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Der Kaiser

Tillmann Bendikowski26. März 2014

Zwischen Kriegsbegeisterung und Skepsis: Wie haben die Deutschen den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erlebt? Wir zeigen deutsche Schicksale 1914. Diese Woche: Wilhelm II.

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Bildergalerie Kaiser Wilhelm II.
Bild: picture-alliance/akg-images

Wenn ein Kaiserreich in den Krieg zieht, wird der Monarch zum obersten Kriegsherrn, zur zentralen politischen und militärischen Figur. Im Falle Deutschlands ist es rückblickend allerdings überraschend, wie sehr es Wilhelm II. an der Fähigkeit mangelt, das Geschehen tatsächlich zu lenken: An der Spitze des deutschen Volkes steht im Sommer 1914 ein Mann, der schon seit langem Einfluss auf die Reichsführung verloren hat und nun von der konkreten Kriegsführung ausgeschlossen ist.

Seinen größten Erfolg hat Wilhelm vielleicht mit seiner Rede am 31. Juli 1914 vom Balkon seines Berliner Schlosses, in der er behauptet, man habe dem Land "das Schwert in die Hand" gedrückt. Die Legende von der Kriegsunschuld ist geboren, dient der Mobilisierung sogar bisheriger Kriegsgegner (vor allem der SPD) und wird sich auch nach 1918 hartnäckig halten. Dass das Deutsche Reich die Eskalation der internationalen Krise indes entscheidend vorantrieb und Österreich trotz der Gefahr eines Weltkriegs zum Vorgehen gegen Serbien drängte - das wird verschwiegen.

Was das Kriegshandwerk angeht, wäre Wilhelm gerne der oberste Soldat. Doch tatsächlich hat er keinen Überblick über die strategischen Planungen, gilt als schlechter Taktiker und ist zur operativen Führung eines Kriegsheeres unqualifiziert. Aber der 55-Jährige legt Wert darauf, zumindest den Anspruch und den Anschein seiner Führungsfunktion zu wahren. Seine Militärs tun ihm den Gefallen und stellen ihn als den eigentlichen Kriegsherren dar - im Gegenzug verspricht Wilhelm, dass er sich nicht in ihre Operationen einmischt. Generalstabschef Moltke erteilt er die Vollmacht, in seinem Namen Befehle zu auszusprechen.

Erzherzog Franz Ferdinand besucht Kaiser Wilhelm II.
Der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand besucht Kaiser Wilhelm II. 1909 in Berlin. Fünf Jahre später sollte die Ermordung des Kronprinzen zum Ersten Weltkrieg führen.Bild: picture-alliance/dpa

Zur Inszenierung gehört, dass sich der Kaiser ab August 1914 im Großen Hauptquartier im Kreise der militärischen Führung aufhält. Dort ist er irgendwie mitten drin - und doch außen vor. Da seine Stimmungsschwankungen berüchtigt sind, wächst die Angst vor einem Nervenzusammenbruch des Monarchen. Die Schonung seiner Nerven wird für seine Umgebung in den Kriegsjahren geradezu zur wichtigsten Aufgabe. Informationen über den Kriegsverlauf erhält Wilhelm nur gefiltert: Schlechte Nachrichten werden ihm möglichst vorenthalten, von laufenden Operationen erfährt er nur mit Verzögerung. Das befördert seine Orientierungslosigkeit zusätzlich, und die Bankrotterklärung dieses Kaisers ist vorprogrammiert: Er hat in der politischen Krise 1914 versagt, jetzt überlässt er den Krieg seinen Generälen - und wird zu einem Frieden unfähig sein.