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Innere Sicherheit an erster Stelle

Wesel, Barbara7. Januar 2016

Präsident Hollande verspricht am Tag der Anschläge gegen Charlie Hebdo verschärfte Gesetze im Kampf gegen den Terror. Und ein weiterer Anschlag erinnert an die angespannte Sicherheitslage. Barbara Wesel aus Paris.

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Frankreich Hollande Neujahrsrede Jahrestag des Anschlags auf Charlie Hebdo
Bild: Reuters/M. Bureau

Auch ein Jahr nach den Anschlägen auf "Charlie Hebdo" bleibt die Sicherheitslage in Paris angespannt. Gegen Mittag wurde bekannt, dass die Polizei einen Mann erschossen hat, der im 18. Arrondissement versucht hatte, in das Polizeirevier Goutte d'Or einzudringen. Der mutmaßliche Angreifer habe dabei ein Messer gezogen, so Augenzeugenberichte. Dann habe er "Allahu Akbar" gerufen, er soll möglicherweise einen Sprengstoffgürtel getragen haben. Innenminister Cazeneuve fuhr sofort zum Ort des Geschehens, weiträumige Absperrungen wurden errichtet.

Die Polizei ist seit dem vergangenen Jahr auf solche Vorfälle vorbereitet und handelt schnell, Bewaffnete sichern nach wie vor die meisten öffentlichen Gebäude. Nach wie vor sei die Bedrohungslage in der französischen Hauptstadt hoch, erklären die Behörden.

Erinnerung an Charlie Hebdo

Die Passanten, die an diesem Morgen im Winterregen über die Place de la Republique eilten, gaben dem Gedenken einen kurzen Moment: "Wir dürfen sie nicht vergessen", sagt eine junge Frau und zeigt auf die Blumen und Kerzen, die zur Erinnerung an alle Opfer der Anschläge des vergangenen Jahres zu Füßen der riesigen Statue der Marianne liegen, des Symbols der französischen Republik. "Ich habe keine Angst mehr, aber ich bin immer noch voller Wut auf die Täter", sagt ein junger Mann. Und es sei wichtig, immer weiter für die Meinungsfreiheit zu kämpfen.

Frankreich Francois Hollande enthüllt Gedenktafel in Paris (Foto: Reuters/B. Tessier)
Der Präsident und Charlie Hebdo. Enthüllung der Gedenktafel ein Jahr danachBild: Reuters/B. Tessier

In der Rue Nicolas-Appert, vor den früheren Redaktionsräumen von Charlie Hebdo ist von den Anschlägen nicht mehr viel zu sehen. Oben am Haus ist eine Tafel mit den Namen der Opfer angebracht worden, über Nacht wurde inzwischen auch der Name des Karikaturisten Wolinski korrigiert. Neben der Eingangstür liegen gerade noch zwei Kränze, einer ist von Präsident Francois Hollande, der hier schon am Dienstag ein kurzes Gedenken abgehalten hatte. Verschwunden das Meer von Kerzen und Blumen, das sich vor einem Jahr rings um das Gebäude angesammelt hatte. Und verschwunden sind auch alle Spuren des Anschlages in den früheren Redaktionsräumen. Die Einschusslöcher sind mit Putz gefüllt, die Räume frisch gestrichen: Nichts mehr erinnert in den leeren Büros an die blutigen Ereignisse des 7. Januar letzten Jahres. Die Redaktion von Charlie Hebdo ist in neue Räume im Süden von Paris umgezogen, die mit Sicherheitsschleusen versperrt sind wie ein Bunker. Die Adresse wird geheim gehalten, alle Mitarbeiter stehen ständig unter Polizeischutz.

Hollande verspricht Gesetzesänderungen

Der Präsident spricht aus Anlass des Jahrestages an diesem Donnerstag vor Polizisten, Rettungskräften und Anti-Terror-Einheiten im Hof der Pariser Polizeipräfektur. Francois Hollande erinnert zunächst an die drei Polizisten, die im Zusammenhang mit Charlie Hebdo starben. Und er verkündet seine politischen Pläne zur Verschärfung von Gesetzen, die in den nächsten Wochen im Parlament debattiert werden. Hollande will einen neu definierten Ausnahmezustand in die Verfassung aufnehmen lassen, den Waffengebrauch für die Polizei neu regeln, und ihre Eingriffsrechte erweitern. Künftig soll die Polizei ohne richterliche Anordnung Personen, Fahrzeuge und Wohnungen durchsuchen dürfen.

Die elektronische Überwachung von Verdächtigen soll erleichtert und Syrien-Rückkehrer unmittelbar unter Überwachung gestellt werden. Diese Maßnahmen verstärken die Rechte der Sicherheitskräfte und schränken die richterliche Kontrolle ein. "Wir sind noch nicht dort, aber wir bewegen uns in Richtung eines Polizeistaates", sagt der Abgeordnete Julien Dray vom linken Flügel der regierenden Sozialisten.

Frankreich Polizei erschießt Mann vor Pariser Kommissariat(Foto:@ Getty Images/AFP/L. Bonaventure)
Die französische Polizei erschießt einen mutmasslichen Attentäter vor einem KommissariatBild: Getty Images/AFP/L. Bonaventure

Staatbürgerschaft aberkennen?

Umstritten ist dabei vor allem der Vorschlag der Regierung, aus Syrien zurückkehrenden IS-Kämpfern mit doppelter Staatsbürgerschaft den französischen Pass abzunehmen. Ein Sturm der Empörung erhob sich bei den Sozialisten: Man dürfe Zuwanderer nicht in dieser Form diskriminieren. Premier Manuel Valls stellte gestern jedoch im Interview klar, dass eine Aberkennung der Staatsbürgerschaft für alle aus Syrien zurückkehrenden islamistischen Kämpfer nicht möglich sei: "Wir können keine Staatenlosen schaffen", erklärte Valls, eine Gleichbehandlung an diesem Punkt sei nicht möglich. Die Regierung ist in der Zwickmühle, aber Präsident Hollande hat sein Wort gegeben, mit aller Härte gegen Syrienrückkehrer vorzugehen. Bereits 200 von ihnen wurden im vergangenen Jahr unter polizeiliche Aufsicht gestellt.

Mehr Stellen, mehr Geld, mehr Waffen

Mehr Geld, eine bessere Bewaffnung und 5000 neue Stellen sollen den Kampf gegen den Terror verbessern, verspricht der Präsident. Die Zahl der auf den Straßen von Paris bereits allgegenwärtigen Polizisten mit Sturmgewehren im Arm wird sich weiter erhöhen. 53 Prozent der Franzosen, so zeigt eine neue Umfrage, befürworten die Maßnahmen der Regierung gegen den Terrorismus. Zweimal ist die Popularität von Francois Hollande jeweils nach den Anschlägen im Januar und im November hoch geschnellt. Um allerdings einige Wochen danach auch wieder abzusinken.

Ebenfalls 53 Prozent der Franzosen glauben andererseits, dass die eingeleiteten Maßnahmen ausreichen, um tatsächlich weitere Anschläge zu verhindern. Bei allem Bedürfnis nach innerer Sicherheit und einem Restgefühl der Angst in Paris, schätzen die meisten Franzosen die Möglichkeiten des Staates realistisch ein.

Rechtsruck in Frankreich?

Nach den Anschlägen des vergangenen Jahres gibt es durchaus mehr Unterstützung für eine Politik der starken Hand, sagt Bruno Cautrès, Politologe am Forschungsinstitut Cevipof in Paris. Es ist so, als ob die Franzosen lange unbekümmert gelebt und quasi die Haustür offen gelassen hätten, und auf einmal wurde ihnen auf brutale Weise bewusst, in was für einer gefährlichen Welt sie leben. Umfragen zeigten, dass die innere Sicherheit inzwischen an erster Stelle stehe.

Allerdings sieht der Politologe immer noch Unterschiede zwischen den Parteien: Die konservativen Republikaner versuchten teilweise, den Front National noch rechts zu überholen. Bei der sozialistischen Partei dagegen gebe es eine heftige Debatte über manche der Gesetzesänderungen und definitiv weniger Unterstützung für diese Politik. Viele von ihren Wählern unterstützen Hollande weiter, weil er Präsident ist, und nicht weil sie seine Politik richtig finden. Die Idee eines Polizeistaates werde von vielen Franzosen als Gefahr gesehen und aktiv abgelehnt.