel könnte die USA dazu bewegen, ihren engsten Verbündeten zu schützen, und damit wiederum das Überleben des islamischen Regimes bedrohen. Stattdessen könnte der Iran versuchen, israelische Offizielle ins Visier zu nehmen, oder von ihm unterstützte Organisationen in der Region aufzufordern, Ziele in Israel anzugreifen.

Keine Sicherheit im Iran

Der Strategie-Analyst Damon Golriz sagte der DW, ein regionaler Krieg könne nur vermieden werden, wenn Washington "sein eisernes Engagement für Israels Sicherheit bekräftigt, indem es seine militärische Stärke in der Region unterstreicht" und "eine echte Abschreckung für den Iran schafft". Aber selbst wenn es nicht zu einem Showdown zwischen den USA und dem Iran käme, würde das iranische Regime im Falle einer von ihm in Bewegung gesetzten militärischen Eskalation erneut mit Unmut in der eigenen Bevölkerung konfrontiert werden.

Die britisch-iranische Journalistin Shahran Tabari sagte, gewöhnliche Iraner verspürten "keine Feindseligkeit gegenüber dem Volk Israels oder Palästinas" und seien nicht bereit, Hamas und Hisbollah zu unterstützen. Sie geht davon aus, das Regime werde "versuchen, sich zurückzuziehen, aber es ist nicht absehbar, dass es Erfolg haben wird".

Schließlich bringt der jüngste Bombenanschlag in Teheran die iranische Führung in eine besonders riskante Zwickmühle. Wenn Israel tatsächlich hinter dem Angriff steckt, sendet der Angriff auch die Botschaft, dass Israel in der Lage ist, jeden iranischen Führer ins Visier zu nehmen, wo immer er sich befindet.

Dies könnte die iranische Regierung dazu veranlassen, Pläne für einen groß angelegten Angriff nicht weiter zu verfolgen. Iranische Offizielle könnten aber ebenso entscheiden, dass eine harte Reaktion als Abschreckung dienen und sie vor ähnlichen Angriffen in der Zukunft schützen wird.

Die Farsi-Redaktion der DW hat an diesem Bericht mitgearbeitet.

Eine eventuell missverständliche Formulierung über den Krieg in Gaza wurde nachträglich korrigiert. Fereshteh Sadeghi wurde als regimenahe Journalistin eingeordnet. Der Beitrag wurde ferner mit einem Statement einer iranischen Menschrechtsaktivistin ergänzt.